Trainer des 1. FC Köln:Funkels Moment der Sprachlosigkeit

Bayer Leverkusen - 1. FC Köln

Fast wie vor einer Woche: Kölns Kapitän Jonas Hector wird von seinem Trainer getröstet - nur dass der Coach diesmal Friedhelm Funkel ist.

(Foto: Martin Meissner/dpa)

Nach dem 0:3 gegen Leverkusen sitzen die Kölner noch ein bisschen tiefer im Keller. Zu allem Überfluss muss der neue FC-Trainer eine Rassismus-Debatte über sich ergehen lassen.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Schwarzer Trainingsanzug, schwarze Sportschuhe und eine schwarze Wind-und-Wetter-Jacke: Friedhelm Funkel hatte statt des Sonntagsanzugs die zweckmäßige Outdoor-Montur für seinen 917. Einsatz als Cheftrainer gewählt und gut daran getan. Die meiste Zeit stand er in der kühlen Zugluft, die stetig durch die BayArena wehte, und beobachtete stoisch das Geschehen. Wie sein eigenes Denkmal schaute er aus. Spiele wie dieses hatte er schon oft gesehen: Die einen haben alles im Griff, machen das Spiel und erarbeiten sich eine Chance nach der nächsten - die anderen schießen die Tore.

Funkels Comeback beim 1. FC Köln geht schief

Bloß waren die Rollen bei Funkels Comeback aus dem Ruhestand falsch verteilt: Die aktive und angreifende Mannschaft war die des Tabellenvorletzten, das Team mit dem Dusel-Faktor und den glücklichen Momenten war das des Europacup-Anwärters, und so gab es ein Ergebnis, das gemäß dem Spielverlauf einer Falschmeldung glich.

Bayer Leverkusens 3:0-Sieg gegen den 1. FC Köln schuf trotzdem harte Tatsachen im Tabellenbild: Bayer bestätigte die Anwartschaft auf Europa, die Kölner sitzen noch ein bisschen tiefer im Keller. FC-Kapitän Jonas Hector hatte für das widersprüchliche Geschehen eine Erklärung: "Das ist relativ einfach: Wir haben die Gegentore zu einfach hergegeben, das hat uns das Genick gebrochen."

Wie Funkel den Auftritt seiner Spieler bewertet, das ist nun eine Frage der Sichtweise: Ermutigend war, wie die Kölner das Spiel in die Hand nahmen, die Zweikämpfe führten und den Ball ins Angriffsdrittel brachten. Mindestens beunruhigend war die Ausbeute ihrer Anstrengungen. Sie hätten wohl noch bis zum Anbruch der neuerdings in Köln geltenden Ausgangssperre weiterspielen können, ohne ein Tor zu erzielen. Der erfahrene Trainer zog es anderntags erwartungsgemäß vor, die Lage nicht schwarzzumalen. "Die Tabelle ist so, wie sie ist. Aber die Mannschaft ist mental stark, sonst hätte sie diese Leistung nicht hinbekommen."

Funkel, 67, ist außer für seinen erbarmungslosen Fußball-Realismus auch für seinen Sportsgeist, seine Kollegialität und seine Friedfertigkeit bekannt. Einen Funkel-Skandal sucht man in den Archiven vergebens, obwohl er bald 50 Jahre im Profifußball weilt. Am Samstag aber hat der Coach durch einen Satz, den er gar nicht gesagt hat, für Aufruhr gesorgt wie nie zuvor. In Sekundenschnelle erhoben sich im sogenannten Netz die Empörten und riefen "Rassismus", die Medien meldeten einen 1-A-Shitstorm, der Verein trat am Abend in Beratungen ein.

Ausgangspunkt war ein Moment der Sprachlosigkeit, als Funkel in einem TV-Interview über das hohe Leverkusener Tempo und die spielentscheidenden Flügelspieler Moussa Diaby und Leon Bailey sprach: "Sie haben eine enorme Schnelligkeit durch ihre, äh, ja, den ein oder anderen Ausdruck darf man ja nicht mehr sagen", sagte der Trainer. Und setzte lächelnd fort: "Durch ihre Spieler, die halt so schnell sind."

Ein Rassist? Das überrascht Funkel - und macht ihn auch "ein Stück weit traurig"

Ja, diese Äußerung hat Internet-Moralisten genügt, um Funkel als Rassisten zu brandmarken, was den Betroffenen nach eigenen Angaben nicht nur überrascht, sondern auch "ein Stück weit traurig gemacht" hat. Dennoch bat er für eventuelles Missverstehen um Entschuldigung.

Nachdem sich Mittelstürmer Sebastian Andersson erneut wegen Knieproblemen hatte abmelden müssen, hatte Funkel den von seinem Vorgänger Markus Gisdol ausdrücklich verschmähten Ersatzangreifer Emmanuel Dennis aufgeboten. Der 23 Jahre alte Nigerianer gab sich alle Mühe, den Nachweis von Bundesligatauglichkeit vermochte er aber nicht zu erbringen, und damit hatten die Kölner nicht nur ein Problem mit Bailey & Diaby, sondern auch eins mit dem eigenen Angriff. Was am Ende zum Erfolg gefehlt habe, wurde Jonas Hector gefragt: "Tore!", rief er aus.

Trainer des 1. FC Köln: Höhepunkt einer starken Vorstellung: Leon Bailey (in Schwarz) legt mustergültig das 2:0 für Leverkusen auf. Das 1:0 und das 3:0 erzielte der Jamaikaner selbst.

Höhepunkt einer starken Vorstellung: Leon Bailey (in Schwarz) legt mustergültig das 2:0 für Leverkusen auf. Das 1:0 und das 3:0 erzielte der Jamaikaner selbst.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Ein konkurrenzfähiger Stürmer in der Spitze hätte den Kölnern gegen eine unbelebte Bayer-Elf gutgetan. Die Hausherren begannen mit Baileys frühem 1:0 eindrucksvoll, der Treffer kam einem aber bald wie ein Irrtum vor. Führte wirklich der Favorit? Anstatt den Schwung zu nutzen, zog sich Bayer zurück. Dahinter mochte man einen cleveren Konter-Plan vermuten, tatsächlich war Planlosigkeit der Grund. Bayer fiel nichts ein, die südamerikanische Mittelfeldzentrale mit Ezequiel Palacios und Charles Arranguiz entwickelte keinerlei Spielkontrolle.

So übernahmen die Kölner die Partie. Max Meyers Ballsicherheit, die raumfüllende Präsenz von Jonas Hector und die Ideen von Florian Kainz verschafften dem Abstiegskandidaten Feldüberlegenheit und ordentliche Torgelegenheiten. Unter anderem setzte der energische Hector einen Schuss so hart an die Latte, dass Materialbruch drohte. Das Bild setzte sich in der zweiten Halbzeit fort. Wieder schoss der Kölner Kapitän, neben den anderen Jobs als Abräumer und Antreiber inzwischen auch als Mittelstürmer tätig, zwei Handbreit daneben.

Sein Zorn war bis unters Tribünendach zu spüren. Doch das Schlimmste kam erst noch: Nach einer Kölner Ecke startete Bayer zweimal vergeblich zum Konter, der dritte von einem FC-Spieler abgewehrte Versuch aber geriet zum Flipperball, der sich wie ein Traumpass in Baileys Laufweg fügte. Im Strafraum angekommen, bediente er Diaby zum 2:0. (51.). Da habe man "nicht gut gestanden", bilanzierte Funkel später. Diese Analyse erregte nicht mal die Leute im "Netz".

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