1. FC Nürnberg im Frankenderby:Der Vereinsboss brüllt von der Tribüne

1. FC Nürnberg v SpVgg Greuther Fürth - Second Bundesliga

Es gibt Niederlagen und es gibt ganz schlimme Niederlagen: Der 1. FC Nürnberg verlor zuhause gegen Fürth.

(Foto: Getty Images)

Auf den Tag genau 100 Jahre nach seiner ersten Meisterschaft erlebt der Club gegen Fürth einen ganz bitteren Moment - es kommt zu fränkischen Gefühlsausbrüchen.

Von Thomas Gröbner, Nürnberg

Nürnbergs Aufsichtsratschef Dr. Thomas Grethlein hatte in dem Moment zwar niemand gefragt um seine Einschätzung zum Spiel, vorenthalten wollte er sie den geknickten Spielern und dem Häuflein Journalisten im Stadion aber nicht: "Unglaublich dämlich auch", brüllte er von der Tribüne nach der 0:1-Derbyniederlage gegen den Nachbarn aus Fürth. "Fassungslos" sei er, "seid bloß froh, dass keine Fans da sind." Grethlein hat sich in den letzten Wochen zu so etwas wie einem Nürnberger Edel-Ultra aufgeschwungen, in Abwesenheit stimmgewaltiger Unterstützer mimt er den Einpeitscher und den Scharfrichter.

Die Ausbrüche von der Tribüne, sie kleiden die Ratlosigkeit in Worte, warum in aller Welt eigentlich der Bundesliga-Absteiger sich nicht einmal gegen den Rivalen aus der Nachbarschaft aufbäumen kann, der als schlechteste Zweitliga-Mannschaft seit der Corona-Pause anreiste.

Auf den Tag 100 Jahre ist es her, dass dieses Derby für etwas anderes stand, es war das Gipfeltreffen zweier Klubs, die die Menschen in den Bann zogen. Das beste, was der deutsche Fußball jener Zeit zu bieten hatte. Am 13. Juni 1920 siegte der FCN 2:0 gegen Fürth und feierte seine erste Meisterschaft, die Menschen schleppten Leitern ins Stadion und vermieteten die obersten Sprossen für gutes Geld. Und nun? Verspielen die Nachfolger der Nürnberger Meistermannschaft vor leeren Rängen das Erbe.

Wenn Gefahr entstand, hatte Hack seine Beine im Spiel

Obwohl mit dem Rücken zur Wand, überließ der Club das Spiel den Fürthern, der Matchplan sah vor, "dass wir Fürth den Ball geben wollten" erklärte Keller danach, "bei diesen Temperaturen" wollte der Club Kräfte sparen und lieber auf Konter setzen. Dazu vertraute Keller wieder auf den Kniff, Robin Hack die Freiheiten hinter der Spitze Mikael Ishak zu gewähren.

Der Ideengeber Johannes Geis, dessen Geistesblitze immer seltener wurden, blieb 90 Minuten auf der Bank. Tatsächlich: Wenn Gefahr entstand, hatte Hack seine Beine im Spiel, fast alle Abschlüsse gingen auf das Konto des filigranen Technikers, es griff der 1. FC Hack an, so schien es. Erst in der zweiten Hälfte stellte sich das Duo Marco Caligiuri, 36, und Mergim Mavraj, 34, in Fürths Hintermannschaft besser auf den U21-Nationalspieler ein.

Und nun zeigten die Fürther einen makellosen Spielzug: Nach einer feinen Spielverlagerung spielte Marco Meyerhöfer seinen Kollegen Julian Green im Strafraum frei, der lupfte den Ball auf den zweiten Pfosten - der eingewechselte David Raum musste nur noch zur Führung einköpfen (55.): "Chapeau", kommentierte Fürth-Trainer Stefan Leitl später. Raum war es auch, der die Kollegen in den Tagen vor dem Derby eingeschworen hatte, erzählte er danach. Dem gebürtigen Nürnberger war "das wichtigste Tor meiner Karriere" gelungen.

Wucht statt Wuseligkeit

Jens Keller reagierte auf den Rückstand, indem er die beiden Brechstangenspieler Adam Zrelak und Michael Frey aufs Feld warf, später musste auch Hack weichen für Sebastian Kerk. Lange Bälle auf Frey und Zrelak, die ablegten für die zweite Welle, das war die handwerkliche Ausrichtung von Keller, Wucht statt Wuseligkeit war das Motto.

Sportvorstand Palikuca hält an Trainer Keller fest

Der Ball segelte jetzt auch hin und wieder gefährlich in den Fürther Strafraum, doch ohne klaren Ertrag. Erst in der letzten Minute befreite sich Frey, seine Flanke erreichte den von Keller oft verschmähten Felix Lohkemper. Der konnte seinen Moment nicht nutzen, der Kopfball ging daneben, der Fürther Derbysieg war perfekt. Nach dem 1:0 können die Fürther entspannen, mit 42 Punkten ist der Klassenverbleib nicht mehr zu verspielen.

Die Erkenntnis sei nicht neu, fasste dagegen Jens Keller zusammen, sein Team finde kaum Mittel, den Gegner ernsthaft in Bedrängnis zu bringen, "das brauche ich nicht Woche zu Woche erzählen". Die Aussicht, durchgereicht zu werden von der Bundesliga in die dritte Liga, das scheint die Beine zu lähmen in Nürnberg. "Aber ich bin in meinen ganzen Leben aufgestanden, und wir werden auch aufstehen", sprach Keller sich und der Mannschaft Mut zu.

Daran scheint auch Sportvorstand Robert Palikuca zu glauben, er erneuerte das Bekenntnis zum Trainer, man vertraue auch in den drei verbleibenden Spielen (Wiesbaden, Stuttgart, Kiel) auf Keller.

Ob das die traurigste Saison seiner Karriere sei, wurde Club-Verteidiger Enrico Valentini dann noch gefragt. "Wenn ich das sagen würde: Was für ein Spieler wäre ich?", gab Valentini zurück. "Wir haben noch drei Spiele". Drei Spiele, um ein Erbe zu bewahren.

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