Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Gegen den Wind

Nur sieben Punkte nach den ersten sieben Spielen: Der Club hinkt nicht nur den Ansprüchen hinterher - er steckt in einer Krise. Eindrücke von einem Verein, der mit sich selbst ringt.

Von Sebastian Leisgang

Fast drei Monate ist es jetzt her, dass Dieter Hecking und Olaf Rebbe den Trainingsplatz am Valznerweiher betraten. Es war ein heißer Vormittag im Juni, der Sommer brach gerade über Nürnberg herein, und Hecking und Rebbe kamen pünktlich. Der Termin war schon lange vereinbart, zweieinhalb Stunden hatte der Club im Vorfeld zugesichert, doch jetzt war Hecking in Eile. In einer Viertelstunde fing das Training an, eine der ersten Einheiten der Sommervorbereitung, Hecking wollte sich ein Bild von den Spielern machen, und dann standen ja auch noch ein paar Gespräche an.

Hecking, 57, hatte also wenig Zeit, als er in Jeans und weißem Hemd auf den Rasen lief. Ein Handschlag, eine freundliche Begrüßung, dann stellte er sich vor der Kamera ins Licht. Zehn Minuten müssten doch genügen, um ein paar Fotos zu schießen, sagte Hecking, musste dann aber einsehen, dass er seine Rechnung ohne den Wind gemacht hatte. Wieder und wieder riss die Papierrolle, die als Hintergrund für die Fotos dienen sollte. Einmal, zweimal, dreimal, es lief einfach nicht nach Plan. Heckings Geduld war gefragt - und Hecking bewies Geduld.

Am Vorabend hatte er bei einem Freizeitspiel drei Tore geschossen und Rebbe danach angerufen, um ihn wissen zu lassen, dass er einen neuen Spieler gefunden habe. Es war ja gerade an der Zeit, den Kader aufzustellen, der 1. FC Nürnberg suchte nach einem zuverlässigen Stürmer, und nun hatte Hecking einen zuverlässigen Stürmer entdeckt. Der zuverlässige Stürmer, sagte Hecking zu Rebbe am Telefon, sei übrigens schon da. Sein Name: Dieter Hecking.

Als Rebbe an jenem Junitag in Heckings Büro die Geschichte erzählte, musste er lachen. Er wusste ja, dass der Club in der kommenden Saison der zweiten Fußball-Bundesliga nicht auf Tore von Hecking angewiesen sein würde. Ein paar Tage später verkündete Nürnberg, dass Kwadwo Duah an den Valznerweiher kommen werde. Ein Stürmer, von dem man sich eine Menge verspreche. Wiederum ein paar Tage später gab der Verein noch eine zweite Pressemitteilung heraus und machte bekannt, dass auch Christoph Daferner von nun an für Nürnberg spielen werde.

Die Verpflichtung von Ersan Parlatan als Co-Trainer lässt sich als Vertrauensbeweis für Klauß werten

Heckings Auftritt beim Fototermin auf dem Trainingsplatz, sein Telefonat mit Rebbe und die Verpflichtungen von Duah und Daferner: All das fällt einem jetzt wieder ein, wenn man darüber nachdenkt, wie der Club in diesen ersten September-Tagen dasteht. Sieben Spiele, sieben Punkte, zwei Stürmer, die nach wie vor noch nicht richtig eingebunden sind - und am vergangenen Freitag nicht nur ein 2:4 beim Tabellenletzten in Braunschweig, sondern auch eine derart ernüchternde Leistung, dass Heckings Geduld in diesem Spätsommer schon wieder auf die Probe gestellt wird.

Im Umfeld haben sich längst Zweifel an Trainer Robert Klauß breitgemacht - und auch die Verantwortlichen haben die 90 Minuten von Braunschweig ziemlich erschrocken. Dennoch, und das steht für Hecking und Rebbe über allem, setzt der Club auf Geschlossenheit. Im engsten Kreis haben sie nach wie vor den Glauben, dass Klauß die Krise meistern wird. In seiner gut zweijährigen Amtszeit hat er ja schon gezeigt, dass er es mit seiner analytischen und sachbezogenen Art durchaus versteht, auch mit heiklen Situationen umzugehen.

Das muss Klauß jetzt zum wiederholten Male tun - und kann sich dabei auch den Rat von Ersan Parlatan einholen. Dass Nürnberg den bisherigen Coach des Südwest-Regionalligisten TSV Steinbach Haiger am Montag als neuen Assistenztrainer vorgestellt hat, lässt sich durchaus als Vertrauensbeweis für Klauß werten. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Trainerlehrgängen und arbeiten nun zusammen. Allerdings vermag dieser Tage in Nürnberg niemand zu beurteilen, welche Dynamik aufkommen könnte, wenn die Mannschaft auch in den letzten beiden Spielen vor der Länderspielpause nicht den Eindruck erwecken sollte, dass sie mit Klauß wieder auf den rechten Weg finden kann.

Am Freitag geht es gegen Arminia Bielefeld, dann steht eine Partie in Darmstadt an. Zweimal 90 Minuten, in denen eine Menge auf dem Spiel steht, obwohl die Saison noch äußerst jung ist. Schon jetzt bläst dem 1. FC Nürnberg Wind entgegen, doch Dieter Hecking, Olaf Rebbe und Robert Klauß stellen sich gemeinsam dagegen - damit nicht alles auseinanderreißt wie die Papierrolle auf dem Trainingsplatz an jenem Vormittag im Juni.

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