1. FC Köln:Der Geißbock wendet sich mit Grausen

1. FC Köln - Peter Stöger

Wirkt niedergeschlagen wie selten zuvor: Kölns Trainer Peter Stöger.

(Foto: dpa)
  • Peter Stöger bleibt trotz des 0:2 gegen Berlin, der elften Niederlage im 13. Spiel, Trainer des 1. FC Köln, vorerst zumindest.
  • Allerdings heißt es, dass die Vereinsführung den Trainer bereits vor dem Sonntag informiert habe, zur Wahrung der eigenen Handlungsfähigkeit mit anderen Kandidaten zu sprechen.
  • Indes ist die Wahrscheinlichkeit gesunken, dass Horst Heldt neuer Sportdirektor der Kölner wird.

Von Sebastian Fischer, Köln

Es gibt sie noch, hoffnungsvolle Kölner, doch es sind wenige. Als Peter Stöger am Montagmorgen im kalten Regen den Trainingsplatz am Geißbockheim verließ, verharrten am Spielfeldrand zwei Fans und warteten auf ihn, sie baten den Trainer des 1. FC Köln um Autogramme. Stöger, eine Kappe zum Schutz gegen die Witterung ins Gesicht gezogen, unterschrieb, sagte den zur Krisenberichterstattung anwesenden Journalisten kurz, dass er für Fragen über die Gespräche zur Zukunft des Vereins nicht der richtige Ansprechpartner sei, "das müssen Sie die Verantwortlichen fragen". Dann ging er in die Kabine. Ob er noch zu jenen hoffnungsvollen Kölnern gehört, war nicht zu klären.

Später teilte der mit neun Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz abgeschlagene Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga mit, dass Stöger trotz des 0:2 gegen Berlin, der elften Niederlage im 13. Spiel, Trainer der Kölner bleibt, vorerst zumindest. Er werde am Samstag auf der Bank sitzen und die Elf auf das Spiel in Schalke vorbereiten, sagte Geschäftsführer Alexander Wehrle.

Doch wie dem Trainer das erfolgreich gelingen soll, ist ein Rätsel, das in der Stadt kaum noch jemand ernsthaft zu lösen versucht. Die Kölner im Stadion, die am Vorabend kurz vor Schluss noch nicht den Heimweg angetreten hatten, sangen lieber die kölsche Hymne "En unsrem Veedel". So wie sie es immer machen, wenn sie die Gefühle überwältigen, es waren diesmal negative. "Wie soll dat nur wigger jon?", so beginnt das Lied. Wie soll das nur weitergehen?

Das nächste Bild der Hilflosigkeit

Es ist ja nicht nur so, dass die Kölner Mannschaft vor einem halben Jahr noch zu den fünf besten in Deutschland zählte. Seither ist zu viel passiert, um diesen Bezug noch schlüssig herstellen zu können. Aber ein großer Teil der Mannschaft hatte noch am Donnerstag in einem Europapokalspiel durch großen Kampf den FC Arsenal 1:0 besiegt. Und es waren nicht die - aufgrund der zehn Spieler langen Verletztenliste - in die Mannschaft rotierten Reservisten wie der 16 Jahre alte Verteidiger Yann Aurel Bisseck, die den Geist der Kölner Niederlage verkörperten. Bisseck, der zweitjüngste Debütant der Bundesliga-Geschichte, spielte nahezu fehlerfrei.

Etablierte Fußballer wie Milos Jojic dagegen wandelten apathisch über den Rasen. Der Mittelfeldspieler, eigentlich verantwortlich für so etwas wie Ordnung, spielte beim Stand von 0:1, als die Stimmung von Mut in Verzweiflung überging, zwei unglaubliche Fehlpässe - mit der Hacke. Lukas Klünter, der talentierte Rechtsverteidiger, stolperte den Ball zunächst ins eigene Toraus, um dann beim anschließenden Eckball das Abseits aufzuheben, so fiel das 0:1 nach 17 Minuten.

Als Berlins Torschütze Ibisevic jubelnd zur Eckfahne lief, wandte sich gar Geißbock Hennes am Seitenrand ab. Vor dem Strafstoß zum 0:2 trat Kapitän Matthias Lehmann Berlins Stürmer Selke so offensichtlich, dass es das nächste Bild der Hilflosigkeit ergab. Und in Richtung zum gegnerischen Tor fällt dem Team, das nach 13 Spielen erst vier Treffer erzielt hat, seit Wochen nichts mehr ein.

Erinnerungen an beinahe vergessene, von Hochmut geprägte Tage

Lehman schilderte später mit drastischer Wortwahl die sportpsychologisch bedenkliche Lage der Mannschaft, die Siege gerade praktisch unmöglich macht, zumal nach frühem Rückstand. Lehmann sagte: "Irgendwann bist du vom Kopf her am Arsch. Wenn du so viele Schläge in die Fresse kriegst, zermürbt dich das irgendwann. Das macht dich kaputt." Und zu Stögers Zukunft sagte er: "Es ist nicht meine Aufgabe, den Trainer zu köpfen. Das ist Aufgabe der Leute oben oder vom Trainer selbst."

Stöger selbst wirkt niedergeschlagen wie selten zuvor, er schloss aber nach dem Spiel wie seit Wochen seinen Rücktritt aus. "Ich weiß nicht, ob jemand anderes wahnsinnig große Ideen hätte", sagte er. Doch zu seinen eigenen Ideen fiel ihm auch nicht viel mehr ein, außer das Vertrauen zwischen Trainer und Mannschaft zu betonen. Der Vorstand, so schrieben es die Kölner Zeitungen, beriet sich vor der vorläufigen Entscheidung zugunsten von Stöger in der Nacht im Haus von Präsident Werner Spinner. Allerdings heißt es, dass die Vereinsführung den Trainer bereits vor dem Spiel am Sonntag informiert habe, zur Wahrung der eigenen Handlungsfähigkeit mit anderen Kandidaten zu sprechen.

Zur Handlungsfähigkeit gehört auch, demnächst einen Sportdirektor als Nachfolger des vor Wochen zurückgetretenen Jörg Schmadtke zu verpflichten. Doch noch bevor sich die Ernüchterung ob der nächsten Niederlage breit machte, war die Wahrscheinlichkeit eher gesunken, bald den Wunschkandidaten Horst Heldt in Köln einzustellen. Da sagte Vizepräsident Toni Schumacher nämlich im Sky-Interview über Heldts aktuellen Arbeitgeber Hannover 96: "Wir haben natürlich mitbekommen, dass in Hannover in der Führungsriege so einige Dinge nicht stimmen." Er spielte auf einen Streit Heldts mit seinem Kollegen Martin Andermatt an. Hannovers Präsident Martin Kind reagierte, indem er Schumachers Äußerungen "niveaulos" nannte - und eine Freigabe für Heldt ausschloss. Schumachers Auftritt erinnerte an in Köln beinahe vergessene, von fahrlässigem Hochmut geprägte Tage.

Zum alten FC passte auch eine Fan-Reaktion am Sonntag nach dem Spiel. Früher, als Abstiege und Aufstiege noch die Gewohnheit waren, begleiteten die Anhänger ihren Klub stets mit Ironie und Fatalismus. Nun luden sie in den sozialen Netzwerken vorsorglich zur Wiederaufstiegsfeier am 12. Mai 2019 ein. Tausende bekundeten innerhalb weniger Stunden ihr Interesse.

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