In der 17. Spielminute der Zweitligapartie des 1. FC Köln gegen den 1. FC Nürnberg passierte etwas, das den laufenden Wettbewerb beziehungsweise die ganz normale Willkür der zweiten Bundesliga auf typische Art illustrierte: Durch ein Elfmetertor von Florian Kainz zum Zwischenstand von 2:0 machte Köln in der virtuellen Blitztabelle einen Riesensatz vom sechsten auf den ersten Platz.
Der Absteiger aus dem Oberhaus rangierte nun also dort, wo ihn die Kenner der Materie und die Vertreter der konkurrierenden Klubs vor der Saison eingeordnet hatten. Von dem Ruf als Ligafavorit hatten sich die Kölner allerdings bis vor ein paar Wochen erfolgreich distanziert. Nach dem zehnten Spieltag hatte der FC mit peinlichen zwölf Punkten auf dem zwölften Platz gestanden, und der Trend wies unzweideutig abwärts. Quasi stündlich erwarteten die Bürger der Stadt die Nachricht, dass Trainer Gerhard Struber und Manager Christian Keller die Kündigung erhalten hätten.
Am Sonntag aber stand der österreichische Coach Struber nach wie vor am Rasenrand und sah ein Spiel, das ihm gut gefiel. Die Kölner legten mit rapidem Angriffsfußball in der ersten halben Stunde einen 3:0-Vorsprung vor, den die Nürnberger trotz tapferer Bemühungen und zahlreicher gefährlicher Vorstöße nicht mehr ausgleichen konnten. Lediglich ein Ehrentreffer gelang dem Club, der 3:1-Erfolg ist das achte Spiel des FC ohne Niederlage – zwei Pokalpartien eingerechnet.
Das dürfte auch den auf seinem Stammstehplatz zuschauenden Sportchef Keller erfreut haben, der in der Zwischenzeit übrigens nicht wie allseits erwartet entlassen, sondern mit einer Vertragsverlängerung ausgestattet wurde. Doch die zweite Liga wäre nicht die zweite Liga, wenn sie zum Ende dieses extravaganten Spieltags nicht noch eine Pointe geliefert hätte: Denn die Prominenz aus Köln musste den ersten Platz im Laufe der späten zweiten Halbzeit doch noch abtreten – an die Nichtprominenz aus Elversberg, die durch das 2:0 bei Eintracht Braunschweig dank besserem Torverhältnis an die Spitze rückte.
Bei allem Respekt und ohne jegliche Geringschätzung lässt sich sagen, dass diese zweite Liga im Moment den Tabellenführer hat, der perfekt zu ihr passt. Die SV Elversberg und die zweite Liga sind das Dream Team schlechthin bei dieser Veranstaltung, in der es einfach Alltag ist, dass der große Hamburger SV beim Aufsteiger SSV Ulm mit einem 1:1 davonkommt, während Hertha BSC das Heimspiel gegen den Tabellenvorletzten Preußen Münster 1:2 verliert. Und nicht zu vergessen Hannover 96, das sich ganz allein an die Spitze hätte setzen können – und dann durch ein Tor in der 83. Minute 0:1 in Fürth verlor. In diesem hochgradig ausgeglichenen Wettrennen, so stellte am Sonntag der Kölner Trainer Struber fest, sei der Sprung auf Tabellenplatz zwei als „netter Moment“ zu bewerten – „aber mehr auch nicht“.
Der Fußball, den die 50 000 Zuschauer im ausverkauften Stadion in Müngersdorf zu sehen bekamen, war allerdings mehr als bloß nett. Er war attraktiv, unterhaltsam und spielerisch gut entwickelt. Das lag ausdrücklich auch an den Verlierern aus Franken, wenngleich sie nach Ansicht von Miroslav Klose eine zwiespältige Vorstellung ablieferten. „Meine Mannschaft hat leider zwei Gesichter gezeigt“, beklagte der Nürnberger Coach, „die ersten 30, 35 Minuten war sie gar nicht da, und dann liegst du halt ruckzuck 0:3 zurück.“ Typisch dafür war das 0:1, das der junge Kölner Stürmer Damion Downs erzielte, die Schläfrigkeit des Verteidigers Oliver Villadsen ausnutzend und vom Stellungsfehler des Torwarts Jan Reichert profitierend.
Die Fehler seiner Elf ertrug Klose weitgehend stoisch und stumm, ohne erkennbare Gefühlsregung stand er vor der Bank und ließ das Geschehen an sich vorüberziehen. Umso erstaunlicher, dass Klose nach der Partie einen beinahe leidenschaftlichen Vortrag darüber hielt, dass FC-Angreifer Downs so vorsätzlich wie schamlos getrickst habe, um vor dem 0:2 den Strafstoßpfiff zu provozieren. „Fragwürdiger Elfmeter“, befand er, „aber Köln hat's angeblich gecheckt“ – gemeint war die Video-Schiedsstelle in Köln-Deutz. Rechtlich nichts zu beanstanden gab's am dritten Kölner Tor, einer Kombination zwischen Kainz, Downs und dem Torschützen Denis Huseinbasic, die eines Tabellenführers würdig war.
Die Kölner haben, das zumindest ist gewiss, die Kurve bekommen. Sie stehen in der Defensive deutlich sicherer, können auf eigene Treffer vertrauen und haben gelernt, effizienten Resultatsfußball zu spielen. Nicht zuletzt hat das auch mit dem Torwartwechsel zu tun. Der hoch gehandelte und schon mit Spitzenklubs in Verbindung gebrachte Nachwuchsmann Jonas Urbig hatte bei seinen Einsätzen nicht viele Fehler gemacht, aber seit sein erfahrener und stets im Ruhepulsmodus auftretender Vorgänger Marvin Schwäbe wieder im Tor steht, ist die Deckung des FC merklich stabiler. Am Sonntag sah Schwäbe aber, typisch zweite Liga, beim Gegentreffer durch Jens Castrop nicht gut aus.