1. FC Köln:Daheim fremdeln

1. FC Koeln v FC Augsburg - Bundesliga

Leichtes Spiel: Der Augsburger Iago genießt den Freiraum, den Marius Wolf (links) ihm bietet und schiebt zum Siegtor in Köln ein, vorbei an FC-Torwart Timo Horn (rechts).

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Etwas Gift und Galle genügen Augsburg, um Köln in Schach zu halten.

Von Milan Pavlovic, Köln

Es gibt in der Bundesliga zwei Sorten von Gegnern, mit denen man es nicht zu tun haben möchte: jene Klubs, die einfach zu gut sind; und jene, die "schwer zu bespielen" sind, wie es im Fußballdeutsch inzwischen gerne heißt. In dieser Kategorie nimmt der FC Augsburg eine Sonderrolle ein. Denn es ist nicht bloß eine körperliche Herausforderung, gegen die unermüdlichen Meilensammler zu bestehen, sondern immer auch eine mentale, gegen den Klub, der sich am liebsten als allzu streng behandelter Underdog in Szene setzt. Ständig kommt es zu Unterbrechungen, erhitzten Gesprächsrunden auf dem Feld und daneben, denn an der Seitenlinie tobt oft Manager Stefan Reuter, als gäbe es dafür Extrapunkte.

Dieses Betragen ist in der Bundesliga fast überall verbreitet, aber niemand versteht sich auf die zersetzende Kraft des Psychozoffs so gut wie die Augsburger, das war auch beim glücklichen, aber nicht einmal unverdienten 1:0-Sieg in Köln zu sehen. Selbst der im Sommer von Schalke 04 gekommene Daniel Caligiuri hat die Debattenkultur längst übernommen: In der fußballerisch armen ersten Halbzeit verstrickte er einmal den Linienrichter in ein Gespräch, wo der Ball beim Eckball liege dürfe.

Kein Klub kommt mit den Augsburgern so wenig klar wie der FC: Von den bisher 13 Erstligaduellen hat Köln gerade mal eines gewonnen, bald ist es zehn Jahre her, dass beim 3:0 ein Spieler namens Lukas Podolski zwei Treffer beisteuerte. Der laberte bekanntlich nicht lange rum, sondern donnerte den Ball ins Tor. Das war am Samstag ganz anders: "Wir haben uns viel zu sehr beeinflussen lassen von den ganzen Diskussionen", sagte der Kölner Salih Özcan nach dem 0:1. "Dadurch haben wir uns nicht zu hundert Prozent auf unsere Arbeit konzentriert. Und dadurch haben wir am Ende das Spiel verloren." Der Augsburger Marco Richter plauderte aus dem Nähkästchen, als er zugab: "Auf dem Feld herrscht teilweise Krieg. Wir sind der FCA, wir wollen das Spiel gewinnen. Nach dem Spiel wird sich die Hand gegeben, und alles ist gut."

Marius Wolf patzt vorne und hinten

Kein Wunder also, dass der Kölner Marius Wolf sich veranlasst sah, über die Härte und Provokationen der bayerischen Schwaben zu klagen. Sein Trainer wollte nichts davon hören. "Da gibt's nichts zu jammern", sagte Markus Gisdol, "sondern da gilt es, klare Kante zu zeigen und dagegenzuhalten. Das ist Profi-Sport, da musst du für alles gewappnet sein. Das war heute nicht die Erklärung für das 0:1."

Eher schon war der ebenso eifrige wie glücklose Marius Wolf die Erklärung für das Ergebnis. Von den drei erwähnenswerten Kölner Gelegenheiten vergab er die beiden besten. Zunächst entschärfte Augsburgs Keeper Rafal Gikiewicz einen abgefälschten Linksschuss (54.). Und als Wolf nach einem ungenügend geklärten Freistoß unbedrängt aus zwölf Metern zum Abschluss kam, rutschte dem 25-Jährigen der Ball über den Spann, weshalb der Schuss knapp neben das Tor flog (69.). Besser wurden die Kölner Ideen und Abschlüsse danach nicht, der offensive Spielfluss erlahmte völlig nach der Hereinnahme der einstigen Kölner Tormaschine Anthony Modeste.

Vielleicht sollte man an solchen Nachmittagen dann mit einem Punkt zufrieden sein. Stattdessen luden die Kölner die Gäste zu mehr ein. Daniel Caligiuri ließ auf dem rechten Flügel gefühlt zehn Gegner stehen (77.), steckte dann geschickt durch zur Strafraumgrenze zum umtriebigen Florian Niederlechner, der flott und scharf nach innen passte, wo sich Iago im Rücken der Abwehr freigestohlen hatte und locker aus vier Metern das Tor erzielte. Sein düpierter Bewacher? Marius Wolf.

Kölns Trainer Markus Gisdol zeigt ein bisschen viel Nachsicht

Trotzdem sah Gisdol nicht alles schlecht. "Wenn wir das 1:0 erzielen, bin ich sicher, dass wir gewinnen, es war heute einfach so ein Spiel", sagte er. "Wir hatten ja die nötigen Chancen dazu, deshalb will ich mit meiner Mannschaft nicht zu hart ins Gericht gehen." Das war sehr nachsichtig angesichts der Tatsache, dass den Kölnern aus dem Spiel heraus kaum etwas einfiel und der Ball spätestens nach drei, vier Kontakten wieder beim Gegner landete. "Wir mussten defensiv vor allem bei Standards aufpassen und offensiv geduldig sein", sagte Augsburgs Trainer Heiko Herrlich zum relativ überschaubaren Matchplan. "Das ist gelungen." Augsburg hat zur Belohnung einen Vorsprung von neun Punkten auf den Relegationsrang erarbeitet.

Für die Kölner hingegen ist der zarte Aufschwung vor dem Weihnachtspäuschen schon wieder passé. So wird der Blick frei auf garstige Fakten. Denn im langen Schatten der Schalker Negativ-Serie hat Köln selbst einen beachtlichen Minusrekord in der langen Bundesligahistorie des Vereins aufgestellt: Aus acht Heimpartien in dieser Spielzeit gab es gerade einmal zwei Punkte; der bisher letzte Sieg im Müngersdorfer Stadion wurde am 29. Februar 2020 gefeiert (natürlich gegen Schalke 04), kurz vor der Corona-Zwangspause. Danach liefen 13 Versuche ins Leere. Und das 0:1 gegen Augsburg war ein verheerender Start in einen Monat mit Partien gegen Hertha BSC, Schalke 04 und Arminia Bielefeld, drei direkte Konkurrenten im Abstiegskampf. Vielleicht am schlimmsten: Zwei dieser drei Partien finden im eigenen Stadion statt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: