1. FC Nürnberg:Herzzerreißend statt herzerwärmend

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Julian Justvan bei einem seiner Elfmeter-Fehlschüsse. (Foto: Daniel Marr/Zink/Imago)

Viele Chancen, wenig Ertrag: Nürnbergs 2:2 gegen Düsseldorf passt in die vergangenen Wochen. Und die vielsprechende Zukunft, in die der Club mit den starken Leistungen hineinweist, gibt es möglicherweise gar nicht.

Von Sebastian Leisgang

Als Miroslav Klose nach dem Spiel zur Pressekonferenz erschien, hatte er nichts mehr zu befürchten. Es gab keine Einwände, niemand korrigierte ihn, nicht einmal der Videoassistent meldete sich. Bei der Analyse, die der Trainer des 1. FC Nürnberg am Sonntagnachmittag nach dem 2:2 gegen Fortuna Düsseldorf vortrug, gab es nichts zu beanstanden. Klose, 46, lobte seine Mannschaft für „eine sehr dominante erste Halbzeit“ und kreidete ihr für die zweite an: „Wir waren nicht mehr scharf genug.“

Ein Urteil, das offenbar selbst dem Videoassistenten keinen Anlass bot, ein Veto einzulegen. Während des Spiels hatte er sich in gut zehn Minuten dreimal eingeschaltet. Erst, als der Düsseldorfer Matthias Zimmermann den Ball im Strafraum mit der Hand berührte. Dann, als Julian Justvan den folgenden Elfmeter verschoss, Fortunas Torwart Florian Kastenmeier die Linie aber zu früh verlassen hatte. Und schließlich, als der Nürnberger Oliver Villadsen auf der anderen Seite durch ein Foulspiel ebenfalls einen Strafstoß verursachte.

Elfmeter hier, Elfmeter da: Die Eingriffe des Videoassistenten prägten ein Spiel, das der Club längst hätte entschieden haben können, bevor der Schiedsrichter wieder und wieder überstimmt wurde. Und so fügte sich das Spiel am Ende nahtlos in die vergangenen Nürnberger Wochen ein.

Das war ja das Thema zuletzt: So berauschend wie der Club im November oft spielte, ging es fast unter, dass die Siege auf der Strecke blieben. Die mitreißenden Leistungen überdeckten beinahe die abflachenden Ergebnisse – dabei ist es ja oft gerade andersherum. Da verschleiern Siege, was fußballerisch im Argen liegt, doch Nürnberg spielte zuletzt nicht mehr nur herzerwärmend, sondern auch herzzerreißend, weil bei all den hübschen Spielzügen immer weniger Punkte herumkamen.

„Schade, schade, schade“, sagte Ondrej Karafiat am Sonntag und klagte über „dasselbe wie gegen Kaiserslautern, Hamburg und Paderborn“. Für Nürnbergs Abwehrspieler war klar: „Wir hätten in der ersten Halbzeit 3:0 führen müssen.“ Das tat der Club aber nicht, dabei hatte Klose vor dem Spiel doch klargestellt: „Wir spielen Fußball, um Ergebnisse einzufahren.“ Weil das in den vergangenen Wochen allerdings nicht mehr gelang, sei „die Performance mehr oder weniger egal“. Einen Effekt hatte die Performance aber doch: Die Leute, die es mit dem Club halten, konnten ihrem Team kaum etwas verübeln. Sollten sie dieser aufregenden Mannschaft etwa das 1:1 in Hamburg krumm nehmen? War es wirklich angebracht, sie für das 1:1 gegen Kaiserslautern zu kritisieren? Und hatte sie beim 2:3 in Paderborn etwa zu wenig dafür getan, um auch dort wenigstens unentschieden zu spielen?

„Wir haben uns durch die Manege ziehen lassen“, sagt Düsseldorfs Trainer Thioune

Vor diesem Hintergrund ging es gegen Düsseldorf nun darum, Leistung und Ergebnis wieder in Einklang zu bringen. Ein Auftrag, den die Nürnberger in der ersten Hälfte auf derart beeindruckende Art und Weise erfüllten, dass Düsseldorfs Trainer Daniel Thioune später einräumte: „Wir haben uns durch die Manege ziehen lassen.“

Allein in der ersten Viertelstunde erarbeitete sich der Club nicht nur eine Großchance für Mahir Emreli, sondern auch fünf seiner zwölf Ecken. Die letzte dieser fünf Ecken führte zum 1:0 durch Finn Jeltsch, und weil es später Stefanos Tzimas war, der sechs Minuten vor Ende der regulären Spielzeit das 2:1 erzielte, gab der Club, wie schon in den vergangenen Wochen, auch gegen die Fortuna einen Blick in die Zukunft frei. In Person seiner beiden Torschützen ließ er die Tür einen Spalt aufgehen, und wer hineinspitzte, konnte erspähen, wie es glänzte und funkelte und strahlte. Wo das wohl hinführt, was der FCN gerade abliefert? Was wird aus dem Club, wenn diese aufregenden jungen Spieler erst einmal älter, reifer und – kaum auszudenken – noch besser sind?

Mit dieser Frage ist man dann auch schon bei dem Problem angelangt, das mit der spielerisch blühenden Gegenwart einhergeht: Diese Zukunft, in die der Club in den vergangenen Wochen hineingewiesen hat, gibt es möglicherweise gar nicht. Schon jetzt haben die Großklubs ein Auge auf Jeltsch und Tzimas geworfen. Und ob der auf Erlöse angewiesene Club den Versuchungen tatsächlich widerstehen kann, wenn die Angebote hereinflattern, das darf man zumindest bezweifeln.

Doch darum sollte es an diesem Nachmittag noch nicht gehen. Zu turbulent waren die 90 Minuten, zu tragisch auch die Rolle, die Justvan einnahm. Erst verschoss er gleich zweimal binnen weniger Augenblicke, als er zum Elfmeter antrat – und dann schrieb ihm die DFL auch noch das späte Düsseldorfer 2:2 als Eigentor zu. Da konnte ihm nicht einmal der Videoassistent zur Seite springen.

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