1. FC Nürnberg:Wegen Klose hat den Club Begeisterung erfasst

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„Der Fußball, den ich mir vorstelle“: Miroslav Klose war mit dem Auftritt seiner Mannschaft gegen den TSV 1860 München schon weitgehend zufrieden. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Hype, Humor und Belagerung: Seit der frühere Weltmeister den Club trainiert, ist die Euphorie im Umfeld kaum zu bremsen. Und er selbst? Wird immer leiser, je lauter es um ihn herum wird.

Von Sebastian Leisgang

Als der Schiedsrichter das Testspiel abgepfiffen hat, als das 1:1 zwischen dem Fußball-Zweitligisten 1. FC Nürnberg und dem Drittligisten TSV 1860 München besiegelt ist, da läuft Miroslav Klose erst auf den Platz und dann strammen Schrittes Richtung Sportheim. Man muss schon einigermaßen gut zu Fuß sein, um hinterherzukommen, Klose eilt. An seiner Seite: sechs Ordner in textmarkergelben Leibchen. Nicht, dass Klose das verfügt hätte. Nicht, dass er das generell so handhaben würde – aber die TSG 08 Roth, die dieses Testspiel ausgerichtet hat, will die Euphorie rund um den Weltmeister in geordnete Bahnen lenken, nachdem die Fans bei einem anderen Testspiel auf den Platz gestürmt waren und Klose regelrecht belagert hatten.

Solch eine Begeisterung, wie sie den FCN gerade erfasst, hat der Club schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Seit Klose an den Valznerweiher gekommen ist, drehen alle durch. Sie haben ihn hier mit offenen Armen empfangen, aber am liebsten wären sie schon bei der Begrüßung auf ihn gestürzt, wie es früher seine Mitspieler nach Toren getan haben.

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All die Erfolge, die Kloses Weg als Spieler pflastern, haften an ihm wie ein Grashalm, der nach einem verregneten Freitagabendspiel an der Stirn eines Stürmers klebt. Und jetzt, da Klose Trainer ist, wird es doch bestimmt so weitergehen, sagen sich die Leute. Miro, der Messias also?

Als Miroslav Klose, 46, im Untergeschoss des Rother Sportheims in einem Raum Platz genommen hat, der dem Kreisligisten sonst als Tanzsaal dient, jetzt aber für eine Medienrunde genutzt wird, da entgegnet er auf die erste Journalistenfrage nach den Ordnern: „Eigentlich bin ich noch drei mehr gewohnt, aber ich war mit den sechs zufrieden.“ Klose grinst. Ein Scherz, natürlich – Humor ist auch eine Art und Weise, mit der er dem Hype begegnet, der sich gerade um ihn herum Bahn bricht.

Beim österreichischen Bundesligisten SCR Altach hielt Klose nicht mal ein Jahr lang durch

Klose beim Club, das ist tatsächlich eine große Sache. Für den Verein, aber auch für Klose selbst. Als Spieler musste er ja nichts mehr beweisen, als er am Ende seiner Karriere angelangt war. Er war zweimal deutscher Meister geworden, italienischer Pokalsieger und vor allem 2014 Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft. Als Spieler war er also ganz oben. Aber als Trainer? Klose hat als Assistent unter Joachim Löw angefangen und dabei die Stürmer der Nationalelf geschult, dann war er U17-Trainer beim FC Bayern, später Assistent von Hansi Flick in der Bundesliga. Als er dann aber in der Saison 2022/23 beim österreichischen Bundesligisten SCR Altach in der ersten Reihe stand, da hielt er nicht mal ein Jahr lang durch. Im März wurde er freigestellt, das jähe Aus, der erste große Rückschlag der noch jungen Trainerkarriere.

Auch diese Erfahrungen sind es jetzt, die Klose dazu bringen, in seinen ersten Wochen in Nürnberg kaum Interviews zu geben. Nach Testspielen wie in Roth beantwortet er zwar ein paar Fragen, aber Einzelgespräche oder große Hintergrundgeschichten lehnt er ab. Der Weltmeister will sich erst an der Seitenlinie beweisen und keine Reden vor den Mikrofonen schwingen, bevor er überhaupt den ersten Punkt mit dem Club geholt hat. Nicht so viel reden, das ist sein Plan, Taten statt Worte. Ka Gschmarri, wie man in Nürnberg sagen würde.

Das ist also der Eindruck, den man gerade hat, wenn man Klose in seinen ersten Wochen als Club-Trainer beobachtet: Je lauter es um ihn herum wird, desto leiser wird er selbst. Wobei an der Stelle erwähnt sein muss: Miroslav Klose ist generell kein Mann der markigen Worte, keiner dieser Lautsprecher, die es in der Branche zuhauf gibt. Klose ist anders. Er braucht die Bühne nicht, das Scheinwerferlicht, all die Kameras. Klose ist ein Arbeiter. Er hat Zimmermann gelernt und erst mit 21 zum ersten Mal in der Bundesliga gespielt, in einem Alter also, in dem andere heutzutage schon zwei oder sogar drei große Turniere hinter sich haben.

Im Laufe der Jahre aber wurde Klose, der Zimmermann, nicht weniger als ein Weltstar. Und das, obwohl er doch so viele Rückschläge hatte wegstecken müssen, bevor die große Karriere überhaupt ihren Lauf nahm. Die Auswahlmannschaften lehnten ihn ab, die großen Vereine waren erst recht nicht interessiert, aber Klose, ein Kämpfer, blieb eisern und kam auf dem zweiten Bildungsweg doch noch in die Bundesliga. All das sollte man nun im Hinterkopf haben, wenn man über den Trainer Miroslav Klose nachdenkt. Er steht jetzt ja wieder an einem Anfang, und wieder, in Altach, hatte er einen Rückschlag wegzustecken.

In Roth zieht Klose trotzdem alle Blicke auf sich. Ein paar seiner Kollegen hätten Gänsehaut bekommen, erzählt ein Ordner, der schon im Dienst war, als der Nürnberger Mannschaftsbus vorfuhr und Klose Richtung Sportheim lief. Als er sich später dann vor dem Anstoß auf den Weg zur Ersatzbank macht, klatschen ihm die Leute Beifall. Während des Spiels sitzt er fast die ganze Zeit auf einer Bierbank, den Ellenbogen auf den Oberschenkel gestützt, den Kopf auf der Hand.

So harrt er aus und verfolgt die erste Hälfte, ruhig, fast stoisch. Doch dann springt er plötzlich auf, als Stefanos Tzimas, der junge Grieche, der in der kommenden Saison die Tore schießen soll, stehen bleibt. Klose wirft beide Arme in die Luft. Alles an ihm sagt: Was soll das? Es ist eine der wenigen Szenen, die Klose an diesem Nachmittag missfallen. Im Wesentlichen, sagt er nach dem Spiel im Rother Tanzsaal, „ist das der Fußball, den ich mir vorstelle“, ein nach vorne gerichteter Stil also, Energiefußball, der dem Gegner die Luft abschnürt. So soll Nürnberg spielen, so will Klose es sehen. In Roth ist schon erstaunlich viel davon erkennbar, aber Klose weiß, dass das noch nichts zu bedeuten hat. Es geht ja erst im August um Punkte – und vorher braucht es im Grunde nur eines: Taten statt Worte.

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