1. FC Köln - Hertha BSC (18 Uhr):Nur nicht hadern

Die bisherige Saisonbilanz der Berliner Hertha ist sehr mager. Das Europacup-Aus bestätigt den Trend. Aber Trainer Pal Dardai hält nichts davon, vor dem Spiel gegen Köln zu lamentieren.

Von David Joram, Berlin

Wer etwas über die Sprungeigenschaften von Fußbällen erfahren will, dem sei der Erklärungsversuch des Hobby-Physikers Pal Dardai empfohlen. "Ball ist rund. Springt dahin und dahin, springt nie zweimal dahin", erklärte der Coach von Hertha BSC am Freitagnachmittag. Inwieweit Dardai Wert auf akademische Zeugnisse legt, wie dies etwa Bayerns Bachelor-Stürmer Robert Lewandowski zu tun pflegt, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass Dardai'sche Thesen in aller Regel dazu taugen, die dunkle Materie Fußball weiter auszuleuchten. Im Speziellen ging es um das sonderbare Element namens Köln, Herthas sonntäglichen Bundesliga-Gegner. Am Rhein besteht die Masse aus losen Liga-Trümmerteilchen, die gelegentlich im Wechsel mit festem Pokal-Gewebe wirken. Oder, frei nach Dardai eben: Ball springt mal "dahin und dahin" - Köln springt von Liga-Frust zu Pokal-Lust, letzter Beweis: das 1:0 gegen den FC Arsenal.

Mitchell Weiser Hertha BSC enttäuscht nach dem Spiel Hertha BSC Berlin Borussia Mönchengladbach

Ratlos: Hertha-Stammspieler Mitchell Weiser, unzufrieden über den Saisonverlauf.

(Foto: imago/Bernd König)

Was die Berliner Eigenschaften betrifft, so ergeben die bisherigen Saison-Proben ein sehr viel stimmigeres Bild. Die Bundesliga-Saison verläuft mit 14 gesammelten Punkten aus zwölf Spielen bisher mager. Sie passt aber ins Standard-Modell, wonach auf eine überraschende Europapokal-Qualifikation in der Vorsaison eine schlechte Runde folgt. Das frühe Hertha-Aus im DFB-Pokal, übrigens gegen damals aufgeweckte Kölner (1:3), und nun das Aus in der Europa League, dem kleinen europäischen Pokalwettbewerb, bestätigen diesen Trend. Für das europäische Ausscheiden sorgte das 2:3 der Berliner am Donnerstag beim spanischen Vertreter Athletic Bilbao. Das Ärgerliche daran: Laut Spielverlaufs-Protokolls wäre genauso gut ein positives Ergebnis möglich gewesen. Zweimal führte die Hertha, zwei Gegentore kassierte sie per Elfmeter, ein weiteres nach einem Konter - so muss man nicht verlieren.

Auch Horn wird Köln fehlen

Beim Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln nimmt die Verletztenmisere vor dem Spiel gegen Hertha BSC dramatische Formen an. Am Samstagvormittag meldete sich in Jannes Horn auch einer der letzten verbliebenen Kandidaten für die Innenverteidigung aufgrund einer Schienbeinprellung ab, das berichtet der Kölner Express. "Er wird gegen Berlin definitiv nicht dabei sein", sagte Trainer Peter Stöger nach dem Abschlusstraining des abgeschlagenen Tabellenschlusslichts. Damit steht in Jorge Mere nur ein gelernter Innenverteidiger aus dem Profikader zur Verfügung. Dominique Heintz und Dominic Maroh sind bis zum Jahresende verletzt, Frederik Sörensen fehlt gegen Berlin gelbgesperrt. Horn, eigentlich linker Außenverteidiger, wäre eine Option gewesen. Nun muss Stöger im defensiven Zentrum wohl auf Mittelfeldmann Matthias Lehmann oder den 19 Jahre alten Nachwuchsspieler Birk Risa setzen. Auch in Mittelfeld und Sturm sind die Kölner momentan arg dezimiert, insgesamt fehlen gegen die Hertha elf Profis. Der Einsatz von Leonardo Bittencourt ist zudem eher unwahrscheinlich. SID

Vor dem Spiel in Köln legt Hertha-Coach Pal Dardai trotzdem eine beachtliche, wissenschaftliche Nüchternheit an den Tag. "Ein Unentschieden wäre für die Laune besser gewesen", findet Dardai zwar. Grundsätzlich aber ordnet der Trainer den ordentlichen Auftritt seiner jungen Mannschaft als Erfahrungswert ein. Die "Jungs", etwa die Startspieler Arne Maier, 18, Maximilian Mittelstädt, 20, Valentino Lazaro, 21, Davie Selke, 22, Mitchell Weiser, 23, und Karim Rekik, 23, könnten sich durch solche Spiele weiterentwickeln. Im Abschlusstraining gegen Köln jedenfalls sei schon wieder "Feuer drin gewesen". Bundesliga und Euroleague könne man trennen, so Dardai weiter, der nicht davon ausgeht, dass sein Team durch das 2:3 noch weiter zurückgeworfen wird. Der Blick geht nach vorne, das Forschungsprojekt mit den zahlreichen, schon üppig ausgestatteten Perspektivspielern nahtlos weiter, Rückschlag hin oder her. Um diese Botschaft bemüht sich Dardai redlich. Die unter Herthas Anhängern unpopuläre Europa League hat dem geradlinigen Ungarn als nettes Experimentierfeld gedient, nachtrauern will er dieser aber nicht.

Falsche Signale des Leuchtturms

Obwohl die Umstände der Bilbao-Pleite reichlich Frustpotenzial beinhalteten. Beide Elfmeter verursachte Sebastian Langkamp, der im Januar seinen 30. Geburtstag feiert. Er zählte zu den Erfahrenen in der jungen und frisch wirkenden Hertha-Startelf. Langkamp sendet seinen Mitspielern normalerweise so routinemäßig Beruhigungs-Signale wie ein Leuchtturm an der Nordseeküste. Nur für seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Karlsruher SC, ist der Innenverteidiger im April 2009 mal besonders aufgefallen. Aus 45 Metern grätschte Langkamp damals den Ball ins Tor des ehemaligen Leverkuseners René Adler hinein, es war sein erster Bundesliga-Treffer überhaupt. Seither verkörpert er Grundsolidität. Gegen Bilbao grätschte Langkamp indes Gegenspieler Inaki Williams um, später nahm er im Strafraum die Hand zur Hilfe. Beide Elfmeter hielt Keeper Thomas Kraft nur fast, auch das: ärgerlich. Williams' Siegtreffer in der 82. Minute und die verpasste Hertha-Chance durch Davie Selke in der Schlussminute trugen ebenfalls zu einer Reise bei, die nur Spesen einbrachte.

Dardai hofft nun, dass der "Reisestress" - Ankunft war Freitagnacht in Berlin-Schönefeld, Sonntagmorgen fliegt der Hertha-Tross nach Köln - nicht nachwirkt. Mental sieht er sein Team gerüstet. Für den in Bilbao gezeigten Mut wolle man sich in der Bundesliga belohnen. Berlins Trainer dachte da natürlich an den 1. FC Köln. Man darf annehmen, dass Dardai seine These von der Kölner Sprunghaftigkeit bestätigen will.

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