1. FC Köln: Ståle Solbakken:Stolzer Salvatore

Kölns neuer Fußball-Trainer Ståle Solbakken sagt, er wisse genau, worauf er sich einlässt. In seiner Heimat wird er als "Trainer-Wunderkind" gehandelt - dabei brauchen die Kölner diesmal gar keinen Messias.

Philipp Selldorf

Ståle Solbakken glaubte, er sei schon recht gut informiert über seinen potentiellen neuen Arbeitgeber, als er sich vor etwa zwei Wochen das erste Mal mit Volker Finke traf, um über ein Engagement beim 1. FC Köln zu reden. Er hatte sich Aufzeichnungen von Bundesligaspielen angeschaut und wusste einiges über den Fußball des FC zu sagen.

Finke hat es mit Respekt bemerkt, aber der Sportdirektor hat Solbakken im Laufe der Unterhaltung auch erläutert, dass der Sport beim FC nur einen Teil der Wahrheit ausmache. Er hat dem 43 Jahre alten Norweger erklärt, dass dieser Klub von großer innerer Unruhe erfüllt sei, dass die Presse ihn unentwegt unter Druck setze, und dass die Aufgabe keineswegs einfach werde.

Am Dienstag bei Solbakkens Vorstellung im Geißbockheim bekräftigte er diese Ansicht vor Publikum. Die schwierigen Umstände beim FC, sagte Finke, ließen sich nur in einer großen Allianz meistern: "Er kann es nicht allein, ich kann es nicht allein, und es müssen noch viele andere helfen - so ist Köln."

Auch in Kopenhagen hat Solbakken einiges über die Kölner Verhältnisse erfahren können. "Die Trainerstühle in Köln glühen", hat Morten Olsen gesagt, der dänische Nationalcoach, einst selbst beim FC. Solbakken hat die Warnungen verstanden, abgeschreckt haben sie ihn nicht.

In Norwegen hat er den Reportern zwar mit Blick auf die hohe Frequenz von Trainerentlassungen beim FC erzählt, er übernehme ein "riskantes Projekt", aber am Dienstag vor der Kölner Presse hat er das Statement lächelnd ergänzt: "Statistiken sind ja nicht unveränderlich."

Bei seinem vorigen Verein, dem FC Kopenhagen, war Solbakken knapp viereinhalb Jahre beschäftigt, vier Meistertitel fielen in die Zeit, der Klub hätte die Zusammenarbeit gern verlängert. Doch der Mann hatte andere Absichten. Bereits im September 2009 verabredete er mit dem norwegischen Verband ein Engagement, das am 1. Januar 2012 beginnen sollte - eine für den Profifußball ziemlich unübliche Planungsfrist.

Messias und Judas

Spätestens, als Kopenhagen in der Champions League für Aufsehen sorgte - erst im Achtelfinale endete die Kampagne -, ahnte man in Norwegen, dass die Vereinbarung platzen könnte. Die Anfragen häuften sich, der Hamburger SV und Bayer Leverkusen knüpften Kontakte, und als Finke sich energisch näherte, änderte Solbakken seinen Lebensplan.

Es sei "hart, seinem Land ,nein' zu sagen", dennoch sei er "definitiv stolz und glücklich". Der FC sei "ein großer Klub mit großer Tradition und Geschichte, der Name des Klubs sagt mir eine Menge".

Seit Tagen vernimmt die Kölner Presse Zeugen, die Solbakkens Arbeit würdigen. Das Ergebnis ist vielversprechend. Er sei "ein Trainer-Wunderkind, eine Super-Verpflichtung", berichtete Jan Åge Fjørtoft, der ehemalige Frankfurter Fußballer. Der FC habe die "vielleicht beste Entscheidung seit 50 Jahren getroffen", sagte Kopenhagens Sportchef Carsten Jensen.

Auch Finke glaubt, "dass er dem FC sehr, sehr helfen kann", aber er warnt auch vor dem seiner Meinung nach kölschen Hang zur Stilisierung. Mit einem gewagte Ausflug in die Religion: "Wir brauchen hier keinen Messias, weil zu jedem Messias immer auch ein Judas gehört", so Finke.

Seit seiner erfolgreichen Trainerarbeit beim Zweitligaklub Hamarkameratene trägt Solbakken in der Heimat übrigens den Spitznamen "Salvatore" - der Retter.

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