1. FC Nürnberg:Gewandter Jongleur

07 04 2018 Fussball Saison 2017 2018 2 Fussball Bundesliga 29 Spieltag 1 FC Nürnberg N

Zwei Assists und eine Aura: Mikael Ishak (links) steuerte viel zum Nürnberger Heimerfolg bei.

(Foto: Zink/imago)

45 Minuten genügen Rückkehrer Mikael Ishak, um die Offensive zu reanimieren. Das 3:2 gegen Heidenheim ist für den Club ein wichtiger Schritt im Aufstiegskampf.

Von Sebastian Leisgang

Mikael Ishak zögerte einen Augenblick, deshalb musste der Pressesprecher an dieser Stelle eingreifen. Er konnte es ja nicht zulassen, dass der Eindruck aufkommt, Ishak habe sich selbst in Startelf berufen. Beim 1. FC Nürnberg geht es bisweilen etwas chaotisch zu, aber so weit ist es dann doch noch nicht gekommen: dass nicht der Trainer damit beauftragt ist, die Mannschaft aufzustellen - sondern ein Angreifer. Natürlich habe Michael Köllner das entschieden, sagte der Pressesprecher also, als sich die Journalisten erkundigten, ob Nürnbergs Trainer Ishak aus freien Stücken das Mandat für die Anfangsformation erteilt habe oder ob er, Ishak, nachgeholfen habe.

Sieben Wochen lang war Ishak mit einem Innenbandriss außen vor, in dieser Zeit produzierte der Club in unschöner Regelmäßigkeit Spiele, bei denen man ob der Offensivleistung befürchten musste, dass sie wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Am Samstag kehrte Ishak zurück - und war beim 3:2 gegen Heidenheim prompt die spielentscheidende Figur, obwohl er "nicht in Topform" und schon vor der Partie "sehr müde" gewesen sei, wie der Angreifer einräumte.

Soundsoviele Spiele hat der Club nicht mehr gewonnen - dieses Gerede ist nun Geschichte

"Das Wichtigste war, dass die Fans uns heute durch das ganze Spiel getragen haben", sagte Köllner nach dem Spiel. Nürnbergs Coach wollte den ersten Sieg nach fünf vergeblichen Anläufen nicht Ishak zuschreiben. Bei der Pressekonferenz nach der Partie jonglierte er derart gewandt mit den Worten, wie er es in dieser Saison zum Unmut eines Trainerkollegen schon einmal mit dem Ball an der Seitenlinie getan hatte. Köllner war sichtlich bemüht, seinen Torjäger mit keiner Silbe zu erwähnen - und tat dies nur, als er beschrieb, wie Ishak kurz vor seinem Dienstende noch eine Großchance ausließ. Köllner sprach lieber von den Zuschauern. Tausenden von Schultern fällt es leichter als zweien, den immensen Druck zu tragen.

Für den Anhang ist Ishak ja mindestens ein Heiland. Eine ganze Stadt fieberte seiner Rückkehr entgegen, war es dem Club in den vergangenen Wochen ohne den Schweden doch kaum einmal gelungen, den Ball über die Linie zu drücken - allenfalls über die Seitenlinie. Nur fünf Tore glückten Nürnberg in sechs Spielen - und lediglich ein einziger Sieg. Unter der Woche war Ishak erst ins Mannschaftstraining eingestiegen, doch er wollte unbedingt spielen. Und das lohnte sich.

Ishak ist kein filigraner Angreifer, der mit seinen Kollegen Doppelpass um Doppelpass spielt. Er ist ein Sprengmeister. Sein Wert für die Mannschaft ergibt sich auch aus der Arbeit, die er verrichtet, den Kilometerzahlen, den Balleroberungen. Gegen Heidenheim durfte sich Köllner schon nach 45 Minuten bestätigt fühlen, Ishak von Beginn an vertraut zu haben. Alleine die Aura des Torjägers machte sich bezahlt. Das Team spielte in der ersten Hälfte wie ausgewechselt, und Ishak steuerte bei seinem Comeback auf Anhieb zwei Assists bei, ehe er zur Halbzeit entkräftet ausschied. "Ich habe versucht, den Trainer zu überzeugen, dass ich mehr als 45 Minuten spiele", verriet Ishak später. Köllner aber blieb vernünftig, beschloss Ishaks Dienstschluss - und schon warf die Mannschaft in der zweiten Hälfte eine Frage auf, die dieses 3:2 gegen Heidenheim überdauert: Ist der Club auf zu wenigen tragenden Wänden errichtet? Ohne den gesperrten Ewerton war die Nürnberger Verteidigung gegen Heidenheim bemüht, überhaupt als Verteidigung durchzugehen. Und in der Offensive brachte der Club ohne Ishak kaum noch etwas zustande.

Die Spieler fanden einen anderen Erklärungsansatz für jene Symptome, die die 90 Minuten am Samstagmittag zu Tage förderten: etwa den Kräfteverschleiß nach einem aufreibenden ersten Durchgang, wie Eduard Löwen und Hanno Behrens in beiderseitigem Einvernehmen sagten. "Uns ist ein bisschen die Puste ausgegangen", meinte Löwen und war froh, "dass jetzt ein bisschen Ruhe reinkommt".

Soundsoviele Spiele hat der Club nicht mehr gewonnen, soundsolange dauert es noch, bis Ishak wieder mitmischen kann - dieses Gerede ist nun Geschichte. Der Vorsprung auf Platz drei beträgt nach Kiels 0:0 gegen Darmstadt nun wieder vier Punkte. Doch Ishak weiß: "Wenn du in einem großen Verein spielst wie Nürnberg, hast du immer Druck." Köllner ließ auch diesen Druck bei seiner Analyse außen vor. Er sprach lieber von den Fans, deren Unterstützung "ganz großer Sport" gewesen sei.

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