1. FC Nürnberg:Er ist wieder wer

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Er gibt die Richtung vor - und man darf davon ausgehen, dass sie stimmt: Dieter Hecking. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Vor dem Saisonfinale gegen Schalke ist zwar klar, dass der Club dieses Jahr nicht aufsteigen wird - doch wichtiger ist: Er hat wieder Träume. Über die Auferstehung eines großen Vereins.

Von Sebastian Leisgang

Wer in der Geschäftsstelle des 1. FC Nürnberg nach oben will, um sich mit Dieter Hecking über die Gegenwart und die Zukunft auszutauschen, der wird unten im Vereinsmuseum erstmal mit der Vergangenheit konfrontiert. Damit, zu was es dieser große Verein schon gebracht und was er alles eingesteckt hat in all den Jahrzehnten. Trophäen, Trikots, Texte, so ein Museum kann rührend sein, auch wenn es einem ziemlich albern vorkommt, sich ein Bild von Marek Mintal anzuschauen und in Gedanken plötzlich wieder mit einem zerzausten Lederball gegen ein Garagentor zu bolzen.

Oben im Besprechungsraum soll es jetzt nicht um die gute, alte Zeit gehen, die auch und gerade beim 1. FC Nürnberg nicht immer gut war. Das Thema mit Dieter Hecking ist jetzt Dieter Hecking, und wer mit Hecking über Hecking spricht, der spricht mit ihm auch immer über den Club. Es ist eine ziemlich gute Geschichte, die Nürnbergs Sportvorstand an diesem Nachmittag zu erzählen hat, am Valznerweiher entsteht ja grade wieder was. Heckings Geschichte nimmt zwar erstmal kein gutes Ende, Nürnberg hat zuletzt vier Mal nicht gewonnen und wird deshalb auch in der nächsten Saison in der zweiten Liga spielen - doch das große Ganze, das, was über den einzelnen Ergebnissen steht, das passt wieder. Die Leute gehen momentan ja nicht mehr bloß zum Club, weil sie halt immer zum Club gehen - sie gehen jetzt wieder hin, weil sie wissen, dass da eine Mannschaft spielt, die es wert ist, hinzugehen.

Gemessen daran, wie der Club beieinander war, als Hecking kam, ist kein Wort zu groß

Man könnte es auch ziemlich hoch einhängen und feststellen: Der 1. FC Nürnberg ist wiederauferstanden.

Auferstehung, mag sein, dass das ein großes Wort ist. Mag sein, dass da eine Menge Pathos mitschwingt, doch wer - noch dazu in Nürnberg - verfolgt schon den Fußball, um ihn nüchtern zu betrachten? Gemessen daran, wie der Club beieinander war, als Hecking kam, gemessen an dem Schreck, der die Mannschaft und den gesamten Verein durchfuhr, als die Mannschaft vor zwei Jahren im Rückspiel der Relegation 0:3 in Ingolstadt zurücklag, gemessen an alledem, ist eigentlich kein Wort zu groß, um das zu benennen, was Nürnberg hinter sich hat. Der Club sprang dem Abstieg ja erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit von der Schippe, zu einer Zeit, als er längst totgesagt war. Mit einem Bein standen die Nürnberger schon in Zwickau, mit dem anderen beinahe in Meppen, doch dann kam Schleusener, Fabian Schleusener, und rettete, was im Grunde gar nicht mehr zu retten war.

Er habe damals, im Sommer des Corona-Jahres zwanzigzwanzig, "einen Verein vorgefunden, der erstmal durchatmen musste", sagt Hecking oben im Besprechungsraum und verzieht dabei keine Miene. Er weiß zwar, wie die Geschichte weitergeht, dass sie noch eine Wendung nimmt und am Ende eine ziemlich gute wird - als Hecking aber über seine Anfänge als Nürnberger Sportvorstand spricht, lässt sich in seinem Gesicht nichts lesen. Da ist keine Überraschung, keine Bestürzung, auch kein triumphales Lächeln, nicht mal im Ansatz.

Hecking kann das ziemlich gut: reden, ohne sich anmerken zu lassen, was in ihm vorgeht. Er kann zwar auch deutlich werden, wenn es nicht läuft, auch das haben sie in Nürnberg schon erlebt, doch selbst dann ist Hecking auch immer eines: sachlich. Und wahrscheinlich, man weiß ja nicht, wie es ohne Hecking wäre, war es auch das, was dem Club ziemlich gut getan hat, vor zwei Jahren, als Hecking an den Valznerweiher zurückkehrte.

Wenn einer die Richtung vorgibt, der nicht nur weiß, wo's langgeht, sondern auch dann seinen Weg geht, wenn andere den Kopf verlieren und sich verirren, dann kann man davon ausgehen, dass die Richtung stimmt. Und beim 1. FC Nürnberg, das ist nicht zu übersehen, stimmt die Richtung wieder, seit Hecking da ist.

Trainer Robert Klauß steht für das Moderne, für Schwung, für Aufbruch

Schon richtig, der große Wurf ist dem Club in diesem Jahr nicht gelungen. Dafür waren Mannschaften wie Schalke und Bremen zu gut. Deshalb ist die Mannschaft noch nicht auf der Überholspur. Aber den Blinker hat sie gesetzt. Der Kader ist derart schlagkräftig, dass ihm im Grunde nur ein robuster Mittelfeldspieler und ein verlässlicher Stürmer fehlen. Einer wie Mintal, der unten im Vereinsmuseum die Arme hochreißt und brüllt vor Glück. Einer wie Mintal geht dem Club momentan zwar ab, grundsätzlich sieht Hecking den Verein aber "auf einem guten Weg". Er sei hergekommen, um "nachhaltig etwas aufbauen", sagt Nürnbergs Sportvorstand, "aber wir müssen es jedes Jahr aufs Neue bestätigen".

Dafür hat der Club vergangene Woche den Vertrag mit Robert Klauß verlängert. Nürnbergs Trainer steht für das Moderne, für Schwung, für Aufbruch. Dass er im Kleinen einzelne Spieler ebenso weiterbringen kann wie im Großen eine ganze Mannschaft, das hat er längst gezeigt. Mit Klauß, dem jugendlichen Erneuerer, und Hecking, dem alten Fahrensmann, scheinen jetzt die richtigen Leute am Steuer zu sein.

Und wer weiß, vielleicht ist es sogar von Vorteil, dass der Club auch nächstes Jahr in der zweiten Liga spielt. Wäre sonst ja gut möglich, dass es ihm genauso ergehen würde wie den Fürthern, die in dieser Saison nie eine reelle Chance hatten, in der Bundesliga zu bestehen. In jener Liga, in der Marek Mintal einst Torschützenkönig war.

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