1. FC Köln:Meisterstück mit Risiken

Bilder des Tages SPORT Die Spieler des 1 FC Köln auf einem Wagen Anthony Modeste r und andere

Kein Herbst für Karnevalskappen: Nicht nur am 11.11. wird Kölns Stürmer Anthony Modeste auf Kostümierung verzichten. Es ist nicht die Zeit für närrische Folklore – in mehrerlei Hinsicht.

(Foto: Horst Galuschka/imago)

Mitten im Zweitliga-Betrieb holt der Verein Torjäger Anthony Modeste zurück - preisgünstig und mit Hilfe von Martin Schulz.

Von Philipp Selldorf, Köln

So ziemlich alle Protagonisten der jüngeren und älteren Vereinsgeschichte waren am Samstagabend erschienen, um den runden Geburtstag des 1. FC Köln zu feiern. Auf dem roten Teppich draußen im Stadtteil Ossendorf ergab sich ein Defilee der Legenden, von Milivoje Novakovic bis Christoph Daum. Die "Höhner" trugen die herzrührende Hymne vor, und es sorgte auch keinesfalls für Missstimmung, dass der erste Gast, der auf die Bühne gebeten wurde, nicht vorschriftsmäßig Smoking trug. Vielmehr wurde es dem Geißbock Hennes VIII hoch angerechnet, dass er am spielfreien Samstag sein gemütliches Zuhause im Kölner Zoo verlassen hatte, um den 70. seines Klubs zu begehen.

Was bedeutet der Transfer für den 16-Tore-Stürmer Terodde?

Und noch ein sehr spezieller Gast wurde herzlich begrüßt, obwohl er sich über die Etikette hinweggesetzt und angeblich selbst eingeladen hatte. Er habe Licht gesehen, "da bin ich einfach reingegangen", erwiderte Anthony Modeste, nachdem ihm Präsident Werner Spinner vermeintlich erstaunt zugerufen hatte: "Tony, was machst DU denn hier?" Jeder hatte inzwischen natürlich verstanden, dass hier ein Schauspiel im Gange war.

Für Spinner wurde es ein sehr langer Abend. Jeder wollte von ihm wissen, wie der Zweitligaklub das geschafft hatte: dass Modeste kaum anderthalb Jahre nach seinem spektakulären, keineswegs stressfreien Wechsel zum Klub Tianjin Quanjiang nach China nun wieder nach Köln zurückgekehrt ist, und zwar nicht, um die Geburtstagsgala zu besuchen, sondern um wieder Fußball zu spielen, "mit meinen Jungs", wie er sich ausdrückte. Der 30 Jahre alte Südfranzose, Bundesliga-Schützenkönig der Saison 2016/17, unterschrieb einen Vertrag bis Juni 2023. Noch fehlt ihm die Spielgenehmigung des DFB, aber das Kölner Management geht davon aus, dass sich das in Kürze ändern wird. In zwei Wochen schon soll Modeste dem Kader für das Spiel gegen Greuther Fürth angehören.

"Dankbar und glücklich" sei er, teilte Modeste mit, während Sportchef Armin Veh verlauten ließ, man habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, "als wir gemerkt haben, dass es eine Chance gibt, seine Vertragssituation zu lösen und ihn zu vertretbaren Konditionen zu verpflichten". Dieser Coup überraschte am Samstagabend die ganze Stadt. Spekulationen um Modestes Rückkehr gab es zwar schon länger, spätestens seit der FC dem Angreifer gestattet hatte, am Training seiner Regionalliga-Mannschaft teilzunehmen. Aber dass der Abschluss nun amtlich mitgeteilt werden konnte, das hatte der Klub so diskret vorbereitet, dass nichts nach außen drang.

Wenn die Rechnung aufgeht, dann hat der 1. FC Köln im Fall Modeste einen Deal gemacht, der als Meisterstück der Kaufmannskunst gelten darf. Der Verkauf des Angreifers im Sommer 2017 war zwar eine zähe, juristisch komplexe Angelegenheit, aber ein großes Geschäft für den Klub. Nach Abzug von allerlei Nebenkosten und Abgaben (auch Modestes vormaliger Arbeitgeber Hoffenheim profitierte) blieben fast 30 Millionen Euro Ertrag, die auf gesicherten Wegen der Klubkasse zukamen.

Die Rückkehr des Mittelstürmers soll für die Kölner hingegen ausgesprochen preisgünstig werden. Eine Ablöse an Tianjin Quanjian fällt nicht an - vorausgesetzt, die Rechtsanwälte des FC und des Spielers liegen mit ihrer Einschätzung richtig, dass Modeste eine ordnungsgemäße außerordentliche Kündigung beim chinesischen Verein vollzogen hat. Es geht dabei vor allem um ausgebliebene Gehaltszahlungen.

Tianjin Quanjian verbreitete am Sonntag zwar eine Mitteilung, man werde alles tun, um die Klubinteressen zu schützen und drohte mit Sanktionen, aber in Köln ist man zuversichtlich, den Transfer-Vertrag korrekt abgewickelt zu haben. Vor Schadenersatz-Forderungen hat der Verein keine Angst, es kommt nun aber darauf an, dass die Fifa die Rechtmäßigkeit von Modestes Kündigung bis zum endgültigen Entscheid zumindest vorläufig anerkennt. Andernfalls könnte der Stürmer gesperrt werden. Noch sei "die Sache nicht durch", hieß es am Sonntag beim Klub. Die Frage sei, ob die Chinesen sich das bieten ließen, dass sie als großer Verlierer dastehen.

Zum stillen Heimhol-Manöver hatte im Übrigen auch ein aus dem nahen Eschweiler stammender FC-Fan Hilfestellung geleistet, der über gute Kontakte in China verfügt: Martin Schulz, vormals SPD-Kanzlerkandidat, nutzte die Verbindungen aus seiner Zeit als Europapolitiker in Brüssel und Straßburg, um an höchster Stelle zu vermitteln. Schulz verschaffte FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle das Entree für Gespräche mit dem chinesischen Milliardär Yuhui Shui, dem Tianjin Quinjan gehört.

Auch andere Klubs hatten sich für Modeste interessiert, der VfB Stuttgart hatte offenbar konkrete Vorstellungen über ein Vertragsverhältnis übermittelt. Auch Schalke 04 stieg in den Fall ein, nachdem sich die Stürmer Breel Embolo und Mark Uth verletzt hatten. Die Kölner besaßen aber einen Heimvorteil, sie profitierten, sagen Beteiligte, "von der emotionalen Komponente". Modeste möchte mit der Familie in Köln leben, nach China hatte sie ihn nicht begleitet, Trennungsschmerz und Heimweh ließen sich auch mit dem dort gezahlten Fabelgehalt (angeblich elf Millionen Euro netto) nicht kompensieren.

Sein neuer Vertrag mit dem FC orientiert sich angeblich an dem Rahmen, den andere Spitzenverdiener wie Jonas Hector und Timo Horn setzen. Im Fall des Aufstiegs würde die Entlohnung steigen. Man sieht beim FC aber durchaus auch die innerbetrieblichen Risiken des Transfers: Modeste kommt in eine Elf, der manches fehlt, nicht aber die Tore eines Mittelstürmers. Simon Terodde hat bereits 16 Treffer erzielt, auch Jhon Cordoba fängt an, in Köln heimisch zu werden. Mit Modeste hofft man aber, nicht nur die Chancen auf den Aufstieg zu erhöhen - sondern dann auch die Aussichten auf den Verbleib in der ersten Liga.

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