1. FC Nürnberg:Einmal nicht ein Chaotenverein

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Der Club verkündet auf seiner Mitgliederversammlung erneut einen Verlust von 1,9 Millionen Euro - Finanzvorstand Meeske spricht zudem über die Pläne zu einer Ausgliederung.

Von Markus Schäflein

Im Internet kursierte vor der Mitgliederversammlung des Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg ein so genanntes Bullshit-Bingo, bei dem Begriffe und Sätze gestrichen werden dürfen, sobald sie von einem Redner ausgesprochen werden. Dazu gehörten die Aussagen "Der Club gehört in die erste Liga", "Ich kann ihnen auch das Wort entziehen" und "Wir machen uns lächerlich". Nach rund 40 Minuten durften aufmerksame Mitspieler den ersten Begriff streichen: "Schwarze Null". Allerdings nicht, weil der Club - wie angekündigt und erhofft - in der Saison 2016/17 eine schwarze Null geschrieben hätte. Sondern, weil Finanzvorstand Michael Meeske verkünden musste, dass sie verfehlt wurde - 1,9 Millionen Euro Verlust machte der Club, genauso viel wie in der vorherigen Spielzeit 2015/16. "Das war natürlich nicht so geplant", sagte Meeske. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten nun auf 20,8 Millionen Euro.

Für die Zukunft zeigte sich Meeske jedoch optimistisch - denn insgesamt sanken, wie er es vorgesehen hatte, nicht nur die Einnahmen, sondern auch die Ausgaben, was auch Aufsichtsratschef Thomas Grethlein dazu bewog, trotz des deutlichen Minus von einer "Fortsetzung des Konsolidierungskurses" zu sprechen. Die Umsatzerlöse betrugen 36,7 Millionen Euro (minus 9,5). Die Aufwendungen verringerten sich ebenfalls um 9,5 Millionen Euro (auf 38,6). Die Transfererlöse betrugen nur noch 6,1 statt 13,9 Millionen Euro, der Transferaufwand und der Personalaufwand sanken aber auch zusammen um rund 6,5 Millionen.

„Die Marktentwicklung macht es eingetragenen Vereinen zunehmend schwerer“: Michael Meeske, Finanzvorstand des 1. FC Nürnberg. (Foto: Sportfoto Zink/imago)

Meeske sprach von einem "größtenteils planmäßigen Rückgang"; außerplanmäßig war hingegen der deutliche Rückgang der Spieltagerträge um 1,4 Millionen Euro aufgrund des mäßigen sportlichen Erfolgs und der Aufwand für den Trainerwechsel von Alois Schwartz zu Michael Köllner. Den Transfererlös für Stefan Kutsche ins alte Geschäftsjahr vorzuziehen, um doch noch die versprochene Null zu erreichen, sei für ihn nicht in Frage gekommen: "Es geht nicht darum, hier den lautesten Applaus zu bekommen."

Am Ende erhielt Meeske dann doch Applaus - und dies, obwohl er das Wort "Ausgliederung" als "ganz zentrales Thema" in den Mund nahm, womit der zweite Begriff beim Bullshit-Bingo gestrichen werden konnte. "Die Marktentwicklung macht es eingetragenen Vereinen zunehmend schwer", sagte Meeske und verwies auf die jüngste Ausgliederung beim Zweitliga-Konkurrenten VfL Bochum. Nachdem er die Pläne zuletzt zurückgestellt hatte, kündigte Meeske an, bei der Versammlung 2018 "die Pläne in einem Guss vorstellen und zur Abstimmung stellen" zu wollen. Um welchen Investor es sich handeln könnte, verreit Meeske nicht, Gespräche laufen aber: "Ich denke, dass wir zu Beginn 2018 ein bisschen mehr dazu sagen können."

Als Allerletztes auf der ellenlangen Themenliste der Versammlung stand der aufsehenerregendste Antrag. Die beantragte Satzungsänderung aus den Reihen der Ultras beinhaltete in einer komplizierten Formulierung nicht weniger als einen von den Anhängern über den Fanbeirat direkt zu entsendenden Aufsichtsrat - was potenzielle Investoren abschrecken könnte. "Ich möchte Sie bitten, bis zum Ende zu bleiben", sagte der Aufsichtsrats-Vorsitzende Grethlein zu Beginn der Veranstaltung - die Vereinsverantwortlichen fürchteten, dass gegen Ende die Ultras noch verblieben, die anderen Mitglieder großenteils schon gegangen sein könnten. Grethleins Appell erwies sich aber als unnötig, denn kurz darauf wurde der ominöse Tagesordnungspunkt 11d direkt hinter den Punkt 6, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, und noch vor die Neuwahlen gezogen - mit 419 Ja- und 351 Nein-Stimmen.

Der bedauernswerte Versammlungsleiter Dr. Adrian hatte den eine winzig bedruckte DIN-A4-Seite umfassenden Antrag zunächst vorzulesen, was ihm erstaunlicherweise weitgehend fehlerfrei und in wenigen Minuten gelang. Zu dem Änderungsvorschlag entstand eine stundenlange Diskussion, in der klar wurde, dass ihn wohl eine Mehrheit ablehnen würde. Kurioserweise sprach sich selbst ein Vertreter des Fanbeirats, der laut der neuen Satzung künftig einen Vertreter entsenden soll, dagegen aus: "In diesem Fanbeirat ist über diese Satzungsänderung noch nicht einmal diskutiert werden." Grethlein verwies darauf, dass der Fanbeirat derzeit nicht den Status eines Vereinsausschusses habe.

Am Ende war das Ergebnis überaus deutlich, es stimmten nur 197 Mitglieder mit Ja und 640 Mitglieder mit Nein. "Morgen steht sicher nicht in der Zeitung, dass der Club ein Chaotenverein ist", sagte angesichts der sachlichen Diskussion Wahlausschuss-Vorsitzender Gerd Lederer. Es fand auch keiner, dass sich der 1. FCN lächerlich gemacht hätte. Womit das Bullshit-Bingo diesmal nicht komplett ausgefüllt werden konnte.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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