1. FC Nürnberg:Die Handbremse gelöst

1. FC Nuernberg v 1. FC Kaiserslautern - Second Bundesliga

Rein damit: Der neue Nürnberger Kapitän Hanno Behrens (18) trifft zur Führung.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Der FCN startet beim Klassiker gegen Kaiserslautern erstaunlich überzeugend. Die ersten Anhänger fragen sich schon, ob die als Aufsteiger gehandelten Klubs tatsächlich besser als der FCN sind.

Von Christoph Ruf

Natürlich gab es auch am Sonntagabend wieder ein paar Fans und Journalisten, die sich die 18 Teams ins Gedächtnis gerufen haben, die derzeit die zweite Liga bilden. Sie fragten sich, ob der 1. FC Nürnberg denn tatsächlich schlechter ist als die drei, vier Mannschaften, die nach allgemeinem Dafürhalten den Aufstieg unter sich ausmachen werden. Doch das beherrschende Thema war diese Frage nicht. Weder auf den Parkplätzen rund ums Stadion noch auf dem Bardentreffen in der Altstadt, zu dem es viele Fans nach dem Spiel zog. Der Blick ging eher zurück. Denn das Hauptthema war die pure Freude über ein Spiel, das der Club völlig verdient gewonnen hatte und bei dem er - und das gab es in den letzten Jahren weit seltener als verdiente Siege - dem Publikum Freude beim Zuschauen bereitet hatte. Stille Genugtuung war also allerorten spürbar, und das war offenbar die gleiche Grundstimmung, wie sie in der Mannschaft herrschte: "Nach der tristen letzten Saison hat uns das Spiel heute gut getan", sagte Torhüter Thorsten Kirschbaum. Kapitän Hanno Behrens lobte den Mannschaftsgeist und sprach so überzeugend von der guten Stimmung in der "eingespielten Truppe", dass man ihm das glatt glauben musste.

Trainer Michael Köllner hat aus einem defensiv denkenden Team eines geformt, das selbst agiert

Bevor man den Club nun in den Himmel hebt, muss allerdings kräftig relativiert werden. Am Sonntag spielte der Heimmannschaft sowohl der Spielverlauf als auch die Besetzung der gegnerischen Torwartposition mächtig in die Karten. Von "Toren, die wir individuell einleiten", sprach sehr Gentleman-like der alte Fahrensmann Norbert Meier, der derzeit den FCK trainiert. Er beschrieb damit recht freundlich den Umstand, dass sein Keeper Marius Müller ein glattes Eigentor fabrizierte und bei den beiden anderen Treffern zumindest nicht gut aussah. Dass seine Fahrigkeiten mit einem Transparent in der FCK-Kurve zu tun gehabt haben könnten, das ihn und den anderen ehemaligen Red-Bull Spieler Gino Fechner attackierte, schloss Müller nach dem Spiel aus. "Schon wieder nicht auf den Charakter geschaut. Müller und Fechner, seht zu, dass ihr abhaut", stand darauf, Müller blickte auf dem Weg zu seinem Tor darauf. Doch das habe ihn nicht beeindruckt, sagte der Keeper. "Die werden ihre Gründe haben." Davon kann man ausgehen, auch der Ex-Lauterer Willi Orban wurde vor zwei Jahren am Betzenberg sehr unfreundlich empfangen, als er im RB-Dress auflief.

Doch Müllers Patzer hin und Schläfrigkeiten bei dessen Vorderleuten her - der klare Nürnberger Sieg hatte längst nicht nur mit den Defiziten des Gegners zu tun. Es ist lange her, dass eine Nürnberger Mannschaft durchgehend so dominant und zwingend agierte wie es der Club am Sonntag über eine Stunde lang getan hat. Die letzten 30 Minuten fallen aus der Wertung, da das Spiel entschieden war, schaltete man auf Standby. Doch bis zum 3:0 durch Kevin Möhwald zeigte sich der Club in bestechender Form. Überragend agierte im 4-1-4-1 dabei Patrick Kammerbauer als einziger Sechser, der sowohl in Sachen Ausstrahlung als auch mit der Qualität seiner Pässe überzeugte - und der ganz nebenbei kaum einen Zweikampf verlor.

Es gibt in Nürnberg nicht viele Menschen, die Alois Schwartz (Juli 2016 bis März 2017) als Trainer nachtrauern. Doch bei aller berechtigten Kritik an dessen Passiv-Fußball muss man ihm zugutehalten, dass er es war, der Talente wie Kammerbauer zu Stammspielern machte. Nachfolger Michael Köllner gebührt allerdings das Verdienst, aus einer defensiv denkenden, zögerlichen Mannschaft eine geformt zu haben, die selbst agiert und auf die eigenen Stärken vertraut. Um diesen Mentalitätswandel hinzubekommen, scheint der Oberpfälzer allerdings die Sommerpause dringend gebraucht zu haben. Alle sieben Spiele gewann man da und schon im Test gegen Mönchengladbach sahen die Beobachter eine runderneuerte, spielerisch wie taktisch überzeugende Mannschaft.

Sollte daraus eine Entwicklung werden und der Club auch in den nächsten Spielen überzeugen, wäre das auch für Köllner gut. Sportvorstand Andreas Bornemann hat dem Mann, der seinen Machtanspruch auch bei den brachialen Umbauten im Nachwuchsleistungszentrum immer wieder geltend machte, bislang demonstrativ den Rücken gestärkt. Und das war auch nötig, schließlich waren die Leistungen (und die Ergebnisse) im Saisonendspurt alles andere als überzeugend. Am Sonntag hatte Köllner dann im Grunde nichts mehr am Vortrag seiner Mannschaft auszusetzen, außer "dass wir am Anfang leichte Übermotivation haben erkennen lassen". Die Fans, die ihre Mannschaft noch lange nach Schlusspfiff feierten, haben mit einer übermotivierten Club-Elf indes keine größeren Probleme. Dazu haben sie in den vergangenen Jahren zu oft eine Elf spielen sehen, bei der man sich immer wieder fragte, wann sie endlich die Handbremse löst.

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