1. FC Nürnberg:50 Minuten lange Schlussphase

05.11.2021 - Fussball - Saison 2021 2022 - 2. Fussball - Bundesliga - 13. Spieltag: 1. FC Nürnberg FCN ( Club ) - SV We

Da hilft auch der Reklamierarm nicht: Christian Mathenia (rechts) muss in der Schlussphase nach vielen starken Paraden doch noch das 1:2 hinnehmen.

(Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/imago)

Kein Kurzpassspiel, kein Pressing, stattdessen andauernde Torverhinderung: Der Club zeigt gegen Bremen nichts von dem, was sein Trainer Robert Klauß sehen will. So gerät die Partie zu einem Torwartspiel - und endet 1:2.

Von Sebastian Leisgang

Als der Ball zum zweiten Mal an diesem Abend im Tor des 1. FC Nürnberg lag, konnte es eigentlich keine Zweifel mehr geben. Schon während der 87 vorangegangenen Minuten hatte es einige Indizien gegeben, aber spätestens jetzt, als Leonardo Bittencourt das 2:1 für Werder Bremen geschossen hatte, da war die Sache klar: Der Mann im Nürnberger Tor konnte unmöglich Christian Mathenia sein.

Bis zehn Minuten vor dem Ende hatte der Mann, wie Bremens Trainer Markus Anfang später sagte, "einfach alles gehalten" und "das Spiel seines Lebens gemacht". Er war immer wieder mit den Fingerspitzen und mit dem Schienbein zur Stelle gewesen, und er hatte Werder derart zur Verzweiflung und zur Weißglut getrieben, dass irgendwann auf einmal sogar dieser Gedanke aufkam: Vielleicht ist das gar nicht Christian Mathenia, sondern Manuel Neuer.

Auf dem hellblauen Hemd, das der Mann trug, stand zwar ziemlich eindeutig der Name Mathenia, doch seit gut einer Woche weiß man, dass das nichts heißen muss. Auch beim Hamburger SV nehmen sie es mittlerweile ja nicht mehr ganz so genau mit den Spielernamen auf den Trikots - konnte es da also nicht sein, dass auch den Nürnbergern ein Fehler unterlaufen war?

Es dauerte bis kurz vor Schluss, erst dann war die Frage zu beantworten, denn als Bittencourt das 2:1 erzielt hatte, schaute der Mann raus an den Spielfeldrand und hob reflexartig den rechten Arm, der sich bei genauerem Hinsehen recht schnell als Reklamierarm identifizieren ließ. Am Ende half auch das nichts: Mathenia hatte das Spiel seines Lebens verloren, ein Spiel, bei dem er im Laufe der 90 Minuten beinahe derart oft im Mittelpunkt gestanden hatte, als sei er Torwart eines Oberligisten, der sich mit seinen Schreinern, Dachdeckern und Fliesenlegern aus Versehen in die erste Runde des DFB-Pokals verirrt hat.

Genügt es, sich im Offensivspiel auf die Einfälle eines Einzelnen zu verlassen, der in aller Regel Mats Möller Daehli heißt?

Für eine Mannschaft ist es eher kein gutes Zeichen, wenn ein Spiel zu einem Torwartspiel wird. Auch für den 1. FC Nürnberg bedeutete es am Freitagabend nichts Gutes, dass der Mann, bei dem der Name Mathenia auf dem Trikot stand, immer wieder mit den Fingerspitzen und mit dem Schienbein eingreifen musste. "Man hatte schon zu Beginn der zweiten Halbzeit das Gefühl, dass wir versuchen, das Ding über die Zeit zu bringen", sagte Innenverteidiger Christopher Schindler und fühlte sich deshalb "ein bisschen an die ersten Spiele erinnert".

Auch in den ersten Saisonwochen hatte sich der Club hin und wieder verleiten lassen, von dem abzurücken, wofür Trainer Robert Klauß eigentlich steht: ein gepflegtes Kurzpassspiel gepaart mit einem forschen Pressing. "Das Ärgerliche ist, dass wir uns das nicht zugetraut haben, weil ich eigentlich dachte, dass wir das schon gezeigt haben", sagte Schindler und nannte den Nürnberger Vortrag gegen Werder "viel zu passiv und einfach nicht gut genug".

Noch bevor Schiedsrichter Tobias Welz die beiden Mannschaften zur Halbzeitpause in die Kabine schickte, verlegte sich der FCN darauf, Schlussphasenfußball zu spielen. "Das geht vielleicht mal zehn Minuten gut, aber wir haben es 50 Minuten lang gemacht", sagte Schindler. Nach dem 1:0 durch Nikola Dovedan hatten die Nürnberger der Bremer Wucht gerade in der zweiten Hälfte wenig entgegenzusetzen. Sie verstanden es nicht, den Ball in ihren Reihen und Werder damit fern von ihrem Tor zu halten, der Druck wurde größer und größer, und am Ende half nicht einmal Mathenias Reklamierarm, um das 1:2 abzuwenden.

Permanente Passivität, Schlussphasenfußball und Erinnerungen an die ersten Spiele: Damit veranlasste die Nürnberger Niederlage, die 90 Minuten in einen etwas größeren Kontext zu setzen und die eine oder andere Grundsatzfrage wie diese zu stellen: Genügt es, sich im Offensivspiel auf die Einfälle eines Einzelnen zu verlassen, der in aller Regel Mats Möller Daehli heißt? Oder ist das Mannschaftsgebilde vielleicht doch auf zu wenig tragenden Säulen aufgebaut?

Schon vor der Länderspielpause im Oktober hatte Schindler angemerkt, dass es in den nächsten Wochen vor allem darum gehe, das Spiel mit dem Ball zu verbessern. Als Nürnberg dann 4:0 gegen Heidenheim gewann, schienen Klauß und seine Spieler den Schlüssel gefunden zu haben. Die Mannschaft kam gut ausbalanciert daher, spielfreudig und vital - doch vor dem Hintergrund von nun drei verlorenen Spielen in Serie erscheint der Auftritt gegen Heidenheim in einem etwas anderen Licht.

Das ist jetzt also erst einmal die These, die zu Beginn der nächsten Länderspielpause im Raum steht: Wenn die Nürnberger ins Rollen kommen, entfalten sie ihr gesamtes Potenzial. Wenn sie aber auf Widerstände stoßen, bräuchte es schon Manuel Neuer, um Spiele zu gewinnen.

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