Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Elfter statt Erster

Der Saisonstart des 1. FC Nürnberg unter dem neuen Trainer Robert Klauß zeigt: Spielbestimmend war der Club noch nie und es schleichen sich überwunden geglaubte Fehler ein.

Von Johannes Kirchmeier

Knapp 7000 Zuschauer kamen am Montagabend ins Nürnberger Max-Morlock-Stadion, bisweilen verbreiteten sie dort eine fast schon wieder gewohnte Fußballstimmung, sie feuerten ihren Club gegen Darmstadt selbstverständlich an. Den gewaltigsten Eindruck hinterließen aber die beiden Augenblicke der Stille - auch wenn nur ein Moment davon geplant war. Vor dem Anpfiff um 20.30 Uhr gedachte der Club Georg Volkert mit einer Schweigeminute, der Meisterfußballer von 1968 und spätere Vereinsmanager war im August verstorben. Das war natürlich der geplante Moment der Ruhe, der ungeplante folgte knapp zwei Stunden später, als der 1. FC Nürnberg an dem Abend, an dem er mehr als eine Halbzeit lang sogar an der Tabellenspitze der zweiten Fußball-Bundesliga gestanden hatte, in der dritten Minute der Nachspielzeit das 2:3 (0:1) gegen den SV Darmstadt 98 durch Nicolai Rapp kassierte. Mucksmäuschenstill wurde es nach dem Treffer - auch weil in diesen Zeiten natürlich an so einem Zeitpunkt die Auswärtsfans fehlen, die nun Lärm machen würden.

Den Nürnbergern war nun nicht mehr danach - und verständlicherweise war auch ihrem Trainer Robert Klauß direkt nach der ersten Liganiederlage nicht daran gelegen, für Stimmung zu sorgen: "Wenn du zweimal gegen Darmstadt führst, obwohl du kein gutes Spiel machst, dann ist es unsere Pflicht, das Spiel nach Hause zu bringen", sagte er am Sky-Mikrofon. Das war es ja, was seine Mannschaft an diesem Abend auszeichnete: dass sie eigentlich über weite Strecken überhaupt nicht gut spielte, aber trotzdem so lange führte, weil Klauß' Plan aufging. Robin Hack (3. Minute) und Felix Lohkemper (61.) hatten den FCN jeweils in Führung geschossen, der ehemalige Fürther Serdar Dursun (55.) und Marvin Mehlem (76.) ausgeglichen.

Seitdem Klauß da ist, wollen sie in Nürnberg ja vor allem flink von der Verteidigung auf radikalen Angriff umschalten, das Mittelfeld flugs überbrücken, wie es so schön heißt. Es ist der Stil, den Klauß als Co-Trainer bei RB Leipzig erlernte. Und er passt ja auch sinnbildlich in die Lage beim Club, den zumindest die Fans nach der vermaledeiten vorigen Saison und dem Beinahe-Abstieg in Liga drei schon gerne - und am besten ohne Mittelfeldaufenthalt - wieder ganz oben sehen wollen in der zweiten Bundesliga. Da hätte die Tabellenspitze nach drei Spieltagen natürlich sehr gut ins Bild gepasst. Aber: Nach einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage ist der FCN nun Elfter statt Erster - auch wenn das nach drei Spielen in der ohnehin engen Klasse wenig aussagt. Spielbestimmend, das bleibt aber zumindest hängen, waren die Nürnberger bislang in noch keiner Partie. Und im eigenen Stadion gegen Darmstadt brachten sie es auch nur auf 33 Prozent Ballbesitz.

Zudem schlichen sich überwunden geglaubte Nachlässigkeiten in der Defensive ein. "Es ist sehr ärgerlich, dass wir drei Gegentore in der Box kassieren", sagte Klauß. "Bei dem Thema waren wir gerade in den letzten beiden Wochen sehr gut." In der Tat verteidigten sie beim 1:1 in Regensburg und dem folgenden 1:0 gegen Sandhausen souverän. Doch gegen Darmstadt wackelten die beiden zuvor noch starken Innenverteidiger Asger Sörensen und Lukas Mühl wieder bedenklich, wenn der Gegner den Strafraum betrat. Gerade das 1:1 nach einer Ecke sowie das 2:3 nach einem Freistoß und vor allem die dabei fehlende Nähe zu den Gegenspielern erinnerten an die drei Standard-Gegentore beim Relegationsspiel in Ingolstadt vor drei Monaten, als die Nürnberger erst in der Nachspielzeit den Klassenverbleib sicherten.

Gebessert hat sich dagegen am Montag die Arbeit auf der anderen Seite des Platzes, denn die zuvor kritisierten Stürmer der Franken erzielten ihre ersten beiden Tore der Saison: Hack traf schon kurz nach dem Anpfiff nach einer Flanke von Lohkemper. Der Letztgenannte legte mit seinem ersten Tor für den Club überhaupt nach, auf spielerisch und stürmerisch hochwertige Weise: Erst schnappte er sich den langen Schlag von Johannes Geis gerade noch so auf der Seitenauslinie, und dann zog er von der linken Seite nach innen, tanzte mit Darmstadts Rechtsverteidiger Patrick Herrmann in den Strafraum und traf per Schlenzer ins rechte Eck. Ein Tor, das auch Klauß ausnehmend gut gefiel. Nur merkte er nach der Niederlage auch an: "Mir wäre ein Sieg ohne Stürmertor lieber gewesen."

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SZ vom 07.10.2020
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