1. FC KölnVerzweifelte Revolution mit Funkel

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Soll den 1. FC Köln zum Aufstieg führen: Friedhelm Funkel.
Soll den 1. FC Köln zum Aufstieg führen: Friedhelm Funkel. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Ängste im Aufstiegsrennen führen beim 1. FC Köln zu einem Doppel-Rauswurf: Zwei Spieltage vor Saisonende müssen Trainer Struber und Sportgeschäftsführer Keller gehen. Es springt ein: Friedhelm Funkel, 71.

Von Moritz Kielbassa und Philipp Selldorf, Köln

Als er am späten Samstagabend das Müngersdorfer Stadion verließ, schien Christian Keller noch alles unter Kontrolle zu haben. Der Sportgeschäftsführer des 1. FC Köln hatte sich seit seiner Ankunft am 1. April 2022 mit beachtlichem Machtbewusstsein als zentrale Regierungsgewalt im Klub etabliert. Sein Amtsverständnis, die oberste Autorität zu sein, brachte er auch nach dem von Pfiffen und Fanprotesten begleiteten 1:1 gegen Absteiger Jahn Regensburg zum Ausdruck. Dass Trainer Gerhard Struber für das peinliche Unentschieden und die negative sportliche Entwicklung beim Aufstiegskandidaten zur Verantwortung gezogen werde, könne er „zu hundert Prozent“ ausschließen, erklärte Keller und sagte auch, warum: „Weil ich von so was nichts halte.“ Seine Betonung lag wie so oft auf dem Wort „ich“.

Die persönliche Zusage an den von ihm im Vorsommer geholten Coach hat er gehalten, seine Macht über den FC hat Keller am weiteren Wochenende aber eingebüßt. In einem Akt, der einer verzweifelten Revolution gleicht, entledigte sich der Klub nicht nur des österreichischen Trainers Struber, sondern auch des leitenden Intendanten Keller. Am Montag machte der Verein die Sache publik: „Wir haben den Wiederaufstieg noch immer in der eigenen Hand. Und wir wollten dafür einen neuen Impuls“, sagte Präsident Werner Wolf, der bei einer Pressekonferenz die Entscheidungsfindung als letztlich simplen Dreisatz darstellte: Der Vorstand habe einen Trainerwechsel gewollt, so Wolf, Keller „wollte diesen Weg nicht mitgehen“ – das logische Resultat musste die Doppelentlassung sein. Struber, dem ein möglicher Aufstieg verwehrt bleibt, teilte mit: „Jetzt, da die Ziellinie vor Augen ist, tut die Entscheidung besonders weh.“ Gefasst worden war der Beschluss laut Medienberichten am Sonntagabend im Gemeinsamen Ausschuss des Zweitligisten.

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Seit über 50 Jahren arbeitet Friedhelm Funkel, 71, im Profifußball. Kein Trainer ist so oft in die Bundesliga aufgestiegen wie er. Jetzt hat ihn der 1. FC Köln genau dafür verpflichtet. Was ist sein Geheimnis?

Von David Kulessa (Text), Joana Hahn (Videos) und Joscha F. Westerkamp (Fotos)

Dieses Organ ist eine Art Zentralkomitee des FC, in dem außer dem dreiköpfigen Vorstand auch die Spitzen der verschiedenen Gremien vertreten sind. Laut Kölner Presse drängte vor allem der Aufsichtsratsvorsitzende Lionel Souque auf entschlossenes Handeln, nachdem Keller zuvor in den Gesprächen eine Trennung von Struber beharrlich verweigert hatte. Der Franzose Souque, 53, Vorstandsvorsitzender des Klubsponsors Rewe, stammt zwar aus Paris, ist aber seit Jahren leidenschaftlicher FC-Anhänger.

Nach der radikalen Intervention rücken nun unverzüglich zwei in den Fokus, die „den FC in- und auswendig kennen“, wie Präsident Wolf gefühlig betonte: Thomas Kessler, bisher Kölns Lizenzfußball-Leiter, übernimmt mit dem neuen Titel „Sportdirektor“ die Aufgaben von Keller, insbesondere die drängende Kaderplanung. Und auf der Trainerposition hilft erneut: Friedhelm Funkel, 71. Es ist bereits dessen drittes Trainerkapitel in Köln, 2003 realisierte er den Bundesliga-Aufstieg, 2021 verhinderte er per Rettungsdiensteinsatz in der Relegation den FC-Abstieg ins Unterhaus. Insgesamt ist es für Funkel die 14. Station im langen Coach-Steckbrief, zuletzt fuhr er vor einem Jahr mit Kaiserslautern zum DFB-Pokalfinale.

