1. FC Köln:So weit weg wie die erste Million

1. FC Koeln v TSG 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Höchstpunktzahl in der A- und B-Note: Sandro Wagner erzielt Hoffenheims drittes Tor gegen Köln.

(Foto: Maja Hitij/Getty)

Der Wunsch nach dem ersten Sieg in dieser Saison wird allmählich zu einer fernen Fantasie. Beim 0:3 gegen Hoffenheim zeigt die Mannschaft erste Anzeichen von Aufgabe.

Von Philipp Selldorf, Köln

Ein langer Pfiff aus Deniz Aytekins Schiedsrichterpfeife, einige wenige Pfiffe aus dem Stadionrund, und dann war auch der elfte Versuch des 1. FC Köln, in dieser Saison ein Bundesligaspiel zu gewinnen, erfolglos beendet. Das 0:3 gegen die TSG Hoffenheim war so unzweideutig, dass niemand mehr mit Verzweiflungsgesten auf das Feierabendsignal reagierte. Von der Vorstellung, drei Punkte zu ernten, hatte der kundige Kölner ohnehin kaum zu träumen gewagt, nachdem die Partie ein wenig in Gang gekommen war; und dass auch ein einzelnes Zählerchen kaum noch zu erreichen wäre, darauf hatte sich die einheimische Kundschaft nach dem 0:2 durch Sandro Wagners Elfmeter in der 56. Minute zeitig einstellen können. "Es gibt keine zwei Meinungen über den verdienten Sieger", bilanzierte Kölns Trainer Peter Stöger.

Das Gefühl von Ohnmacht hatte aber nicht nur das Gros der Zuschauer ergriffen, man sah es auch dem Torwart Timo Horn an. Er schlich nach Spielschluss so traurig über das Feld, als wäre er nun für den Rest seines Lebens ein gebrochener Mann. Nach dem 0:2, sagte er später, habe er "das erste Mal in dieser Saison das Gefühl gehabt, dass sich die Mannschaft ein bisschen aufgegeben hat". Der Wunsch, den ersten Sieg in dieser Saison zu schaffen, scheint für den FC allmählich zu einer fernen Fantasie zu werden - ungefähr so weit weg wie die erste Million, die auf dem Weg zum Millionär bekanntlich die schwerste ist.

Das moralische Kapital des 5:2 gegen Borissow war nach dem frühen Gegentor aufgebraucht

Julian Nagelsmann hielt sich deshalb auch pietätvoll zurück, als er das Geschehen kommentierte: Der Sieg ginge in Ordnung, meinte der TSG-Trainer, vielleicht sei er ein bisschen zu hoch ausgefallen. Den Gastgebern sprach er nicht nur sein ehrlich empfundenes Mitgefühl aus, Nagelsmann bemühte sich auch darum, ein bisschen Mut beim Überlebenskampf in der Liga zuzusprechen: "Ich habe die meisten Kölner Spiele gesehen, da waren viele Spiele dabei, die ich gut fand", sagte er.

Wie es jetzt weitergeht in Köln? Nach Lage der Dinge nicht anders als bisher. Der Trainer, der kraft seines Amtes die Misere zu verantworten hat, steht zumindest vorerst nicht zur Debatte, und er erwartet auch nicht, dass das in der nächsten Zeit geschehen wird. "Stimmung gegen mich fühle ich gar nicht. Es gibt kein Dagegen im Verein, es ist bei uns keine zweigeteilte Geschichte. Deswegen wird auch nichts Überraschendes kommen", sagte Stöger. Tatsächlich gibt es aus dem Verein keine gegenteiligen Signale, in der Trainerpersonalie herrscht - auch dank der beiden Siege im DFB-Pokal und in der Europa League - offenbar weiterhin Ruhe. Die Perspektive im Abstiegskampf betrachtet Stöger trotz der düsteren Vorzeichen im Tabellenbild nicht ohne Hoffnung: "Uns wird die Pause guttun. Wir waren viel unterwegs zuletzt. In zwei Wochen haben wir hoffentlich ein paar Jungs, die jetzt fehlen, wieder dabei."Durch die Rückkehr von Marcel Risse und Jhon Cordoba, die zuletzt schwer vermisst wurden, hellen sich die Aussichten für die nächsten Spiele ein wenig auf. Mainz, Hertha und Freiburg sind Gegner, die dem FC gegenwärtig eher gelegen kommen dürften als ein Widersacher mit den Qualitäten der TSG Hoffenheim. "Je mehr Spiele du verlierst, umso schwieriger wird es. Es ist aber auch nicht so, dass uns die anderen alle davonlaufen. Es ist nicht aussichtslos", sagt Stöger.

Schon in der ersten Halbzeit standen sich in Müngersdorf zwei ungleiche Parteien gegenüber, nicht deshalb, weil der FC wie ein Absteiger auftrat, sondern weil die TSG ihre fußballerischen Vorteile ausspielte. Hoffenheims spielerische Überlegenheit äußerte sich in allen Mannschaftsteilen. Das frühe Führungstor durch Dennis Geiger nach neun Minuten brachte die Kölner zusätzlich in Schwierigkeiten, das moralische Kapital des 5:2-Siegs gegen Borissow war bereits wieder aufgebraucht. Dass sie zumindest bis zur Halbzeit noch auf eine Wende hoffen durften, verdankten sie der Zurückhaltung der Hoffenheimer, die nach dem 1:0 das Tempo reduzierten und sich damit selbst den Schwung nahmen. Torwart Horn erlebte trotzdem genügend Schreckmomente. Immer wieder kombinierten sich die Hoffenheimer flink vor sein Tor, Sandro Wagner kam dem 2:0 am nächsten, Horn klärte in letzter Instanz.

"Sie haben wenige Fehler in ihrem Passspiel gehabt, wir mussten dadurch viel Laufarbeit verrichten. Vom Umschaltspiel her waren wir heute in vielen Situationen zweiter Sieger", sagte Stöger.

Der Leichtigkeit des Hoffenheimer Spiels setzten die Kölner Kampfkraft und ehrenwerten Behauptungswillen entgegen, aber wenn es darum ging, Torgefahr zu erzeugen, dann mussten wieder einige wenige die Last tragen. Linksaußen Leonardo Bittencourt war dabei als Draufgänger vom Dienst irgendwann überfordert, und auch Yuya Osako, der andere ständige Lastenträger, konnte seine Erschöpfung kaum mehr verbergen. Trotzdem gelang dem Japaner kurz vor der Pause fast der Ausgleich. Seinen Schuss aus 18 Metern hatte er mit dem richtigen Ziel programmiert, aber es fehlten halt wieder die Zentimeter, die den Kölnern meistens fehlen. Der Ball klatschte an den Pfosten.

Auch die zweite Halbzeit war noch jung, als Hoffenheim eine entscheidende Tatsache schuf. Wagner schickte Mark Uth in einen Konter, den Pavel Olkowski im Strafraum regelwidrig beendete. Aytekin verhängte einen Elfmeter, den Wagner verwandelte (56.); der Referee verzichtete nach kurzer Sichtung der Bilder aber auf einen Platzverweis. So durften die Kölner sich weiterhin vollzählig um das Anschlusstor bemühen, doch Milos Jojic und Sehrou Guirassy vergaben erstklassige Möglichkeiten (75., 77.). Wagner beendete dann mit seinem zweiten Tor alle Spekulationen.

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