Die Erfolgsgeschichte des Stuttgarter Mittelstürmers Serhou Guirassy begann, wenn man so will, vor sechs Jahren mit einer kleinen Katastrophe in Köln. Am 22. Oktober 2017 brachte er für den 1. FC Köln im Kellerderby gegen Werder Bremen drei Minuten vor Schluss aus vollem Lauf den Ball aus zwei Metern nicht im leeren Tor unter. Dadurch entging seinem Klub ein signalgebender Sieg, sieben Monate später stieg der FC ab.
Man kann sich diese Szene mit Guirassy im Internet immer wieder kopfschüttelnd anschauen und sich darüber wundern, dass dieser Fußballer mittlerweile ein Torjäger von bisweilen irrationaler Effektivität ist. Im vergangenen halben Jahr hat der 27-Jährige für den VfB Stuttgart saisonübergreifend in 14 Bundesligaspielen 15 Tore geschossen. Er führt die Bundesliga-Torschützenliste in der gegenwärtigen Saison mit zehn Toren binnen sechs Spielen an.
Jérôme Boateng beim FC Bayern:Der leibhaftige Transfer-Gag
Nach dem 2:2 in Leipzig erscheint ein Überraschungsgast im Training des FC Bayern: Jérôme Boateng. Zwar ist eine Anstellung des umstrittenen 35-Jährigen längst nicht sicher, doch schon sein Gastspiel weist auf das grundlegende Problem der Münchner hin.
Von 2016 bis 2019 stand der in Frankreich geborene Nationalspieler Guineas beim 1. FC Köln unter Vertrag. Aber er war damals noch nicht der Vollstrecker, der er heute ist. 2019 verkaufte ihn der FC für sechs Millionen Euro nach Amiens in Frankreich, von dort landete Guirassy über die Zwischenstation Stade Rennes vor gut einem Jahr beim VfB Stuttgart - erst als Leihe, seit dem Sommer festverpflichtet. Kostenpunkt: neun Millionen Euro.
Am Samstag kehrte Guirassy erstmals seit seinem Weggang vor vier Jahren ins Stadion des 1. FC Köln in Müngersdorf zurück, und die Fans befürchteten, dass er mittlerweile ein so guter Torjäger geworden ist, dass er den 1. FC Köln ein zweites Mal ins Mark trifft - vor sechs Jahren im Kölner Trikot mit einer verpassten Großchance und jetzt im Stuttgarter Trikot mit seiner akuten Treffsicherheit. Doch Guirassy hielt sich zurück. Er blieb im sechsten Spiel der Saison erstmals ohne Treffer. Seine Stuttgarter allerdings gewannen trotzdem. Die Tore zum 2:0-Sieg übernahm der aus Brighton ausgeliehene Stürmer Deniz Undav.
Der VfB ist im Flow, Köln schiebt Frust
Wenn's läuft, dann läuft's, sagt man - und wer kein Glück hat, für den kommt oft noch Pech dazu. Für diese beiden konträren Positionen sind der VfB Stuttgart und der 1. FC Köln momentan zwei markante Repräsentanten. Mit Guirassy, dem einstigen Kölner und jetzigen Stuttgarter, hat das aber nur dann etwas zu tun, wenn man erkennt, dass dem 1. FC Köln derzeit ein solcher Vollstrecker fehlt und dass sie beim VfB spüren, wie Guirassys Selbstvertrauen auf die ganze Mannschaft überspringt. Stuttgart grüßt vom zweiten Platz. Nach dem dramatischen Klassenerhalt im Mai 2022 am finalen Spieltag durch ein 2:1-Siegtor von Wataru Endo in der Nachspielzeit (übrigens gegen den 1. FC Köln) und dem Klassenerhalt im vergangenen Juni in der Relegation gegen den Hamburger SV atmen die Schwaben tabellarische Höhenluft, und die tut bekanntlich nicht nur der Lunge gut, sondern auch der Psyche.
"Wir haben gerade einen Lauf und gewinnen auch enge Spiele", konstatierte am Wochenende VfB-Trainer Sebastian Hoeneß und verriet großzügig, was "das Geheimnis" hinter diesem Erfolg sei. "Das Geheimnis ist", setzte er vielversprechend an, um dann aber etwas enttäuschend fortzufahren, "dass wir auf dem Boden bleiben, hart trainieren und als Mannschaft geschlossen agieren". Das Geheimnis, will er sagen, ist harte Arbeit. Den Sieg in Köln nannte er geradezu erleichtert "eine Teamleistung". Ausnahmsweise stand mal nicht Guirassy im Rampenlicht.
Den "Spirit", den Hoeneß derzeit als sehr beflügelnd in seinem Kader wahrnimmt, hätten die Kölner auch gern. Aber dieser Flow hat auch einen unbeliebten Bruder, das ist der Frust. Der Trainer Steffen Baumgart ist dafür beliebt, dass er nie ein Blatt vor den Mund nimmt, und das tut er auch nicht, wenn er die derzeitige Situation beim 1. FC Köln angesichts von nur einem Punkt aus sechs Spielen "beschissen" nennt. Im Vorfeld zweier Derbys zunächst am kommenden Sonntag in Leverkusen und am 22. Oktober gegen Mönchengladbach steht der Klub früh in der Saison an einem Scheideweg.
Baumgart und seine Spieler aber haben genügend Kredit, um nach einer 0:2-Niederlage gegen Stuttgart nicht aus dem Stadion gepfiffen zu werden. "Ich nehme die Stimmung im Stadion als sehr positiv wahr", sagt Baumgart, "und weil die Jungs alles versuchen, hoffe ich, dass der Support gut bleibt". Baumgart betont allerdings auch, er wolle nichts schönreden. "Ein Punkt ist ein klares Statement, da nützt es auch nichts, dass wir in allen Spielen dran waren und auch ein bisschen gut waren - wir machen Fehler, die du nicht machen darfst, aber wir werden den Arsch hochnehmen und um jeden Zentimeter kämpfen." Auch nach Leverkusen fahre man, um erfolgreich zu sein. "Arsch huh" - sagt man in Köln, und diese Ermunterung funktioniert in nahezu jeder Lebenssituation.