1. FC Köln:Das Gegenteil von rheinischer Leichtigkeit

1. FC Köln - FC Augsburg 30.11.2019. Trainer Markus Gisdol (1. FC Köln) am Spielfeldrand. DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY

Mittendrin in der Kölner Herbsttrübsal: Der neue Trainer Markus Gisdol wartet auf Fortschritte.

(Foto: Schröder/Horstmüller/imago)

Vor dem Derby gegen Leverkusen blickt der 1. FC Köln auf eine lange Problemliste. Trainer Gisdol hat die Themen längst erkannt, stabilisieren konnte er das Team bislang aber nicht.

Von Philipp Selldorf, Köln

Armin Veh hat die Stadt zügig verlassen, nachdem er sich mit dem 1. FC Köln darauf verständigt hatte, seinen Vertrag als Geschäftsführer aufzulösen. Danach suchte er auf der Kanaren-Insel Fuerteventura ausgiebig Abstand vom mühseligen Geschehen, im öffentlichen Kölner Leben ist er nicht mehr in Erscheinung getreten. Vehs Hinterlassenschaften aber sind weiter gegenwärtig: in Gestalt der von ihm zusammengestellten FC-Mannschaft, die seit Sonntag den letzten Tabellenplatz einnimmt - und in Form eines Satzes, der führende Klubvertretern noch so ständig präsent ist, als hätte ihn Veh eben erst ein weiteres Mal ausgesprochen. Der Satz lautet: "Die Qualität reicht aus für die erste Liga, da mache ich mir gar keine Sorgen."

Diesen fachlichen Befund hatte der diplomierte Fußball-Lehrer Veh, 58, in den unbeschwerten Zeiten des Saisonstarts im Sommer wieder und wieder nach außen und nach innen getragen. Inzwischen gibt es Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Veh tut womöglich gut daran, auf der Insel im Atlantik dem Kölner Diskurs fernzubleiben, sein Werk als Sportchef wird kritisch gesehen. Dabei werden ihm von berufener Seite weniger Fehleinkäufe vorgehalten als grundlegende Fehleinschätzungen in der Bewertung der Kader-Statik.

Neulinge wie der Belgier Birger Verstraete, 25, dessen Landsmann Sebastiaan Bornauw, 20, oder der Franko-Tunesier Ellyes Skhiri, 24, haben ihre Fähigkeiten schon bewiesen. Aber sie gehen verloren in einem Team, das bisher keines war. Die aktuelle Mannschaft bietet kein intaktes Milieu, um Fremde oder auch junge Spieler aus den Kölner Nachwuchsteams zu integrieren. Und auch die passionierte Anhängerschaft bietet den Spielern keine emotionale Geborgenheit, aus Enttäuschung ist Misstrauen, aus Skepsis Desillusionierung geworden. Von rheinischer Leichtigkeit ist nichts zu spüren, wenn in der Stadt zur Zeit über den FC gesprochen wird.

Als sich Horst Heldt und Markus Gisdol vor drei Wochen als neues Führungsduo präsentierten, war ihnen Freude über die Berufung anzusehen. Gisdol hatte lang auf eine neue Trainerstelle gewartet, Manager Heldt wähnte sich heimgekehrt in den Klub seiner Jugend. An dieser Freude war nichts gekünstelt, doch beiden war klar, dass sie eine extrem schwierige Aufgabe angenommen hatten. "Wir müssen Ideen entwickeln, wie wir wieder eine Gemeinschaft werden, das fühlt sich von außen betrachtet nicht so an", hatte Heldt an seinem ersten Arbeitstag bereits angemerkt, doch trotz dieser problembewussten Einschätzung haben ihn die ersten Wochen ernüchtert. Die Ferndiagnose hat sich viel mehr bewahrheitet, als er es befürchtet hatte.

Die Kölner Mannschaft ist sicher nicht schlechter besetzt als die Teams der Mitaufsteiger SC Paderborn und Union Berlin, aber sie besteht aus Bauteilen, die nicht ineinandergreifen. Da gibt es die Fraktion jener Profis, die mit Peter Stöger und Jörg Schmadtke selige Zeiten am Geißbockheim erlebt haben; es gibt die Spieler, die mit Trainer Markus Anfang aus Kiel gekommen waren; es gibt die Nachwuchskräfte und die Neulinge. Doch das gibt in der Summe keinen Mehrwert, sondern Abzüge aufs Ganze. Das vermeintliche Luxusangebot mit der Auswahl der Angreifer Modeste, Terodde und Cordoba erweist sich als inkompatibles Konstrukt, das obendrein negativ ins gemeinschaftliche Offensivspiel wirkt.

Gisdol hat diese Themen längst erkannt, seine Versuche, das Teamgebilde zu stabilisieren, etwa durch die Hereinnahme des loyalen und routinierten, aber auch merklich angejahrten und entschleunigten Abräumers Marco Höger, schlugen jedoch fehl. Högers Art der notfalls auch raubeinigen Gegenwehr wird allerdings benötigt, um zumindest eine Kerndisziplin des Abstiegskampfes zu erfüllen: Das Team habe in Sachen Einsatzwille "Nachholbedarf", mahnte Gisdol nun vor dem Treffen mit dem rechtsrheinischen Nachbarn Leverkusen (Samstag). Ausgerechnet die Kölner sind die Mannschaft mit der bescheidensten Laufleistung der Liga, was aber wohl weniger auf die physischen Voraussetzungen als auf den psychologischen Zustand zurückzuführen ist.

Während Gisdol beim Publikum nicht viel Kredit besitzt, hat er sich innerhalb des Klubs Anerkennung verschafft. Seine Herangehensweise wird als professionell und pragmatisch beschrieben, der Trainer sei klar im Auftreten gegenüber der Mannschaft und arbeite an den richtigen Schwerpunkten. Dass ihm die Fans keine überwältigende Zuneigung entgegenbrächten, darüber zeigt sich Gisdol nicht gekränkt.

So ist zumindest der Coach für den schweren Gang gegen Leverkusen gewappnet. Aber die Mannschaft? Wie Armin Veh würde auch Kapitän Jonas Hector die Frage nach der Qualität prinzipiell positiv bejahen. Das Problem sei "der Kopf", sagt er. Hectors Lösungsvorschlag gibt das Rezept des Abstiegskampfes wieder: "Erarbeiten, erzwingen, erkämpfen - irgendwie." Der FC kommt von unten, dort muss er auch wieder anfangen.

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