Bevor Friedhelm Funkel im Schnelldurchlauf über das zurückliegende Spiel sprach und dabei sogar noch eine kleine Motivationsrede für den nun ebenfalls wieder ziemlich abstiegsbedrohten FC Augsburg einstreute, bat der Trainer des 1. FC Köln um Entschuldigung. Er könne leider keine Fragen beantworten, weil die Zeit dränge, sagte er, "wir müssen sofort zum Flughafen. Sonst können wir nicht mehr starten."
Funkel ließ einige Sätze über den 3:2 (3:0)-Sieg seiner Mannschaft und deren "überragende erste Halbzeit" in Augsburg folgen, ehe er dem FCA die besten Wünsche für die kommenden Wochen im Abstiegskampf übermittelte. "Vielen Dank. Tschüss", sagte Funkel am Ende. Er winkte zum Abschied, sprang auf und entschwand in die Freitagnacht.
Funkels fluchtartiger Aufbruch fügte sich als passender Abschluss in das Bild eines Abends, den die Kölner eröffnet hatten im Stile eines Überfallkommandos, das keine Zeit mehr zu verlieren hat - die Stresssituation in seinen Existenzkampf aber in Leichtigkeit umwandelt. Jedenfalls ließ sich in der ersten Halbzeit ein erstaunlicher Vortrag der Kölner voller spielerischer Eleganz bestaunen, der fast wirkte wie eine jener Übertreibungen, die den die Effzeh-Fans in ihrer schnell aufkommenden Euphorie nachgesagt wird.
"Köln lebt auf jeden Fall", sagt Torschütze Kainz
Die Kombinationen, die gut abgestimmte Struktur im Spiel und vor allem die "fantastischen Tore" (Funkel) von Ondrej Duda (8. und 33. Minute) sowie von Florian Kainz (23.) sahen jedenfalls aus, als bewerbe sich Köln um den Einzug in die Europa League, mindestens sogar. Tatsächlich allerdings ermöglichte diese bemerkenswerte erste Halbzeit nur den fast schon überlebenswichtigen Sieg im Abstiegskampf samt Sprung auf Relegationsplatz 16. Zudem war zumindest vorerst der Anschluss ans untere Mittelfeld der Tabelle hergestellt, womit Kölns Hoffnung auf die direkte Rettung vor den drei verbleibenden Partien gegen Freiburg, bei Hertha BSC und gegen Schalke durchaus berechtigt erscheint.
"Köln lebt auf jeden Fall", sagte der Torschütze Kainz bei DAZN nach dem zweiten Sieg im dritten Spiel unter Funkel. Der Trainer bestätigte den Eindruck der neuen Kölner Vitalität, bremste allerdings umgehend. "Wir haben noch nichts erreicht. Wir haben 29 Punkte, die reichen nicht, um in der Bundesliga zu bleiben", erinnerte er vorsichtshalber, "wir müssen weiter dranbleiben."
Dass sich euphorische Gedanken trotz der Siege gegen Leipzig (2:1) und nun in Augsburg verbieten, belegte allein schon die zweite Halbzeit, in der Köln fast ausschließlich verteidigt hatte und sogar einen Rettungskopfball von Ellyes Skhiri auf der Linie (72.) und etwas Glück in Anspruch nehmen musste, um nicht noch den Ausgleich zu kassieren. Zuvor hatten der eingewechselte Robert Gumny (54.) und Ruben Vargas (62.) für Augsburg getroffen.
Und zur Wahrheit der Kölner Glückseligkeit gehörte ja auch, dass die Mannschaft des FCA in der ersten Halbzeit äußerst desolat aufgetreten war. Der an allen Toren beteiligte Duda wurde bei seinem hübschen Volleyschuss aus 17 Metern in den Winkel zum 1:0 ebenso wenig gestört wie später Kainz und erneut Duda im Strafraum beim 0:2 und 0:3.
Funkel sah es seinem Team nach, dass es in der zweiten Halbzeit noch einmal ins Wanken geraten war. Er verwies auf die schwindenden Kräfte im dritten Auftritt innerhalb von sieben Tagen, "die Spieler sind wirklich an ihre Grenzen gegangen". Und mit fast schon großväterlicher Milde befand er, dass man nach einem 3:2-Sieg in Augsburg auch mal "über das ein oder andere hinwegsehen" könne.
Später, bei seinen eilig vorgetragenen Einschätzungen auf der Videokonferenz, band Funkel sogar den FC Augsburg in seine Rettungsmission ein: Er sei überzeugt, dass der FCA mit Leistungen wie in der zweiten Halbzeit noch "den ein oder anderen Sieg" schaffen und damit die Versetzung erreichen werde. Und ohnehin sei es sein Wunsch, dass sich Köln und Augsburg in der kommenden Saison in der Bundesliga wiedersehen. "Heiko und ich werden uns nicht mehr wiedersehen, weil ich nicht mehr dabei bin", fügte Funkel noch an. Die Rettungsmission des 67-Jährigen war von vornherein nur auf die sechs letzten Partien dieser Saison begrenzt.
Augsburgs Manager Stefan Reuter vermeidet ein Bekenntnis zu Trainer Heiko Herrlich
Ob Augsburgs Trainer Herrlich die Mannschaft in den verbleibenden drei Spielen in Stuttgart, gegen Bremen und beim FC Bayern noch anleitet, erscheint allerdings sehr fraglich. Manager Stefan Reuter jedenfalls vermied diesmal ein Bekenntnis zu dem Fußballlehrer, den er bisher trotz vieler enttäuschender Spiele stets gestützt hatte. "Ich schätze Heiko unglaublich, aber erlauben Sie mir, dass wir uns jetzt das Wochenende Zeit nehmen", sagte Reuter und ergänzte: "Man ist gut beraten, so etwas sacken zu lassen, eine Nacht drüber zu schlafen und sich dann zusammenzusetzen und zu überlegen, wie wir die letzten drei Spiele angehen."
Die erste Halbzeit jedenfalls sei "erschreckend" gewesen. Herrlich hatte zuvor eine "desaströse Zweikampfquote" beklagt und gerätselt, wie es zu dieser Wehrlosigkeit kommen konnte. Die Kölner hatten davon profitiert. Und wenn man so will, hielt sogar ihre schwächere zweite Halbzeit eine Botschaft bereit, die zwar nicht so schön anzusehen war, aber weitere Hoffnung stiftete: Sie können nicht nur hübsch spielen, sondern auch kämpfen.