1. FC Köln steigt aus der Bundesliga ab:Rauchbomben zum Abschied

Durch ein 1:4 gegen den FC Bayern und das 3:1 von Hertha BSC gegen Hoffenheim steigt der 1. FC Köln zum fünften Mal aus der Bundesliga ab. Am Ende zieht schwarzer Rauch durch das Stadion, wegen einiger Chaoten unter den Kölner Fans pfeift der Schiedsrichter zu früh ab. Die Spieler flüchten in die Kabinen.

Thomas Hummel

Ober er denn Kummer verspüre vor diesem letzten Spiel, in dem es um alles ging für Hertha BSC Berlin. "Nö, keineswegs", antwortete Otto Rehhagel, "ich lebe auf der Sonnenseite des Lebens." In seiner ganzen lebensphilosophischen Tiefe sprach der 73-Jährige natürlich die reine Wahrheit, denn der Beruf Bundesligatrainer beinhaltet im Vergleich zu vielen anderen Anstellungen tatsächlich viele Vorteile. Aber Herr Rehhagel, dennoch ging es doch hier und heute um alles! Um drei Punkte gegen Hoffenheim und seinen Vorgänger Markus Babbel. Um die Existenz des Erstliga-Fußballs in der Hauptstadt der Republik. "Berlin steht zu Hertha", hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit doch angekündigt.

1. FC Koeln - FC Bayern Muenchen

Chaoten, übernehmt ihr: schwarze Rauchschwaden zum Spielende in Köln.

(Foto: dapd)

Nun darf Berlin noch weitere zwei Partien zu ihrer Hertha stehen. Durch ein 3:1 gegen die TSG Hoffenheim rettet sich der Klub auf Platz 16 der Bundesliga, nun spielt er gegen den Dritten der zweiten Liga um den Klassenverbleib. Denn der 1. FC Köln verlor gegen den FC Bayern München 1:4, die Rheinländer steigen damit zum fünften Mal ab. Einige Fans zündeten am Ende mehrere Rauchbomben im Stadion in Müngersdorf, das Spiel musste nach 89:30 Minuten abgepfiffen werden und die Polizei auf dem Rasen laufen.

Angesichts der schwarzen Wolken unter dem Stadiondach sprach Kölns Trainer Frank Schaefer gleich mehrfach die Wahrheit, als er erklärte: "Es ist ein schwarzer Tag für jeden einzelnen." Und er verriet seine Wut, dass der 1. FC Köln nach den vielfachen Querelen in dieser Saison nun in Liga zwei geht: "Das ist ein unglaublich unnötiger Abstieg. Das ist für mich Wahnsinn, dass bei dieser Kraft und dieser Power, die hinter diesem Verein steht, wir heute absteigen." Lukas Podolski war nach dem Duschen kaum zu einer Stellungnahme fähig: "Das ist eine der bittersten Niederlagen für mich, das muss ich erst mal verdauen."

Die Emotionen hatten sich in beiden Stadien in zwei Personalien gebündelt. In Berlin kehrte Markus Babbel zurück. Der Trainer hatte die Berliner in die Bundesliga geführt, dann auch ins Mittelfeld der Tabelle, um im Winter nach einer fulminanten Schlammschlacht mit Manager Michael Preetz entlassen zu werden.

In Köln wünschte sich der gerade noch von einer Magen-Darm-Verstimmung genesene Podolski vor seinem letzten Bundesliga-Spiel in seiner Heimatstadt vor seinem Wechsel nach London, dass die Vereinshymne beim Einlaufen nicht vom Band gespielt sondern live gesungen werde. Der Klub kündigte an, seine Rückennummer zehn werde vorerst nicht mehr vergeben. Die Emotionen in Köln-Müngersdorf näherten sich schon da der Heul-Grenze an.

Die nächsten Tränen flossen in Köln dann nicht aus Wehmut, sondern aus einer Mischung aus Angst und Trauer. Denn es lief wirklich alles gegen die Rheinländer. Nach einer knappen Viertelstunde schlug in Berlin Änis Ben-Hatira einen Freistoß aus 35 Metern in den Strafraum, einige Spieler flogen knapp am Ball vorbei und irritierten Hoffenheims Torwart Tom Starke. So landete Ben-Hatiras Schuss im Netz - um 15.45 Uhr lag Hertha BSC schon auf dem Relegationsplatz 16.

