1. FC Nürnberg:Applaus zum Trost

Nürnberg spielt gegen Kiel 2:2 und wartet seit neun Zweitligapartien auf einen Sieg. Spielerisch gelingt dem Club wenig, doch Trainer Jens Keller findet, sein Team könne trotzdem "stolz sein".

Von Sebastian Fischer

Wenn Nürnbergs Fußballer nach Heimspielen vor die Nordkurve gehen, wo ihre Fans stehen, dann ist das in dieser Saison selten ein schöner Anlass. In den vergangenen Wochen wurden sie dort oft beschimpft, manchmal minutenlang. Zuletzt wurde ihnen ein Transparent entgegengehalten, das einen ausgestreckten Mittelfinger zeigte. Als sie am Sonntag, nach dem 2:2 gegen Holstein Kiel, mit gesenkten Köpfen zu ihren Anhängern schlichen, waren sie überrascht. "Ich hab' gedacht, dass wir wieder Lack kriegen und war wirklich froh, dass die Fans unsere Leistung anerkennen", sagte Torhüter Felix Dornebusch. Die Fans hatten tröstenden Applaus gespendet.

Der 1. FC Nürnberg, im Sommer nach dem Abstieg mit dem Ziel angetreten, im Jahr 2021 wieder in die Bundesliga aufzusteigen, steht weiterhin auf dem Relegationsplatz zur dritten Liga und wartet nun seit neun Spielen auf den vierten Saisonsieg. Die Begegnung am Sonntag, in der erst in der dritten Minute der Nachspielzeit der Ausgleich fiel, hatte zwar mal wieder ein paar Gründe dafür aufgezeigt. Doch es bringe ja nichts, nun draufzuhauen, sagte Torwart Dornebusch. "Das tut der Psyche nicht gut."

Trainer Jens Keller sagte, die Mannschaft könne "stolz sein", gekämpft zu haben. "Das Spielerische ist in unserer Situation unheimlich schwer." Es fehle einfach das Glück. Doch es war am Sonntag auch die Frage, ob der Club das Glück gerade wirklich verdient hat.

Es sind ähnliche Muster, die in dieser Saison für Nürnberg zu Misserfolgen führen

Es war bereits etwas glücklich für die Nürnberger, als sie nach 67 Minuten durch Robin Hack 2:0 führten. Der U21-Nationalspieler, mit seinen temporeichen Dribblings derzeit so etwas wie das personifizierte Offensivkonzept, hatte im Strafraum seinen Gegenspieler ausgedribbelt und getroffen. Seinem Jubel war das Gefühl der Erlösung anzumerken. Doch von der 67. Minute an waren es fast nur noch die Gäste, die angriffen. "In der Situation, in der wir sind, fehlt der Mut. Dann haust du den Ball frühzeitig weg", sagte Keller.

Der Trainer, seit vier Spielen als Nachfolger des beurlaubten Damir Canadi im Amt und damit bislang für zwei Unentschieden und zwei Niederlagen verantwortlich, hatte es mit einer durchaus offensiven Aufstellung im 4-2-3-1-System versucht. Doch der Führungstreffer gelang in der 38. Minute durch einen Standard, Verteidiger Asger Sörensen traf. Vier Minuten später parierte Torhüter Dornebusch einen Elfmeter von Kiels Salih Özcan. Kapitän Hanno Behrens hatte gefoult.

Es sind durchaus ähnliche Muster, die in dieser Saison für Nürnberg zu Misserfolgen führen. In der Defensive ist das Zweikampfverhalten zögerlich und das Attackieren scheinbar wenig koordiniert, wodurch der Club passiv wirkt. Stürmer Michael Frey lief viel, manchmal gar bis zum Kieler Torwart, aber er lief oft allein. In der Offensive mangelt es an Kombinationen.

Nachdem Kiels Janni Serra nach 77 Minuten zum 1:2 traf, standen die Nürnberger immer tiefer. Ihnen gelangen keine entlastenden Konter, sie hielten den Ball fast nie länger als ein paar Sekunden über der Mittellinie. Und nach einem von unzähligen hohen und weiten Pässen verlängerte Özcan einen Ball mit dem Kopf zu Stefan Thesker, der per Kopf in die lange Ecke traf. Man sah nun überall Nürnberger Spieler auf dem Boden knien, sitzen und liegen.

"Es sind diese Saison sehr viele Nackenschläge", sagte Kapitän Behrens. Auf die Frage nach dem Warum antwortete er, dass Kiel am Ende "drei Ochsen" in den Angriff gestellt habe, drei robuste Stürmer. Und das sei schwierig zu verteidigen.

Es bleibt noch ein Heimspiel bis zur Winterpause, gegen den Tabellenletzten Dynamo Dresden am Freitag, um mal wieder zu gewinnen, ein Spiel und an Mut. Die Pause, sagte Torwart Dornebusch, müsse genutzt werden, "um uns neu zu strukturieren". Sportvorstand Robert Palikuca deutete im TV-Interview zum wiederholten Mal sein Vorhaben an, im Winter noch mal Spieler zu verpflichten. Von drei möglichen Zugängen ist die Rede, einem Innen- und einem Außenverteidiger sowie einem Sechser. Es wären die Neuen Nummer 15, 16 und 17.

Palikuca deutete eigene Fehler an, wollte darauf aber nicht näher eingehen. Iuri Medeiros, für rund zwei Millionen Euro verpflichtet, saß am Sonntag wie zuletzt oft nur auf der Bank. Adam Gnezda Cerin, 20, angeblich mehr als eine Million Euro teuer, wurde erst zum dritten Mal für wenige Minuten eingewechselt. Die Zuschauer kannten seinen Nachnamen nicht. Der Stadionsprecher musste ihn rufen.

"Die Reaktion der Fans war ein gutes Zeichen", sagte Behrens zum Applaus. Man müsse nun Positives mitnehmen, sagte Dornebusch. Als die Nürnberger in die Kabinen gingen, in Trikots, grau wie der Himmel über dem Stadion, war der Applaus allerdings verklungen. Man hörte eine kleine Gruppe weit gereister Kieler singen.

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