1. FC Nürnberg:Ein Jahr zum Jahre älter werden

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Ein Spieler für Zidane-Tricks: Nürnbergs Robin Hack. (Foto: Daniel Karmann/Pool)

Der 1. FC Nürnberg kämpft im Saisonfinale gegen den Abstieg in die dritte Liga, vom Tempodribber Robin Hack, 21, hängt dabei viel ab. "Gut, so was mitzuerleben", sagt er. Auch der DFB und ein interessierter Erstligist schauen zu.

Von Sebastian Fischer

Im Kampf gegen den Abstieg in der zweiten Bundesliga geht es selten um das schöne Spiel. Es gibt einige Mittel, die sich im Laufe der Jahre als erfolgreich erwiesen haben: Kratzen gehört dazu, beißen, kämpfen, viel laufen und Kopf, Knie, Fuß oder irgendein anderes Körperteil in eine Flanke halten, die nicht mal unbedingt als Flanke geplant gewesen sein muss. Elegante Tricks, die Zinedine Zidane berühmt gemacht hat, zählen eigentlich eher nicht zum standardmäßigen Repertoire.

Es lief die Schlussphase beim 0:0 zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfL Bochum am 29. Zweitliga-Spieltag vor zwei Wochen, da hatte der Nürnberger Robin Hack den Ball im gegnerischen Strafraum und sah sich drei Bochumern gegenüber. Er zog den Ball mit der rechten Sohle zu sich, drehte sich um die eigene Achse und zog den Ball mit der linken Sohle hinter sich her. Der Zidane-Trick. Dann schoss er den Ball an die Latte.

Die Szene zeigte einerseits, dass der 1. FC Nürnberg Probleme beim Toreschießen hat. Sie zeigte aber auch, dass beim Club ein im Zweitliga-Abstiegskampf ziemlich auffälliger Fußballer mitspielt.

An diesem Samstag empfängt Nürnberg Greuther Fürth. Für den 1. FCN, den Tabellenfünfzehnten, geht es im Franken-Derby, das ohne Fans natürlich nur mit Einschränkungen ein Derby ist, um viel: Es ist das erste von vier verbleibenden Spielen dieser Saison, in denen der Bundesliga-Absteiger 2019 den Abstieg in die dritte Liga 2020 verhindern möchte. Hack, 21, deutscher U21-Nationalspieler, mit sieben Treffern bester Torschütze in einer schwachen Nürnberger Offensive, könnte dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Auch im wörtlichen Sinne: Zuletzt, beim 1:1 bei Tabellenführer Arminia Bielefeld, das beim FCN Zuversicht verbreitete, spielte Hack nicht wie sonst auf dem Flügel, sondern in der Mitte hinter der Spitze.

Als er im vergangenen Sommer von der TSG Hoffenheim kam, war eigentlich alles etwas anders gedacht: Nürnberg wollte nach dem Abstieg oben mitspielen. Doch von insgesamt 16 Zugängen, die Sportchef Robert Palikuca holte, ist Hack einer der eher wenigen, die überzeugen. Manche haben nur wenig gespielt. Einer der teuersten, Iuri Medeiros, ist demnächst vielleicht schon wieder weg. Der wichtige Innenverteidiger Dinos Mavropanos ist nur vom FC Arsenal ausgeliehen. Ob Hack bleibt, das ist auch fraglich. Doch der Reihe nach. Er sagt: "Ich konzentriere mich jetzt erst mal auf die Lage hier in Nürnberg, das ist nicht die einfachste."

Zunächst mal geht es ja noch um das interessante Experiment, wie sich jemand wie Hack, fußballerisch eher ein Feingeist, Tempodribbler, schmächtig, die Stutzen immer weit über die Knie gezogen, im gerne rustikalen Zweitliga-Abstiegskampf und dann auch noch im anspruchsvollen Umfeld eines Traditionsvereins zurechtfindet. "Unser FCN strahlt seit 120 Jahren - zeigt endlich einen Funken Anstand und macht euch dafür schmutzig", stand neulich auf einem Banner am Trainingsplatz, aufgehängt von der organisierten Fanszene. "Als junger Spieler ist es gut, so was mitzuerleben", sagt Hack. Ja, er sei ein paar Jährchen älter geworden in diesem einen Jahr.

Hack galt immer als sehr talentierter Nachwuchsspieler, zunächst beim Karlsruher SC und später bei der TSG Hoffenheim. Er hatte aber auch Pech mit Verletzungen, bis zum Sommer 2019 hatte er noch nie konstant hochklassigen Profifußball gespielt, in der vergangenen Saison kam er neunmal in Hoffenheims Regionalligamannschaft zum Einsatz. Auch beim DFB, wo er die Auswahlmannschaften seit der U16 durchlief, beobachten sie Hacks Saison genau. "Man merkt, dass er im Durchsetzungsvermögen dazugelernt hat und seine Stärken immer besser ausspielen kann", sagt Toni Di Salvo, Co-Trainer der U21, für die Hack im vergangenen Jahr debütierte und im zweiten Spiel drei Tore zu einem 5:1 gegen Wales beitrug.

Hacks große Stärke, das sei "dieses schnelle Aufdrehen, den Weg nach vorne zu suchen", sagt Di Salvo. Die Schwächen sind keine Überraschung bei seinem Spielertyp: Kopfball, Defensivverhalten, Stabilität im Zweikampf. "Es geht darum, zu versuchen, durch schnelles Spiel dem Zweikampf zu entgehen - oder einfach dagegenzuhalten, den Körper so geschickt wie möglich einzusetzen und im Ballbesitz zu bleiben" sagt Di Salvo, selbst früher Stürmer und im Verband mit einem Konzept zur Ausbildung der Angreifer der Zukunft beauftragt. Das müsse Hack noch besser und konstanter hinbekommen.

Hacks Zukunft könnte wieder in Hoffenheim liegen. Jedenfalls hat die TSG, die ihr Talent im vergangenen Sommer für eine halbe Million Euro vergleichsweise preiswert abgab, eine Rückkaufoption am Ende der Saison. "Grundsätzlich ist Robin ein Spieler, der auch in der ersten Liga spielen kann", findet Di Salvo. Hoffenheim sagt offiziell noch nichts dazu. Auch Hack selbst muss natürlich zustimmen, falls die Option gezogen werden soll.

Was er darüber denkt, das behält er zunächst noch für sich. Gerade geht es für ihn erst mal darum, vielleicht nicht mehr von Linksaußen, sondern in der Mitte des Nürnberger Spiels zu den entscheidenden Toren gegen den Abstieg beizutragen. Er mag die Position, "weil ich mich ein bisschen freier bewegen kann, gefühlt mehr am Spiel teilnehmen kann". Zur Not, wenn es eng wird, auch wieder mit einer Pirouette zwischen lauter Verteidigerbeinen.

© SZ vom 13.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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