„Im Fußball passieren Dinge, die niemand für möglich hält. Auch ich nicht – bis gestern“, erzählte Funkel bei seiner Vorstellung. Tags zuvor hatte er in Krefeld Tennis gespielt, abends kam dann Kessler zum Gespräch zu Besuch. Danach stand für Funkel fest: „Der FC ist und bleibt eine Herzensangelegenheit für mich. Wenn Köln anfragt, kann man nicht Nein sagen. Ich musste nicht lange überlegen.“ Wolf verwies auf Funkels „Ruhe und Expertise“ sowie auf dessen üppige Erfahrung „mit solchen Drucksituationen“. Mit sechs Bundesliga-Aufstiegen als Trainer hält Funkel in dieser Rubrik den deutschen Rekord, Nummer sieben soll nun folgen. Funkels Kurzmission, für die er Matthias Lust als Co-Trainer mitbringt, soll möglichst nach zwei Spielen erledigt sein. „Alles andere zählt für mich nicht. Danach werden wir sehen, was passiert“, sagte Funkel zur Standardfrage nach einem längeren Verbleib. Angesprochen auf den medial kolportierten Trainerkandidaten Urs Fischer, sagte Kessler: „Ich glaube, wir haben gerade andere Sorgen.“

Kaiserslauterns Trainer ruft zum „Endspiel in Köln“ auf

Für den Klub, der unbedingt in die erste Liga zurückmöchte, steht Enormes auf dem Spiel: Zwar besetzt er den zweiten Tabellenplatz mit drei Punkten Vorsprung auf Paderborn und Elversberg, doch der schwache Auftritt gegen Regensburg hat Ängste hervorgerufen, auf den letzten Metern zu scheitern. Die Kölner müssen noch in Nürnberg und zu Hause gegen Funkels vormaligen Klub Kaiserslautern antreten, der selbst noch Aufstiegsambitionen hat. Der neue FCK-Trainer Torsten Lieberknecht rief bereits zum „Endspiel in Köln“ auf.

Keller versuchte es nach dem unbeholfenen Auftritt gegen Regensburg noch mit Ruhe- und  Zuversichts-Parolen. Und mit psychologischen Erklärungen: „Regensburg hatte heute ein relativ leichtes Trikot an, während unseres schwer war. Das hat nichts mit Schönreden zu tun, das ist Fakt.“ Doch die Theorie von den Kettenhemden auf den Schultern der Spieler entlastete den Trainer Struber in den Augen der Klubfunktionäre nicht. Dass der Sportchef sich weiter für den Coach einsetzte, war folgerichtig. „Eine kurzfristige Änderung auf der Trainerposition konnte und wollte ich (...) nicht mittragen, da diese nicht meinen Überzeugungen und Werten entsprochen hätte“, bekräftigte Keller in seinen Abschiedsgrüßen in der FC-Mitteilung. Und selbst wenn er Struber geopfert hätte – ein Feuerwehrmann wie Funkel wäre Keller als Lösung wohl nie in den Sinn gekommen. Funkel hatte seinerseits Keller vor einigen Wochen in einem beachtlichen Interview als klugen FC-Sanierer gelobt, aber auch dessen Fachkompetenz und Alleinregentschaft kritisch hinterfragt.

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Und es war klar: Nur ein Aufstieg mit dem Trainer Struber hätte Kellers eigene Stellung sichern können. Hätte er Struber jetzt auf Druck der Ehrenamtlichen entlassen, hätte er damit wohl bloß vorläufig seine Position erhalten. Keller musste damit rechnen, im Sommer selbst zur Disposition zu stehen. Im Falle des Aufstiegs – und bei Nichtaufstieg ohnehin. Seine wichtigsten Fürsprecher sitzen im Vorstand, aber dessen Ablösung bei der Mitgliederversammlung im September ist längst beschlossene Sache.

Keller hat sich auf seine selbstbewusste Art manches erlauben dürfen: Das Missmanagement im Kampf gegen die Fifa-Transfersperre und der Abstieg in der vorigen Saison nach einem überharten Sanierungskurs sind die offensichtlichen Wegmarken. Doch auch sein dominanter innerbetrieblicher Einfluss kostete ihn Gefolgschaft. Der erfolgreiche Geschäftsführer Markus Rejek ist regelrecht geflohen vor Kellers Machtansprüchen. Der Vorstand war offenbar nicht imstande, die Entwicklung zu korrigieren. Er hatte sein eigenes Fortbestehen im Amt an das Gelingen von Kellers Politik geknüpft. Nun müssen alle wesentlichen Schaltstellen im Geißbockheim neu besetzt werden.

Bloß: Ob die Trikots der Spieler jetzt an Gewicht verlieren? Funkel will, wie schon bei seinem letzten Kölner Noteinsatz 2021, zunächst vor allem Kopfarbeit leisten: Eine „gewisse Leichtigkeit“ müsse bis zum Nürnberg-Spiel zurück ins Team, denn es sei ja so: „Der HSV ist Erster. Köln ist Zweiter. Mindestens so wird es auch am Ende sein“, sagte Funkel. Er sagte „wird“. Von „soll“ war keine Rede.

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