1. FC Köln:Klub der langen Wege

Sport Bilder des Tages 03.11.2019, Fussball GER, Saison 2019 2020, 1. Bundesliga, 10. Spieltag, Fortuna Duesseldorf - 1.

Düsseldorfs Spieler feiern – sehr zu Ungunsten des Kölner Trainers Achim Beierlorzer (links).

(Foto: imago)

Neues Präsidium, zwei Berater, allerlei Gremien und ein Sportchef, der bald geht: Der kriselnde 1. FC Köln entscheidet vielstimmig über Trainer Beierlorzers Zukunft.

Von Philipp Selldorf, Köln

In den Kölner Kneipen wurde heftig über die fälligen Konsequenzen diskutiert, als Kingsley Schindler nach einem Schubsen seines Gegenspielers Niko Gießelmann in den Düsseldorfer Strafraum stürzte. Die einen hielten einen Strafstoß für Köln für zwingend, die anderen entschieden auf Freistoß - verbunden mit der Roten Karte für Gießelmann wegen einer Notbremse. Doch während die Kölner Kneipen nur noch über das Strafmaß debattierten, blieb es im Kölner Keller still, denn am Tatort im Rheinstadion hatte der Schiedsrichter Sven Jablonski deutlich gemacht, dass er kein Foul gesehen habe und keinen Anlass sehe, die Sache am Bildschirm zu überprüfen. Die Spieler des 1. FC Köln protestierten, Dominik Drexler bekam dafür die gelbe Karte, und womöglich kam dem FC-Profi dieser Moment bekannt vor. Richtig: Bei der Partie zwischen Wolfsburg und Köln am ersten Spieltag hatte Sven Jablonski ebenfalls die Prüfung eines möglichen Elfmeterfouls abgelehnt. Das Opfer hieß Dominik Drexler, und der Täter Joshua Guilavogui gestand später: Ja, da hätte man schon Elfmeter geben können.

Wie im August in Wolfsburg lag auch in Düsseldorf der Aufsteiger Köln zum Zeitpunkt der strittigen Szene 0:1 zurück, Jablonskis Entscheidungen hatten also jeweils beachtliche Tragweite. In Wolfsburg verloren die Kölner 1:2, in Düsseldorf nun 0:2. Doch auf Klagen über den Referee haben die Betroffenen, die zuletzt auch beim 1:3 in Mainz einen glasklaren Elfmeter verwehrt bekommen hatten, nach dem Derby verzichtet. Die Lage beim FC ist mittlerweile zu ernst, um dem Schiedsrichter die Schuld zu geben. "Das war einfach zu wenig", urteilte Kapitän Jonas Hector.

Wenn Spieler keine Ausflüchte mehr suchen, ist das meistens kein gutes Zeichen für ihren Trainer. Die Partie stellte auch kein gutes Zeugnis für den sportlichen Zustand aus. Die Kölner entwickelten zu wenig offensive Dynamik und standen defensiv instabil wie meistens in dieser Saison. Das 2:0 (61.) durch Erik Thommys Alleingang beruhte auf einem Kölner Sicherheitsmangel der Kategorie Anfängerfehler.

Nach der dritten Niederlage binnen neun Tagen (zuvor 1:3 in Mainz und 2:3 in Saarbrücken) richtete sich der Blick folgerichtig auf Achim Beierlorzer, dessen Stellung und Befähigung nicht erst seit Sonntag diskutiert wird. Der 51 Jahre alte Coach bezeichnet sich als überzeugten Optimisten, diese Betrachtungsweise hielt er auch nach der Niederlage in der Nachbarstadt aufrecht. An den Düsseldorfern könne sich der FC ein Beispiel nehmen, sagte er: Die Fortuna habe im vorigen Herbst als Aufsteiger genauso prekär dagestanden wie jetzt der FC, habe die Ruhe bewahrt und dann mit einer Siegesserie die Klasse gehalten.

Armin Veh empfiehlt, dass Beierlorzer bis zum Freitagsspiel gegen Hoffenheim bleiben darf

Kölns Funktionäre scheinen nicht bereit zu sein, dieser frohen Glaubensbotschaft folgen zu wollen. Am Montag war der Stadt-Anzeiger das erste Organ, das von Beierlorzers bevorstehender Ablösung berichtete, andere folgten. Da der FC mehr oder weniger basisdemokratisch organisiert ist, sind die Entscheidungswege jedoch länger als in anderen Klubs. Als Beierlorzer nach dem Reservistentraining am späten Vormittag das Klubgelände verließ, chauffiert in einem Auto aus dem Vereinsfuhrpark, setzten Beratungen in diversen Gremien ein, von Präsidium bis Mitgliederrat. Beschlüsse durch den "Gemeinsamen Ausschuss", das höchste Organ im komplexen Gebilde, wurden erst am Abend erwartet. So unterschiedlich die Interessen und Sichtweisen der vielen Ehrenamtlichen sein mögen, in einem sind sich alle einig: in der Angst vor dem nächsten Abstieg.

Außer dem Trainer-Thema stellt sich beim FC allerdings die Frage, wer tatsächlich das sportliche Sagen im Verein hat. Der Klub verfügt seit September über einen neuen Vorstand, dabei handelt es sich um drei Herren, die in der Wirtschaft Karriere und gute Geschäfte gemacht haben, als Fußballfachleute bisher aber nicht aufgefallen sind (Vize-Präsident Eckhard Sauren steht immerhin dem Verein vor, der die Pferderennbahn betreibt). Sie haben daher zwei Berater engagiert: Jörg Jakobs, 49, ehedem Assistent des früheren FC-Managers Jörg Schmadtke bzw. dessen Vorgänger; und Erich Rutemöller, 74, einst Kölns Chefcoach und unter anderem Chefausbilder an der DFB-Trainer-Akademie.

Diesen beiden Sonderbeauftragten kommt besondere Bedeutung zu, weil das hauptamtliche Management in Gestalt von Armin Veh und Assistent Frank Aehlig nur noch geringfügige Entscheidungsgewalt besitzt. Veh hat erklärt, spätestens am Saisonende aufzuhören. Intern sprach er sich am Montag für den Verbleib von Beierlorzer aus, den er im Sommer aus Regensburg geholt hatte. Wenigstens das Spiel gegen Hoffenheim am Freitagabend solle er noch leiten, empfahl Veh. Die Macht, diese Überzeugung durchzusetzen, hat Veh wohl nicht mehr. Womöglich werden die Offiziellen nicht nur den Trainer, sondern auch den Manager in den Urlaub schicken.

Eine Übergangslösung fände sich in Beierlorzers Trainerstab: Die Assistenten André Pawlak und Manfred Schmid hatten bereits im Frühjahr vorübergehend die Geschäfte geführt, als Veh den Aufstiegstrainer Markus Anfang feuerte. Gut möglich, dass es jetzt heißt: Der nächste bitte!

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