Lukas Podolski schleicht, die Mitspieler sprinten

Bayern-Trainer Jupp Heynckes bot seine voraussichtliche Champions-League-Final-Elf auf, ohne die dann gesperrten David Alaba, Luiz Gustavo und Holger Badstuber, dafür Diego Contento links hinten, Anatoli Timoschtschuk in der Innenverteidigung und Thomas Müller zentral offensiv. Sonst waren alle Stammspieler dabei und die zogen nach einer gehemmten Anfangsphase die Geschwindigkeit an. Plötzlich rollten die ersten Münchner Angriffe im Apollo-5-Tempo über den Rasen, nach 34 Minuten stand Müller plötzlich so allein im Strafraum, als wäre er bei Regenwetter im Freibad gelandet, und erzielte das 1:0 für Bayern.

Bis zum Halbzeitpfiff folgten weitere Übel für Köln. Hoffenheim vergab in Berlin binnen zwei Minuten zwei glänzende Chancen durch Sven Schipplock und Jannik Vestergaard, dann zog Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer binnen 20 Sekunden zwei absurde gelbe Karten gegen den Hoffenheimer Ryan Babel. Der war zuerst selbst geschubst worden, regte sich ein wenig auf, woraufhin Lewan Kobiashvili unnötigerweise auf den Rasen sank - und Hertha hatte nur noch zehn Gegenspieler (41.).

Kurz darauf klärte in Köln der Bayer Contento klar mit der Hand den Ball zur Ecke, diesmal pfiff Kinhöfers Schiedsrichter-Kollege Florian Meyer nicht. Zwar beklagte auch die Hertha in Berlin einen nicht gegebenen Elfmeter an Pierre-Michel Lasogga (45.), doch zur Pause durften die Kölner durchaus ein wenig mit dem Schicksal hadern.

Das Hadern wich dann dem Lauschen des Transistorradios und dem Blicken auf die Liveticker in den Smartphones. Denn die Kölner Spieler klärten schnell die Verhältnisse: Verteidiger Geromel schon bei einem Abwehrversuch den Verteidiger Kevin McKenna an, von dem prallte der Ball wieder zu Geromel, der den Ball zum 2:0 für Bayern über die Linie lenkte (51.). Nach dem 3:0 durch Arjen Robben (53.) war um 16.42 Uhr klar: Nur ein Treffer der TSG Hoffenheim konnte den FC noch vor dem direkten Abstieg retten. Auch das 1:3 durch Milivoje Novokovic (63.) spielte da keine Rolle mehr.

Doch das nächste Tor in Berlin ließ die Stimmung in Köln endgültig gen Aschermittwochs-Niveau sinken. Ein schneller Angriff der Hertha über Raffael und Ramos landete bei Ben-Hatira, der mit seinem zweiten Treffer das Spiel entschied (77.). Berlin feierte schon, allein die Verletzung von Stürmer Lasogga (Verdacht auf Kreuzbandriss im Knie) trübte die Stimmung.

Im Kölner Fanblock ließen da die ersten ihre Enttäuschung in Wut und Beschimpfungen aus, die Polizei brachte sich im Stadion in Stellung. Bald fingen Rauchbomben Feuer und eine schwarze Wolke zog hinter dem Tor von Manuel Neuer zum Stadiondach.

Niemand glaubte mehr, dass die eigene Mannschaft gegen den FC Bayern noch drei Treffer erzielen würde oder die Hoffenheimer in Unterzahl in Berlin noch zwei. Die erste Ahnung stellte sich als wahr heraus, Müller erzielte per Hacke bald das 4:1 für Bayern. Doch gleichzeitig schubste Marvin Compper für Hoffenheim den Ball nach einem Freistoß über die Linie (85.). Ein weiteres Hoffenheimer Tor und Köln wäre wieder in der Relegation.

Doch das interessierte in Köln nicht mehr, die Chaoten übernahmen die Szene. Eine schwarze Rauchwand bildete sich vor dem Fanblock der Ultras, Schiedsrichter Meyer pfiff das Spiel 30 Sekunden vor Ende der 90 Minuten ab, die Spieler flüchteten im Sprint in die Kabine. Nur Lukas Podolski schlich mit hängendem Kopf über das Spielfeld, während hinter ihm eine Hundertschaft der Polizei sich auf dem Rasen aufstellte. "Das ist bitter, ist traurig, das wird immer mehr. Das ist Wahnsinn, das ist eine Schande, ich hoffe, dass niemanden etwas passiert ist", sagte der geflüchtete Mario Gomez im Kabinengang.

In Berlin schoss währenddessen der Stürmer Raffael bei einem Konter den Ball zum 3:1 für die Hertha ins Netz. Und Trainerphilosoph Rehhagel erklärte: "Die Leute in Berlin haben das verdient, denn sie lieben den Fußball."

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