1. FC Nürnberg:Der 1. FC Hack verliert

1. FC Nürnberg v SpVgg Greuther Fürth - Second Bundesliga

Traditions-Club am Boden: Innenverteidiger Konstantinos Mavropanos und die anderen Nürnberger müssen nach dem Derby "wieder aufstehen", wie ihr Trainer Jens Keller fordert.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Club findet im Derby kaum Mittel, Fürth ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Sportvorstand Palikuca erneuert das Bekenntnis zu Trainer Keller.

Von Thomas Gröbner

Die Frage drängte sich auf nach diesem Spiel: Woraus Jens Keller jetzt eigentlich Kraft und Zuversicht schöpft? "Ich bin in meinen ganzen Leben aufgestanden, und wir werden auch wieder aufstehen", verkündete Nürnbergs Trainer Keller nach der bitteren 0:1-Derbypleite gegen den Rivalen aus Fürth. Das klang mehr nach Selbsteinflüsterung als nach Selbstgewissheit, und so richtig viele Anhaltspunkte, dass in den nächsten Tagen plötzlich neue Laufwege entdeckt werden oder zumindest ein Tor getroffen werden könnte, gab dieses Spiel nicht her.

Es war phasenweise nicht zum Hinschauen, aber man konnte die Essenz des Spiels praktischerweise mit geschlossenen Augen erfassen. Der Sound des Derbys bestand aus einem seltsamen Mix aus Vogelgezwitscher, dem dumpfen "Blopp" eines erbarmungslos nach vorne geprügelten Balls, spitzen Schmerzensschreien nach Karambolagen (35 Fouls) und dem Zetern von Nürnbergs Aufsichtsratschef Thomas Grethlein.

"Unglaublich dämlich auch", brüllte er von der Tribüne, "fassungslos" sei er, "seid froh, dass keine Fans da sind." Die Ausbrüche kleiden die Ratlosigkeit in Worte, warum in aller Welt es der Bundesliga-Absteiger nicht einmal im Nachbarschaftsduell schafft, sich richtig aufzubäumen.

Der 1. FC Nürnberg trat gegen die SpVgg Greuther Fürth passionslos auf, gegen einen Gegner, der ohne große Sorgen und als schlechtestes Team der Liga nach der Corona-Pause angereist war. Auch Club-Sportvorstand Robert Palikuca hatte die "Besessenheit vermisst", und doch scheint er der Kraft der Autosuggestion etwas abgewinnen zu können: Er erneuerte das Bekenntnis zu Trainer Keller für die drei verbleibenden Spiele um den Klassenverbleib in Wiesbaden, gegen Stuttgart und in Kiel. Mit der Niederlage rutschte Nürnberg auf Platz 16, nur zwei Punkte vor Wiesbaden, das auf einem direkten Abstiegsplatz steht.

Es lag nicht an Robin Hack, der im Moment als Freigeist hinter der schwedischen Spitze Mikael Ishak die Verantwortung für das Offensivspiel trägt, besonders seit Ideengeber Johannes Geis nur noch zuschauen darf. Wenn Gefahr entstand, hatte Hack seine Beine im Spiel, fast alle Abschlüsse gingen anfangs auf das Konto des filigranen Technikers, es griff der 1. FC Hack an, so wirkte es. Doch in der zweiten Hälfte stellte sich das Duo Marco Caligiuri, 36, und Mergim Mavraj, 34, in Fürths Hintermannschaft besser auf den U21-Nationalspieler ein, und die Überraschungsmomente wurden rar.

Die Erkenntnis ist nicht neu, Nürnberg findet kaum Mittel, Gegner ernsthaft in Bedrängnis zu bringen, "das brauche ich nicht Woche zu Woche erzählen", sagte Keller danach. Club-Verteidiger Enrico Valentini ergänzte die Problemstellung: "Wir sind leider zu instabil hinten, früher oder später kassieren wir eins." Tatsächlich reichte der Spielvereinigung ein Bilderbuchangriff, um dieses Derby zu entscheiden: Nach einem Diagonalpass spielte Marco Meyerhöfer seinen Kollegen Julian Green im Strafraum frei, der lupfte den Ball auf den zweiten Pfosten - David Raum musste nur noch zur Führung einköpfen (55.): "Chapeau", kommentierte Fürth-Trainer Stefan Leitl später zufrieden, mit 42 Punkten ist der Klassenverbleib für sein Team gesichert. Der gebürtige Nürnberger Raum war es auch, der die Kollegen in den Tagen zuvor eingeschworen hatte auf dieses 266. Nachbarschaftsduell.

Als hätte der Fußball einen feinen Sinn für historische Zeitläufe, legte er dieses Frankenderby auf genau den Tag, an dem der 1. FC Nürnberg vor 100 Jahren gegen Fürth das Endspiel um die deutsche Meisterschaft gewann. Dabei bräuchte es diesen harten Kontrast nicht, um die Dramatik und Tristesse der Gegenwart zu betonen. Damals war es ein Duell, das die Menschen in ihren Bann zog, Heiner Stuhlfauth stand im Club-Tor und hielt so alles, was auf ihn zukam. Völlig ungerührt, "wie ein indischer Yogi, der in die Betrachtung seines Bauchnabels versunken ist", beschrieben ihn Zeitgenossen dabei.

In ähnlicher innerer Einkehr sitzen 100 Jahre später 26 Fans am Samstagnachmittag im Nürnberger Vereinslokal, den Stuhlfaulth-Stuben, und verdauen den nächsten Rückschlag im Abstiegskampf. Ohne großen Ornat, nur ein dünner Fanschal baumelt um einen Hals. Man braucht aber keine Embleme, man erkennt die Clubfans auch so an den Sorgenfalten, ansonsten wirken sie yogihaft ungerührt. Kein Aufschrei, keine Pfiffe, keine Plakate im Stadion, seit dem Notbetrieb im Geisterspielmodus scheinen die Mannschaft und die Fans entkoppelt zu sein, es gibt keinen Resonanzraum. Nicht einmal das Autokino am Stadion zeigte das Spiel, es gab keine Nachfrage, erzählt der Herr von der Fanbetreuung. Nürnbergs Anhänger leiden in diesen Tagen, ganz im Sinne der Corona-Abstandsregeln, lieber für sich alleine.

Die Punkte für Wiesbaden, die könne man "doch gleich mit der Post schigge", lautet das Urteil in den Stuhlfauth-Stuben.

Trainer Keller sieht das anders. "Wir werden am Dienstag eine Mannschaft auf den Platz bringen, die in Wiesbaden besteht." Das muss dann nur auch die Mannschaft glauben.

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