Köln in der Bundesliga:Der Effzeh sucht die Folklore

1. FC Köln

Geißbock Hennes ist noch da, doch der 1. FC Köln verändert sich.

(Foto: Marius Becker/dpa)
  • Der 1. FC Köln residiert noch im malerisch gelegenen Geißbockheim, doch folkloristisch scheint der Verein weitgehend entkernt zu sein.
  • Das neue Vorstandstrio ist eine Ansammlung rheinischer Geschäftsleute mit FC-Fan-Vergangenheit und wenig praktischer Profifußballerfahrung.
  • Die Mannschaft befindet sich noch in der Findungsphase.

Von Philipp Selldorf, Köln

Erich Rutemöller sagt, die Sache werde "viel zu hoch gehängt", ihm ist der Rummel ein wenig peinlich. Dabei hält sich der Rummel eigentlich noch in Grenzen. Dass Rutemöller, 74, seine Aufgabe als Vorstandsberater bei Fortuna Düsseldorf gegen den Job als Vorstandsberater beim 1. FC Köln eintauscht, hat zwar nicht nur die Lokalpresse dazu animiert, den Vorgang zum politischen Vorfall zu erklären, doch die Beziehungen zwischen den beiden Städten sind dadurch nicht neuerlich belastet worden.

Seit Jahrhunderten befinden sich die beiden rheinischen Gemeinden in einem Zustand von Rivalität und gepflegter Abneigung; bis heute dauert die Kontroverse der verwandten, aber gegensätzlichen Sippen an. Die einen lagern hauptsächlich rechts vom Rheinufer, die anderen links davon; die einen lästern im Karneval über die Kölner, die anderen machen dieselben Witze über die Düsseldorfer; die einen fahren Porsche und tragen spätestens ab Spätsommer Pelzkragen, die anderen lassen das aus Überzeugung bleiben.

Der neue Präsident möchte den Vertrag mit Geschäftsführer Armin Veh verlängern

Die Liste der trennenden Momente ließe sich noch lange fortschreiben, zumal die ungleichen Nachbarn nun auch durch das Schicksal ihrer Vorzeigefußballvereine in Konkurrenz verbunden sind: Beide kämpfen in der Bundesliga gegen den Abstieg, die direkten Begegnungen könnten Showdown-Charakter haben, und derzeit lässt sich kaum absehen, welcher Klub die besseren Aussichten hat. Der FC hat es verstanden, seine Jahrzehnte währende Vormachtstellung sukzessive einzubüßen.

Dass die Fortuna überhaupt in der ersten Liga mitbieten darf, daran hat Rutemöller einen womöglich nicht unbeträchtlichen Anteil. Wenn er nicht gerade im Dienst der Fifa als Trainerausbilder die Welt bereiste - erst neulich lehrte er zwei Wochen in Ghana -, dann hat er als ehrenamtlicher Sportvorstand auf seine stille Art den Wiederaufbau des sportlich abgestürzten Vereins mitbetrieben.

Mit Cheftrainer Friedhelm Funkel und dessen Assistenten Peter Hermann bildete er zu Zweitligazeiten den weisesten Expertenrat des Weltfußballs. "Diese drei Jahre waren eine tolle Zeit", sagt Rutemöller, aber just, als ihm die Fortuna ein Büro im Nachwuchsleistungszentrum einrichten und einen ordentlich bezahlten Vertrag ausstellen wollte, entschied er sich für den 1. FC Köln. Man habe ihm dort "eine Perspektive eröffnet, die ich nicht ablehnen konnte", erklärte er, was bei einem 74 Jahre alten Fußball-Gelehrten naturgemäß ein wenig seltsam klingt. Das Motiv ist jedoch klar: "Zum Ende meiner Laufbahn dorthin zurückzukehren, wo sie angefangen hat, das ist für mich auch eine Art Geschenk."

Nicht nur Führungsstärke wird benötigt, sondern auch Popularität

Mit jenem FC, dessen Amateure der Trainer Rutemöller 1981 zum Meister machte und dessen Profis er 1991 ins Pokalfinale führte (unterwegs das Bonmot "Otze, mach' et" prägend), hat der FC im Jahr 2019 nicht mehr viel gemeinsam. Der Klub residiert noch im malerisch gelegenen Geißbockheim, und sein wichtigster Repräsentant ist weiterhin das Wappentier Hennes - neuerdings Hennes IX, ein stattlicher Kerl mit schwarzem Ayatollah-Bart -, doch folkloristisch scheint der Verein weitgehend entkernt zu sein. Altstar Toni Schumacher, der den Verein zuletzt sieben Jahre als Vizepräsident vertreten hatte, musste wider Willen und durchaus verbittert abtreten. Dafür hatten die Gesandten des Mitgliederrates gesorgt, denen er jahrelang mit herzlicher Geringschätzung begegnet war - bis diese die Macht im Verein übernahmen.

Das neue Vorstandstrio ist eine Ansammlung rheinischer Geschäftsleute mit FC-Fan-Vergangenheit und wenig praktischer Profifußballerfahrung. Von ihm wird behauptet, es sei das Marionettenkabinett der maßgebenden Mitgliedervertreter, was zwar nicht mehr als üble Nachrede ist, aber schon auf den schwierigen Prozess hinweist, in dem der Verein steckt. Präsident Werner Wolf, promovierter Psychologe und vormals unter anderem Manager eines Kartoffelchips-Herstellers sowie einer großen Brauereigruppe, hat verstanden, dass er in seinem Amt nicht nur Führungsstärke benötigt, sondern auch Popularität. So stellte er als Erstes nicht näher bezeichnete Tätigkeiten für die alten Helden Lukas Podolski und Thomas Häßler in Aussicht, mit denen er darüber bereits geredet habe. Aus gutem Grund, wie er im Namen des Vorstands erklärte: "Es fängt damit an, dass von uns keiner ein Selfie haben will, sondern man will eben eines mit Toni Schumacher, Icke Häßler und Lukas Podolski."

Außerdem hat sich Wolf zügig daran begeben, ins Gespräch mit Sportgeschäftsführer Armin Veh einzutreten. Dieser hatte die über Monate andauernden Klüngeleien in den Vereinsgremien misstrauisch verfolgt und regelmäßig zum Anlass für die Drohung genommen, er werde seinen Hund namens Balou demnächst wieder daheim in Bayern spazieren führen, wenn der Verein nicht zur Ruhe komme. Wolf möchte den auslaufenden Vertrag mit Veh bald verlängern, bis Weihnachten, hofft er, solle "das Thema erledigt sein".

Nach der Partie beim FC Bayern geht es aufs Oktoberfest

Letzteres hängt allerdings auch davon ab, wie sich bis Weihnachten die sportliche Lage entwickelt. Die Mannschaft befindet sich wie die Klubführung noch in der Findungsphase, was auch daran liegt, dass sie aus mehreren Fraktionen verschiedener Epochen besteht: Es gibt die Spieler, die schon unter Peter Stöger gedient und im Mannschaftsrat das Sagen haben; es gibt die Gruppe, die mit dem von Veh kurzerhand entlassenen Trainer Markus Anfang aus Kiel nach Köln gekommen war; es gibt die ausländischen Zugänge, und außerdem gibt es Anthony Modeste, der wie immer besonders gehegt und gepflegt werden muss.

Die Aufsicht über dieses heterogene Ensemble würde wohl auch anderen Trainern als dem Bundesliganeuling Achim Beierlorzer nicht leichtfallen. Damit die Mannschaft schneller zusammenwächst, hat der Coach für Samstagabend zu einem geselligen Beisammensein eingeladen: Unabhängig vom Ergebnis wird der gesamte Reisetross nach der Partie beim FC Bayern aufs Oktoberfest gehen. Selbst Spieler, die nicht zum Kader für die Partie gehören, sollen anreisen. Sollte es moralische Kritik an dem Ausflug geben, werde er sie gern auf sich nehmen, erklärte Beierlorzer.

Aber wahrscheinlich weiß er, dass der FC in Wahrheit unbesiegbar ist, wenn er während des Oktoberfests beim FC Bayern spielt: In vier Begegnungen gab's vier Unentschieden.

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