1. FC Köln am Tabellenende:Fußball-Revolution am Niederrhein

Ein Wochenende genügt, um die Machtverhältnisse am Niederrhein zu erschüttern: Mönchengladbach ist Tabellenführer, Düsseldorf gilt als Aufstiegskandidat - und Köln grüßt vom Tabellenende. Das bringt selbst notorische Niederrheiner in Erklärungs-Not. Trotzdem: Jetzt nur kein Neid!

Klaus Hoeltzenbein

Wo der Niederrhein beginnt und wo er aufhört, haben schon die alten Römer nicht eindeutig festlegen wollen, sicher ist nur eines: Köln gehört nicht mehr dazu. Was dadurch manifestiert wird, dass der wahre Niederrheiner seine Fußball-Tabellen spätestens seit Freitagabend von oben nach unten liest. Besser: studiert. Derweil der Kölner - nunja, Platz 18!, hilft nichts, muss er halt jetzt schon wieder umdreh'n beim Kölschchen sein Tabellchen.

1. FC Koeln v 1. FC Kaiserslautern - Bundesliga

Frustriert und enttäuscht: Kölns Milivoje Novakovic.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es ist ja wirklich so, dass viele glauben, der Niederrhein werde nach Süden, also gen Köln, nicht etwa durch Schlagbäume und Stacheldraht abgegrenzt. Sondern durch jene gedachte, folkloristische Linie, an der die Verbreitung der niederrheinischen Bierspezialität Alt endet. Südlich davon, also jenseits von Dormagen, Grevenbroich, Erkelenz, wird, warum auch immer, Kölsch bevorzugt.

Der wahre, vom obergärigen Altbier verwöhnte Niederrheiner sagt dazu verächtlich: Labberwasser. So viel als Hinführung in dieses vom Nieselregen geplagte deutsche Eck, von dem Hans Dieter Hüsch behauptet hat: "Der Niederrheiner ist überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären."

Hüsch, der Philosoph der Region, starb 2005, weshalb er seine Definition dieses Menschenschlags nicht mehr den nahezu unglaublichen Ereignissen von Freitagabend anpassen kann. Da war Teil 1 seiner These ("unfähig!") nachweislich falsch, derweil Teil 2 ("kann alles erklären!") auch nicht mehr zu halten war.

Zunächst besiegte Fortuna Düsseldorf die Münchner Löwen in der zweiten Liga mit 3:1. Und wer pünktlich zum Abpfiff losbrauste, konnte bei Anpfiff im laut Google Maps 42,5 Kilometer entfernten Borussen-Park sitzen, um staunend in der ersten Liga Mönchengladbachs 4:1 gegen Wolfsburg zu beschunkeln.

Dieser Doppelsieg treibt nun selbst notorische Niederrheiner in die Erklärungs-Not. Auf wunder- same Weise hat sich Fortuna, diese seit Jahrzehnten darbende, zwischenzeitlich bis in die Viertklassigkeit abgerutschte Schönheit von ehedem, aufgehübscht und ist erstmals seit 15 Jahren wieder ein Kandidat fürs Oberhaus. Und Tabellenführer Borussia, der jüngst nur haarscharf dem Abstieg entkam, spielt mit genau derselben Mannschaft plötzlich einen Fußball, der Gedankenflüge zurück in die goldenen siebziger Jahre erlaubt. Fortuna und Borussia - diese beiden waren ja mal wer.

Jetzt nur kein Neid, liebe Kölner, immer schön ans rheinische Grundgesetz denken: Man muss auch gönnen können! Und wenn's nur für einen einzigen Freitagabend ist.

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