Süddeutsche Zeitung

1. FC Kaiserslautern:Korkut verlässt den schrumpfenden Riesen

  • Überraschend tritt Tayfun Korkut beim 1. FC Kaiserslautern zurück - nach nur einem halben Jahr im Amt.
  • Über seine Beweggründe ist nichts bekannt, der 42-Jährige spürte intern mitunter Kritik aus dem Aufsichtsrat.
  • Die Lage beim Fußball-Zweitligisten bleibt damit angespannt.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Als Thomas Gries vor dem ersten Saisonspiel des 1. FC Kaiserslautern gegen Hannover 96 nach der Stimmungslage der Pfälzer befragt wurde, antwortete der Präsident: Er spüre wieder ein leichtes Kribbeln für den FCK. Das Duell endete damals 0:4, dabei hatte der Klub erst im Frühjahr einen Neuanfang gewagt: Nach acht Jahren mit dem ehemaligen Nationalspieler Stefan Kuntz an der Spitze übernahmen Gries und Finanzvorstand Michael Klatt. Uwe Stöver wurde als Sportdirektor installiert - und es kam ein junger Trainer: Tayfun Korkut, 42, der 14 Zugänge integrieren musste.

Wieder sollte Aufbruchsstimmung erzeugt werden, nachdem Kuntz, der später überraschend U21-Nationaltrainer wurde, auch auf Druck der Mitglieder zurückgetreten war. Sechs Monate ist das erst her, und die leichte positive Grundstimmung ist längst wieder einem tiefem Frust gewichen. Am Dienstag nun verkündete der FCK, was schon vor Weihnachten feststand: Korkut ist als Trainer zurückgetreten, auch sein Assistent Xaver Zembrod verlässt nach nur einem halben Jahr wieder den Betzenberg.

Der Klub sei von der Entscheidung Korkuts überrascht worden, sagte Sportchef Stöver. Auch Vorstand Gries bedauerte den Rückzug des Trainers, der noch bis 2018 unter Vertrag stand und durch seinen unüblichen Schritt auf eine Abfindung verzichtet. Hat Korkut vielleicht ein lukrativeres Angebot?

Der ehemalige türkische Nationalspieler wird in der FCK-Mitteilung nicht zitiert, zu erreichen war er auch nicht, so bleiben vorerst Spekulationen: Waren vielleicht auch private Gründe ausschlaggebend? Korkuts Familie wohnt in Stuttgart, oft war der akribische Coach dort zuletzt nicht. Und vor einigen Wochen musste Korkut den Tod seiner Mutter verkraften.

Fakt ist, dass der 42-Jährige intern mitunter Kritik vor allem aus dem Aufsichtsrat spürte. Lautern startete mit nur sechs Punkten aus neun Spielen - so schlecht wie nie. Korkut gelang danach eine Stabilisierung, zuletzt zeigte der Trend aber wieder nach unten. Auch die von ihm angepeilten "20 Punkte + x" nach der Vorrunde wurden nicht erreicht, der FCK hat mit 19 Zählern nur fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Das Stadion leerte sich, Tiefpunkt war ein übles 0:0 gegen Erzgebirge Aue vor knapp 20 000 Fans.

Möglicherweise gab es auch unterschiedliche Ansichten über die Perspektive. Aufsichtsrats-Chef Nicolai Riesenkampff erklärte "die Etablierung in der Bundesliga" zum Vereinsziel. Korkut hingegen sprach von einer Übergangssaison - und nur mit sehr viel Fantasie kann man sich tatsächlich auch für die kommende Saison mehr als das vorstellen.

Ein Blick auf das Torverhältnis (11:15) zeigt die Malaise: Dem FCK-Kader fehlen Tempo und Torgefahr aus dem Mittelefeld, und hätten in der Abwehr nicht die Nachwuchskräfte Julian Pollersbeck (Tor) und Robin Koch (Innenverteidigung) reüssiert, wären auch hier Defizite in der Kaderzusammenstellung stärker zum Tragen gekommen. Für Verstärkungen im Winter hätte der Klub nur bei Verkäufen einen Handlungsspielraum. Immerhin kehren im neuen Jahr die lange verletzten Zoua, Kerk und Mujdza zurück. Vielleicht empfand Korkut dennoch die Gesamtsituation als desillusionierend.

In der Vergangenheit war der Betzenberg lange ein Sehnsuchtsort des deutschen Fußballs. Heute kämpft der viermalige deutsche Meister (1951, 1953, 1991, 1998) nach vielen Grabenkämpfen bereits in der fünften Saison in Serie vergeblich in Liga zwei um die Rückkehr in die Bundesliga. Anspruch und Wirklichkeit prallen wie Feinde aufeinander, der FCK ist ein stetig schrumpfender Riese.

Um "handlungsfähig zu bleiben", hatte die neue Führung im Sommer einen Kredit von drei Millionen Euro bei einem privaten Finanzdienstleister aufgenommen. Die Arbeitsplätze auf der Geschäftsstelle wurden um zehn auf 35 reduziert. Langfristig, so Finanzvorstand Klatt, gebe es für den Klub nur zwei Szenarien: Bundesliga oder Regionalliga - nicht auf ewig zweite Liga. Um der Horrorvision zu entgehen, begann der Klub jüngst mit Unterstützung einer Unternehmensberatung die Suche nach einem Investor und schickte rund 200 Präsentationen an potenzielle Partner in aller Welt.

Der Klotz am Bein dieses Klubs bleibt das überproportionierte Stadion, das nach dem Willen der damaligen Vereinsführung um Jürgen "Atze" Friedrich und der rheinland-pfälzischen Politik für 2006 zur WM-Arena ausgebaut wurde. Das Stadion gehört mittlerweile einer städtischen Stadiongesellschaft, der FCK zahlt Miete, die von der Führung Kuntz heruntergehandelten Konditionen müssen nach der Saison 2017/18 neu verhandelt werden.

Derzeit zahlt der FCK rund 2,4 Millionen Euro Miete pro Jahr - plus Nebenkosten. Wenn der Pachtvertrag mit der Stadt im Jahr 2028 ausläuft, werden, Stand heute, aber wohl noch immer rund 50 Millionen Euro Schulden im Raum stehen. Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, dass der einst große FCK ohne Investor wieder schnell in Liga eins zurückkehrt - egal, wie der nächste Trainer heißen wird.

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SZ vom 28.12.2016/fued
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