1. FC Nürnberg:Erkenntnis auf dem Bauernhof

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Weiter am Lenkrad: Dieter Hecking wird seinen Vertrag verlängern. (Foto: Oliver Zimmermann/Foto2press/Imago)

An diesem Samstag trifft der 1. FC Nürnberg auf den Hamburger SV, den früheren Klub von Dieter Hecking. Schon vor dem Spiel ist klar: Die Zukunft des Sportvorstands liegt am Valznerweiher.

Von Sebastian Leisgang

Wann hat man eigentlich zuletzt einen guten Spruch über den Hamburger SV gehört? Es gab ja eine Zeit, ein paar Jahre her, da hatte jeder einen Witz auf Lager, wenn sich ein Gespräch um den HSV drehte. Saison für Saison kämpfte der Klub in der Bundesliga gegen den Abstieg, wobei das Kämpfen bei Auswärtsspielen in München an guten Tagen zu einem 0:6 führte - und an etwas weniger guten zu einem 0:8 oder 2:9. Aber, und das musste man dem HSV wirklich lassen: Er lieferte Wochenende für Wochenende. Und wenn der HSV lieferte, hieß das: Montags im Büro konnte man wieder einen neuen Witz erzählen.

Und der ging dann zum Beispiel so: Fragt ein Reporter den HSV-Trainer: "Haben Sie mal eine Sekunde?" - HSV-Trainer: "Ja." - Reporter: "Gut, dann erklären Sie doch mal, was Sie alles über Fußball wissen."

Irgendwie, zumindest hat man mittlerweile den Eindruck, ist es nicht mehr die Zeit für HSV-Witze. Dass sie vor ein paar Jahren noch so gut ankamen, lag ja auch daran, dass man höchstens wusste, in welcher Liga der HSV gerade spielt - aber nie so genau, ob der Trainer gerade eigentlich Bruno Labbadia, Thorsten Fink oder Frank Pagelsdorf heißt. Nun ist Tim Walter schon seit gut einem Jahr im Amt, eine Zeit, in der der HSV in seiner Blüte zwischen zwei und vier Trainer hinter sich gebracht hat.

Hecking will Nürnberg wieder in die Bundesliga führen, dorthin, wo er einst schon mal als Trainer für den Club gearbeitet hat

Der Letzte, der vor Walter eine ganze Saison auf der Hamburger Bank durchgestanden hat, war Dieter Hecking, ein erfahrener Mann, der vor gut drei Jahren beim HSV antrat, um ihn mit seiner ruhigen Art wieder in die Bundesliga zu führen. Ein Plan, der nicht aufging. 2020 kam Hecking mit dem Verein überein, die Zusammenarbeit zu beenden, inzwischen ist Hecking zum 1. FC Nürnberg zurückgekehrt und hat dort das Amt des Sportvorstands übernommen - einen Posten, den er nach SZ-Informationen über die Saison hinaus bekleiden wird. Heckings derzeitiger Vertrag läuft zwar im nächsten Jahr aus, doch der Weg, den Nürnberg unter seiner Führung bislang zurückgelegt hat, ist längst noch nicht am Ende.

Deshalb wird Hecking seinen Vertrag verlängern und den Club auch in den nächsten Jahren lenken, um mit dem FCN das zu schaffen, was er mit dem HSV nicht geschafft hat: Er will Nürnberg wieder in die Bundesliga führen, dorthin, wo er einst schon mal als Trainer für den Club gearbeitet hat. Das war allerdings zu einer Zeit, zu der noch nicht einmal HSV-Witze Konjunktur hatten. Als sich Hecking dann mitten in der Saison in Richtung Wolfsburg verabschiedete, nahm ihm das die Mehrzahl der Nürnberger Fans übel.

Nun trägt es aber eine gewisse Romantik in sich, dass sich Hecking und der Club verabredet haben, ihre Beziehung fortzuführen - auch wenn das dann bedeutet, dass der Fernbeziehung zwischen Hecking und seiner Frau etwas weniger Raum für Romantik bleibt. Doch auch Heckings Frau hat auf dem umgebauten Bauernhof in der Nähe von Hannover erkannt, wie sehr ihr Mann bei seiner Arbeit 500 Kilometer weiter südlich aufgeht. Hecking will in Nürnberg noch was bewegen. Deshalb ist er zurückgekommen - und deshalb bleibt er auch.

Hecking, 57, ist Traditionalist. Er kann sich an dem Gedanken wärmen, bei einem Verein zu arbeiten, der nicht nur aus seiner glorreichen Vergangenheit Namen wie Max Morlock, Dieter Eckstein und Marek Mintal in seinem Stammbuch führt - sondern auch die Kraft hat, um in der Gegenwart eine eigene Geschichte zu schreiben.

Die Art und Weise, in der die Mannschaft in gewissen Phasen auftrat, ließ den Ton am Valznerweiher etwas rauer werden

Grundsätzlich ist Hecking also durchaus zufrieden beim Club. Die Eindrücke der noch jungen Saison haben ihn zuletzt aber veranlasst, die Mannschaft in die Pflicht zu nehmen. Nach den ersten fünf Spielen stehen die Nürnberger nur mit sieben Punkten da. Das alleine ist es aber nicht, was einen beispielsweise nach dem 0:3 gegen Heidenheim dazu bringen konnte, so manchen HSV-Witz ein bisschen umzudichten. Auch die Art und Weise, in der die Mannschaft in gewissen Phasen der anderen Spiele auftrat, ließ den Ton am Valznerweiher in den vergangenen Tagen etwas rauer werden.

Auf die Kritik angesprochen, sagte Trainer Robert Klauß am Donnerstag: "Es ist schon unser Anspruch - egal, mit welcher Mannschaft wir auf dem Platz stehen -, dass wir guten Fußball spielen." Weil das dem Club in dieser Saison bislang zu selten gelungen ist, kommt den 90 Minuten an diesem Samstagabend (20.30 Uhr) schon eine besondere Bedeutung zu.

Nürnberg gegen den HSV: Es ist ein Duell, das im Selbstverständnis der beiden Klubs eigentlich in der Bundesliga stattfinden müsste, in Wirklichkeit aber letztmals vor mehr als acht Jahren dort ausgetragen wurde. Im März 2014 gewann der HSV 2:1, und der Name des damaligen Trainers findet sich im Hamburger Stammbuch direkt neben den Einträgen von Schnoor, Seeler und Stein: Slomka, Mirko.

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