1. FC Nürnberg:Artgerechte Haltung

18 02 2018 Fussball Saison 2017 2018 2 Fussball Bundesliga 23 Spieltag 1 FC Nürnberg N

Gut gebrüllt: Doppeltorschütze Hanno Behrens bejubelt den dritten Club- Treffer durch Eduard Löwen.

(Foto: imago/Zink)

Der 1. FC Nürnberg wird durch ein 3:1 gegen Duisburg Zweitliga-Tabellenführer und stellt dabei seine Reife unter Beweis.

Von Sebastian Leisgang, Nürnberg

Für den Statistikfreund in Michael Köllner war es ein gebrauchter Nachmittag. Nach diesen 90 Minuten gegen den MSV Duisburg lag seine Mannschaft in kaum einer Rubrik vorn. Auf Seiten der Meidericher waren mehr Torschüsse gelistet, mehr Ballbesitzphasen, mehr erfolgreiche Pässe. Nicht einmal mehr Abseitsstellungen oder Foulspiele hatte der 1. FC Nürnberg zustande gebracht. "Das hat mich teilweise ein bisschen rasend gemacht", gestand Köllner nach dem Spiel und meinte eher nicht den Mangel an Abseitsstellungen und Foulspielen, sondern jene Fehler, die seine Spieler nach einem komfortablen 2:0-Vorsprung produziert hatten. Dennoch war es für den Fußballtrainer in Michael Köllner am Ende ein gelungener Nachmittag, schließlich hatte sein Club mit einem 3:1 gegen Duisburg die Tabellenspitze der zweiten Bundesliga erklommen.

"Es war ein brutal schweres Spiel für uns", räumte Köllner ein, lobte aber auch: "Man kann sich eigentlich nur tief verneigen, was die Mannschaft in den ersten 30, 35 Minuten gespielt hat: ballsicher, souverän, überlegen." Nürnbergs Trainer sang eine derart innige Ode auf seine Mannschaft, dass man annehmen musste, dass diese im ersten Durchgang wohl auch die Statistiken Zweikämpfe ohne Körperkontakt und Ballbesitz ohne Ball gewonnen hätte, hätte irgendein Fußballwissenschaftler mit ausgeprägtem Innovationsgeist diese Parameter doch nur erhoben.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Erst ein fulminanter Volleyschuss von Eduard Löwen räumte rund 20 Minuten vor dem Ende jene Zweifel an einem Nürnberger Sieg aus, die so manchen im Publikum zu Beginn der zweiten Hälfte umgetrieben hatten. In dieser Phase erwies sich Duisburg nicht nur als widerborstiger, sondern auch fußballerisch guter Gegner, der ein ums andere Mal am Ausgleich schnupperte, nachdem Moritz Stoppelkamp schon vor der Pause auf Hanno Behrens' Doppelpack geantwortet hatte. "Du musst ein bisschen leiden im Spiel", sagte Köllner später und meinte just diese Phase, in der die Gäste dem 2:2 nahe waren, Löwen aber zum 3:1 vollstreckte.

"Ich bin mittlerweile jede Position gewohnt", sagt Löwen

Löwen ist ein gebürtiger defensiver Mittelfeldspieler, Köllner schätzt ihn aber besonders für seine Flexibilität. Nürnbergs Coach hält es nicht für eine artgerechte Haltung, Löwen ausschließlich vor der Abwehr einzuplanen, also beordert er ihn einfach dorthin, wo gerade Bedarf ist. "Ich bin mittlerweile jede Position gewohnt", erklärte Löwen nach der Partie, in der er zeitweise in vorderster Front gespielt hatte.

Mikael Ishak, die Fachkraft im Angriff, fehlt dem Club ja wochenlang mit einem Innenbandriss, zugezogen jüngst beim 0:0 auf St. Pauli. Es war eine Hiobsbotschaft für Nürnberg, und auch wenn es Ishak längst noch nicht zum Status eines Javier Pinola oder eines Marek Mintal gebracht hat: Der Anhang des FCN schreibt Heldenverehrung groß - und so mancher unkte, Ishaks Verlust könnte den Verein jäh aus den Aufstiegsträumen reißen. Auch Löwen unterstrich: "Er ist ein wichtiger Spieler, nicht nur wegen seiner Tore, nicht nur wegen seiner Vorlagen - auch wie er die Bälle festmacht, wie er sich auf dem Platz für die Mannschaft verausgabt." Und wer sonst sollte all das leisten, findet sich im Kader doch kein vergleichbarer Spieler?

Das war also die Frage, die den Club vor der Partie beschäftigt hatte. Köllner hatte auf das Kollektiv verwiesen und durfte sich hinterher bestätigt fühlen: Kapitän Behrens stieß immer wieder in die Spitze, der eher schmächtige Federico Palacios war umtriebig, Löwen schussgewaltig - und die Mannschaft ohnehin ungemein effektiv. In Anbetracht von Ishaks Verletzung hatte Nürnberg offenbar diesen ausgeklügelten Plan gefasst: Köllners Team entschied sich, den Ball einfach gewissenhaft ins Netz zu befördern, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. So hatte es der Club in 90 Minuten zwar nur auf vier Torchancen gebracht, deren drei aber verwertet.

Dies war ein Zeichen der Nürnberger Reife. "Das ist auch die individuelle Qualität", meinte Ilia Gruev. Dann sagte Duisburgs Coach, er "habe in die Spieldaten geguckt", ehe er ausführte, in welchen Kategorien sein Team die höheren Werte erzielte hatte. "Michael, ich weiß, dass du dir das auch gerne anschaust", fügte Gruev hinzu - wusste aber sehr wohl, dass Köllner in diesem Fall einerlei war, in welchen Rubriken seine Mannschaft das Nachsehen hatte. In der entscheidenden war sie ja obenauf: den Toren.

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