1. FC Nürnberg:Ein Desaster für den Club

Fussball Torwart Christian Mathenia (Nuernberg) nach roter Karte auf der leeren Suedtribuene im Millerntor-Stadion Hamb; Fußball - 1. FC Nürnberg - Mathenia

Trübsal nach dem Missgeschick: Nürnbergs Torwart Christian Mathenia im Millerntorstadion.

(Foto: imago)

Nach der 0:1-Niederlage gegen St. Pauli klingen die Stimmen aus Nürnberg schon wie die eines frustrierten Abstiegskandidaten.

Von Jörg Marwedel

Die Profis des FC St. Pauli hatten sich gewünscht, dass trotz des leeren Millerntorstadions die Einlaufhymne "Hells Bells" von AC/DC gespielt wurde. Das sollte dem Gegner ein bisschen Angst machen. Auf das zweite Stadionlied, die Torhymne "Song two" von Blur, mussten sie aber lange warten. In der 84. Minute stellte Viktor Gyökeres nach einem Pass von Waldemar Sobota den 1:0-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg sicher. Die Hanseaten bauten so den Abstand zur Gefahrenzone aus, während das Resultat in mehrfacher Hinsicht zum Desaster für den Club wurde: Er liegt nach den Siegen der Abstiegskonkurrenten nur einen Punkt vor dem Sechzehnten Wehen Wiesbaden (2:1 gegen Stuttgart) und zwei Zähler vor dem Vorletzten Karlsruhe (2:0 gegen Darmstadt).

Noch bitterer aber war es, wie es zu dieser Niederlage kam, Torhüter Christian Mathenia leitete sie ein. Er erwischte in der 53. Minute außerhalb des Strafraums den Fuß des Pauli-Torjägers Henk Veerman, als dieser versuchte, den Ball an ihm vorbeizuspielen, um dann ins Tor zu schießen. Schiedsrichter Daniel Siebert hatte dieses Foul zunächst nicht gesehen und zeigte zur Ecke. Doch nach Einschreiten des Video-Assistenten schaute er sich die Szene noch einmal an und hatte danach keine Zweifel, dass die rote Karte für den Schlussmann die richtige Strafe war: Es war tatsächlich die Verhinderung einer echten Torchance.

"Ich rutsche vorher ein bisschen weit weg und habe nicht mehr das Timing bekommen, um den Ball zu bekommen", so erklärte Mathenia hinterher sein Missgeschick. Hamburg wird für den ehemaligen HSV-Torhüter zunehmend zum Schrecken. Erst stieg er mit seinem alten Klub aus der Bundesliga ab, beim 1:1 im Hinspiel gegen St. Pauli brach er sich die Kniescheibe; und nun leitete er die Niederlage ein. Nachdem die Franken in der ersten Halbzeit das bessere Team waren - und nur Pauli-Keeper Robin Himmelmann gegen Adam Zrelak (10. Minute) und zweimal bei einem Freistoß von Johannes Geis (27./36.) das 0:1 verhinderte. Nikola Dovedan gelang zudem das Kunststück, zwei Minuten vor der Pause völlig unbedrängt über das Tor zu schießen. Erst mit zehn Mann versuchten die Nürnberger in der guten letzten halben Stunde, sich dem zunehmenden Druck der Hamburger entgegenzustellen und wenigstens einen Punkt zu retten.

Doch auch wenn das misslang, war Trainer Jens Keller "sehr beeindruckt", welch "tolles Spiel" seine Mannschaft in den ersten 45 Minuten offenbart habe: "Unser taktisches Konzept ging voll auf. Wir haben Spielfreude gezeigt, hatten ein gutes Gegenpressing und haben gut umgeschaltet. Nur die Tore haben gefehlt." Dabei hatte er vor der Partie noch geunkt, die Spieler seien keine Roboter, und es gebe beim Neustart so viele Regeln. Er hoffe, "dass wir das alles auf dem Schirm haben". Der positivere Ausblick des Mittelfeldspielers Geis, es könnte ja auch sein, dass ein leeres Stadion ein "minimaler Vorteil für uns ist", schien sich zunächst zu bestätigen.

Die Nürnberger hatten sich um viele Dinge gekümmert. Auch der Fan-Beauftragte Jürgen Bergmann war involviert, er lief um das Stadion, um sich zu vergewissern, dass dort keine Club-Anhänger lauerten - denn im schlimmsten Fall hätten man auch auf diese Weise das Spiel am Grünen Tisch verlieren können. Aber es waren keine da. Keller hatte eine Aufstellung gewählt, die sich abhob von der alten Zeit. Die alte Zeit ist zwei Monate her, eine 0:3-Niederlage im bislang letzten Spiel gegen Hannover 96. Vier Neue rotierte er herein. Wobei Konstantin Mavropanos als Innenverteidiger so gut auftrat wie die Club-Defensive (mit Ausnahme des 96-Spiels) in der Zeit vor der Pandemie. Irgendwie typisch für die derzeitige Misere war die letzte Szene der Partie: Mavropanos rauschte im gegnerischen Strafraum mit St. Paulis Innenverteidiger Leo Östigard zusammen und blieb benommen liegen.

Der gebürtige Hamburger Fabian Nürnberger, der überraschend die Position des Sechsers bekleidete, klang jedenfalls schon so, wie ein deprimierter Abstiegskandidat klingt: "Ich bin sauer und frustriert. Wir hatten das Spiel komplett in der Hand, hatten große Torchancen." Aber so ist das nun mal oft, wenn alles gegen einen läuft.

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