1. FC Nürnberg:Die Legende summt nur noch

1. FC Nürnberg v SpVgg Greuther Fürth - Second Bundesliga

„Wir müssen über die Grenzen gehen. Das habe ich der Mannschaft vermittelt.“ – Jens Keller sagt, was man im Abstiegskampf so sagt.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Gipfeltreffen am Tabellenende: Der Tabellen-16. tritt beim 17. Wiesbaden an.

Von Thomas Gröbner

Jens Keller war mal ein guter letzter Mann, als Libero grätschte er unter dem Grätschenliebhaber Werner Lorant für 1860, er stieg mit ihm von der Bayernliga in die Bundesliga auf. Das Fußballfachblatt Kicker attestierte ihm, ein Abwehrchef ohne Schwächen zu sein, auch wenn zur "Weltklasse" noch ein paar Prozente fehlen würden, 1998 war das. So einen wie den jungen Keller könnte der nunmehr 49-jährige Keller ganz gut gebrauchen vor dem Abstiegsgipfel gegen Wehen Wiesbaden, aber auch so will er sich vor seine Mannschaft stellen, sozusagen als guter erster Mann: "Ich gehe mit breiter Brust vorneweg." Seine Mannschaft hat Zuspruch bitter nötig, nach der Derbyniederlage gegen Fürth am Samstag (0:1) dürfte das Selbstvertrauen der Nürnberger weiter erschüttert sein. Nicht nur Ideen und Struktur fehlten, sondern auch die "absolute Besessenheit", wie Sportvorstand Robert Palikuca zugab - eine alarmierende Analyse nach einem Derby. Jens Keller sagte also, was man als Trainer in dieser Situation sagt: "Wir müssen über die Grenzen gehen. Das habe ich der Mannschaft vermittelt und lebe es ihr auch vor."

Denn es droht der zweite Abstieg in die Drittklassigkeit nach 1996. Vor den verbleibenden drei Saisonspielen hat der Club gerade mal 33 Punkte gesammelt, er liegt auf dem Relegationsrang 16, punktgleich mit dem Karlsruher SC auf Platz 15. An diesem Dienstag (18.30 Uhr) könnten die Franken sogar auf den vorletzten Platz abrutschen: bei einer Pleite bei Wehen Wiesbaden, 31 Punkte, Rang 17. Doch anstatt bedingungslosen Hurrafußball zu verordnen, bremst Keller: "Wir gehen dahin, um das Spiel zu gewinnen, aber wir werden nicht ins offene Messer laufen", sagt er, "wir werden nicht Hauruck-Fußball spielen." Ein Nürnberger Sieg in Wiesbaden würde für den Gegner den Abstieg bedeuten, glaubt Keller: "Dann wird es für sie vorbei sein." Die Prognose für seine Mannschaft dürfte gleichwohl im Falle einer Niederlage nur einen Hauch besser sein. Fraglich, ob die Offensiv-Hoffnung Robin Hack und der griechische Abwehrhüne Konstantinos Mavropanos helfen können, beide trugen Blessuren aus dem Derby davon. Keller kündigt auf jeden Fall an, seine Elf umzubauen, um "Frische reinzubringen".

Ob dann auch wieder Platz für Nikola Dovedan ist? Den österreichischen Fußball-Feingeist hatte Keller zuletzt für eine Denkpause aus dem Kader gestrichen. "Wir werden es wieder neu mischen, und dann kann es sein, dass er wieder dabei ist", sagt Keller. Dovedan gilt als ein Lieblingsschüler des entlassenen Damir Canadi, der nach dem 13. Spieltag Mitte November gehen musste. Der Club war gerade auf Tabellenplatz 14 abgerutscht, seitdem konnte Nürnberg sich nicht befreien: Nur vier Siege gelangen unter Keller in 18 Partien - und keiner nach der Corona-Zwangspause. Ein positiver Effekt des Trainerwechsels ist tabellarisch nicht nachweisbar - im Gegenteil, der Sinkflug setzt sich fort.

"Wir werden das stoppen", versichert Palikuca trotzdem. "Die Legende lebt", heißt es in der Vereinshymne, die vor jedem Heimspiel aus den Boxen dröhnt. Gerade dürfte man sie beim Club nur noch leise summen.

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