1. FC Köln:Modeste will Tore statt Geld

Rosenmontag am Rhein - Köln

China statt Rosenmontags-Zug: Anthony Modeste war in Köln auch "Prinz Tünn" auf dem Karnevalswagen, jetzt verlässt der Mittelstürmer die närrische Stadt und ihren Verein.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Bei Bayern-Gegner Köln ließ Anthony Modeste ein obszön hohes Angebot aus China verstreichen. Doch alle wissen: Der nächste Transfersommer kommt bestimmt.

Von Philipp Selldorf, Köln

Das Vormittagstraining am Aschermittwoch hatte Peter Stöger bei Wind und peitschendem Regen geleitet, aber für den Trainer war auch an diesem ungemütlichen Trauertag die Kölner Welt in Ordnung. Vergangenheit und Zukunft ergaben für ihn wieder ein gelungenes Ganzes, wie er unter dem Dach seines Regenschirms den Zuhörern mitteilte: "Wenn Rosenmontag ist, und du darfst in Köln sein, und wenn am Samstag Bayern kommt, und du darfst Trainer sein - schöne Sache."

Einen Aspekt seines harmonischen Befindens hatte Stöger dabei unterschlagen, denn für einen Trainer ist es unbedingt auch eine schöne Sache, wenn immer noch sein bester Torjäger auf dem Übungsplatz steht, obwohl der Manager und der Vereinsvorstand durch ein obszönes Übernahmeangebot aus China in die schwerste Versuchung geführt wurden, seit der Transfermarkt sich zum Glücksspielcasino entwickelt hat.

Der 1. FC Köln trägt immer noch schwer an den Schulden aus der Zeit der Vorgängerregierung unter Wolfgang Overath, das Geld, das der chinesische Verein Tianjin Quanjian nun für Anthony Modeste anbot - angeblich bis zu 50 Millionen Euro Ablöse -, hätte nicht nur zur Sanierung der Staatsfinanzen gereicht, man hätte obendrein das Geißbockheim vergolden lassen können. Dennoch waren sich die Verantwortlichen zügig einig darin, der Offerte zu widerstehen. Dass die Chinesen über Mittelsmänner den Einsatz erhöhten, änderte die Beschlusslage nicht mehr. Wenn man einmal nein gesagt habe, dürfe man "nicht beim nächsten Angebot umfallen", erklärte Manager Jörg Schmadtke. Dies sei eine Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber dem Publikum, den Spielern und den Geldgebern.

Europa - der größte annehmbare Reiz

Nicht zuletzt fühlten sich die Klub-Oberen aber auch zur Glaubwürdigkeit gegenüber dem eigenen Manager verpflichtet. Ganz Köln träumt vom Europacup, Schmadtke bildet da keine Ausnahme. Und um den Verbleib des 52 Jahre alten Sportchefs macht man sich beim FC nicht viel weniger Sorgen als um den Erhalt des 28 Jahre alten Mittelstürmers Modeste. Das Bekenntnis zur aktuellen sportlichen Vision soll die Vertrauensbasis festigen und Schmadtke gegen potenzielle Angebote der Konkurrenz immunisieren. Die Kölner fürchten, dass ihr Manager im Sog der Sportchef-Suche beim FC Bayern ins Visier anderer Vereine geraten könnte. Beim FC glaubt man jedoch, dass sich Schmadtke vor allem vom Reiz der Aufgabe leiten lässt, und der FC in Europa - das wäre der größte annehmbare Reiz in dieser verrückten Stadt. Wirtschaftliche Argumente sollten deshalb die sportlichen Ambitionen nicht beeinträchtigen.

Erstaunlicherweise hat das Anthony Modeste gar nicht so anders gesehen, als sein möglicher Wechsel nach China zum Thema wurde. Einerseits hat Schmadtke den Torjäger schnell wissen lassen, dass der Klub, mit dem er einen Vertrag bis 2021 unterhält, den Transfer nicht bewilligen werde. Andererseits hat Modeste selbst seine Entscheidung getroffen. In China hätte er stattlich verdienen können, von zehn Millionen Jahresgehalt ist gerüchtehalber die Rede, Branchenkenner versichern, dass die kolportierten Summen der Wahrheit entsprechen. Nicht zu vergessen, dass die besagten zehn Millionen als Netto-Leistung zu verstehen sind - was die zwei, drei Millionen, die Modeste in Köln brutto verdient, noch ein bisschen kleiner aussehen lässt.

Modeste wirft Kamelle und Salzgebäck

Aber Modeste hat während des Karnevals mehrmals betont, dass ihm zurzeit nicht der Sinn nach mehr Geld, sondern nach mehr Toren steht. "Ich weiß, ich kann viel mehr Tore schießen als letzte Saison", sagt Modeste. Seinen Vorjahreswert hat er nach 22 von 34 Spieltagen bereits überboten. Vorige Saison landete Kölns Zentralstürmer mit 15 Toren auf Platz fünf der Schützenliste, vor diesem Liga-Wochenende lauert er mit 17 Treffern hinter dem Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang und Robert Lewandowski (beide 19). Letzterer wird an diesem Samstag mit dem FC Bayern am Rhein erwartet.

Der Karneval spielte auch eine Rolle bei der Entscheidung des in Cannes geborenen Südfranzosen. Auf der FC-Sitzung überzeugte Modeste im Kostüm des bösen Wolfs, am Rosenmontag stand er mit seinen Mitspielern oben auf dem roten FC-Doppeldecker, warf Kamelle und Salzgebäck und ließ die Stadt unter sich jubeln. Selbst dem Prinzen, der immer die leckersten Süßigkeiten verteilt, wurde nicht lauter zugerufen als den FC-Profis. Dass der Abordnung des 1. FC Köln die Mundartgruppe "De Räuber" folgte, die außer dem Hit "Die Rose auf den Hintern tätowiert" auch ständig den Song "Dat es Heimat" anstimmte, das schien höhere Bedeutung zu haben. Nachts um 1:28 Uhr twitterte Modeste in die Welt: "Je restés in cologne ... ich bleib in Köln". Dazu ein Smiley mit Hornbrille und das Symbol einer Ziege.

"Ich kann nicht sagen: Ich werde nie gehen"

"Für mich war das klar", sagte er am Aschermittwoch, aber es hätten ihn so viele Leute gefragt. Jetzt sei nicht die Zeit, um aus Köln wegzugehen: "Ich habe einen guten Vertrag hier, ich bin zufrieden. Ich weiß nicht, was später ist, aber ich weiß, was ich jetzt will. Ich will mit meiner Mannschaft in die Europa League." Da klangen schon ein paar Heimatgefühle an. Nizza, Angers, Bordeaux, Blackburn, Bastia, Hoffenheim - im Laufe seines Fußballerlebens wurde der Angreifer bisher wie eine Ware verliehen und verkauft.

Doch alle Beteiligten wissen: Der nächste Transfersommer kommt gewiss. "Ich kann nicht sagen: Ich werde nie gehen", gibt Modeste zu, "ich werde mit Schmaddi reden". Doch vorher will er noch ein paar Tore schießen.

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