1. FC Köln:Ein halbes Jahr ohne Sieg

1. FC Köln - 1899 Hoffenheim

Kölns Trainer Markus Gisdol beobachtet seine Mannschaft beim Spiel gegen Hoffenheim.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Drei Tore von Andrej Kramaric bescheren Hoffenheim einen späten 3:2-Sieg in Köln. "Es ist schwer, das zu akzeptieren", sagt FC-Trainer Markus Gisdol.

Von Milan Pavlovic, Köln

Es gibt Spiele, bei denen neigt sich die Waage stets zu einer Seite, ganz egal, wie entschieden sie justiert worden ist. Für den 1. FC Köln war die Auftaktpartie gegen die TSG Hoffenheim von dieser Art. Das fing schon an, bevor der Ball überhaupt rollte: als die heiß ersehnte Rückkehr der Zuschauer ins Müngersdorfer Stadion am Freitag wegen steigender Infektionszahlen kassiert wurde. "Als ich die Meldung hörte", sagte FC-Trainer Marcus Gisdol, "habe ich den Fernseher sofort ausgemacht." Es folgte ein kurioses Spiel mit Tiefen und Höhen, an deren Ende ein 2:3 (1:2) stand, das nicht bloß Sebastian Hoeneß ein ertragreiches Debüt als Bundesliga-Trainer bescherte - sondern auch die Kölner Minusserie auf dramatische Weise verlängerte: Der bislang letzte Bundesliga-Sieg liegt mehr als sechs Monate (und elf Spiele) zurück. "Es ist schwer, das zu akzeptieren", sagte Gisdol, "vor allem, weil wir in der zweiten Halbzeit so viel richtiggemacht haben."

Gleich zu Beginn machte ausgerechnet der sonst so solide Jonas Hector aber etwas falsch, er spielte den Ball viel zu lasch zu seinem Torwart zurück, der Hoffenheimer Andrej Kramaric spritzte dazwischen, blieb mit einigem Glück gegen Timo Horn am Ball und deponierte diesen nach nicht einmal 180 Sekunden im Kölner Tor.

Die Gäste arbeiteten mit einem offensichtlichen Rezept: lange Bälle in die Spitze, gerne hinter die letzte Kölner Linie, und wenn die Bälle festgemacht werden konnten - was oft geschah -, wirbelten die Hoffenheimer am liebsten auf der linken Seite, wo der Kölner Marco Höger mit einer eigenwillig luftigen Interpretation seiner Rechtsverteidiger-Position auffiel. Nach 21 Minuten hatten die Gäste zwei weitere hochkarätige Chancen vergeben (jeweils von Horn vereitelt), Kölns neuer Mittelstürmer Sebastian Andersson hatte so gut wie keinen Ball berühren dürfen.

Kölns Zugänge Andersson und Duda zeigen gute Ansätze

Aber Fußball ist kein logisches Spiel, und so führte der erste durchdachte Kölner Angriff zum 1:1. Thielmanns schöne Rechtsflanke vom linken Flügel verlängerte Andersson mit seinen Haarspitzen und änderte dezent, aber entscheidend die Richtung des Balls. Der Ausgleich verhöhnte die Bemühungen der Hoffenheimer, die fortan von Zweifeln übermannt wurden. Auf der Kölner Seite setzten sich die Spätsommereinkäufe Duda und Andersson nun wiederholt in Szene: der eine mit Ruhe und Präzision, der andere mit cleveren kleinen Stoßstürmermanövern.

Dennoch ging der FC mit einem Rückstand in die Kabine, nach einer fatalen Begegnung mit einem alten, in Köln besonders unbeliebten Bekannten: dem Video-Beweis. Hatte Verteidiger Czichos tatsächlich den Hoffenheimer Baumgartner am Fünfmeterraum gefoult? Schiedsrichter Daniel Siebert winkte zunächst ab; dann lauschte er dem Video-Assistenten Frank Willenborg, der sich offenbar nicht ganz sicher war - kein Wunder, weil es keine eindeutige Deutung des Geschehens gab. Also ließ sich Siebert überreden, die Szene auf einem Monitor am Spielfeldrand selbst zu begutachten. Obwohl keine gravierende Fehlentscheidung vorlag, revidierte der Unparteiische sein Verdikt. Kramaric erzielte das 2:1 für die Gäste (45.+2).

Die Kölner kehrten mit Wut im Bauch zurück. In den zehn Minuten nach dem Wechsel entfachten sie eine Wucht, die an die gute Phase der Vorsaison erinnerte, als der FC vor der Corona-Krise die rettenden Punkte für den Klassenerhalt erspielte. Die Gastgeber kamen zu klaren Chancen, während Hoffenheim seltsam passiv wurde, als sei man sich des Sieges sicher und müsste nichts mehr tun. Man habe sich einschüchtern lassen, sagte Hoeneß später. Die gerechte Strafe für diese ängstliche Art des Verwalterfußballs: das späte 2:2 des eingewechselten Dominik Drexler (86.), der nach einem Freistoß zur Stelle war, als ein Kopfball von Andersson vom Pfosten vor seine Füße kullerte.

Erst jetzt suchten die stark besetzten Hoffenheimer, die die Bundesliga schließlich in der Europa League vertreten, noch einmal den Weg nach vorne. Und weil die Kölner "nicht cool genug blieben" (Gisdol), sondern sich nach hinten drängen ließen, kam es zu einer feinen Kombination über Kaderabek und den eingewechselten Gacinovic, an deren Ende natürlich Andrej Kramaric stand und der Ball im Netz zappelte. Ganz zufrieden war der Torschütze aber nicht: "Das war Glück, das kann Hoffenheim viel besser", sagte er. "Das ist nicht genug, wenn wir weiter so spielen. Wenn wir nächste Woche so gegen die Bayern spielen, dann gibt es ein Schalke-Ergebnis."

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