Süddeutsche Zeitung

Drittliga-Relegation:Duell der Gezeichneten

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Der 1. FC Kaiserslautern geht mit ganz neuem Coach in die Relegationsspiele gegen Dresden. Doch Dirk Schuster passt womöglich besser zu Verein und Situation, als die Kritiker meinen.

Von Christoph Ruf, Kaiserslautern

Jérôme Gondorf ist Kapitän des Zweitligisten Karlsruher SC und deshalb nicht der beste Kandidat, um sich wohlwollend über den 1. FC Kaiserslautern zu äußern. Die Fanlager beider Vereine hegen schließlich seit Jahrzehnten einen Groll aufeinander.

Allerdings ist es im Fußball eben doch nicht so einfach mit den Fronten. Denn Gondorf wäre heute wohl nicht Kapitän einer Profimannschaft, hätte ihn nicht jener Mann, der nun den 1. FC Kaiserslautern trainiert, einst fünf Jahre lang trainiert und aufgebaut: Dirk Schuster. Der wurde nun als Experte eigens für die beiden Relegationsspiele gegen Dynamo Dresden geholt. Schon 2014 hatte Gondorf erlebt, wie dieser in der Relegation zur Bestform auflief. Erst 1:3 im Heimspiel verloren, dann aber das Rückspiel 4:2 in Bielefeld gewonnen. Ein von Schuster trainierter Drittligist hatte sich also gegen den Zweitligisten durchgesetzt - das ist eine schöne Blaupause für die beiden anstehenden FCK-Spiele gegen den derzeitigen 16. der Zweiten Liga.

"Wir haben an den Aufstieg geglaubt, das hat uns Dirk vermittelt."

"Wichtig war, dass wir nach der klaren Heimniederlage noch an den Aufstieg geglaubt haben", das habe Schuster vermittelt, so Gondorf. Ein prima Motivator sei der, mit gutem Gespür für einzelne Spielertypen ausgestattet, und das Vorurteil, Schuster lasse am liebsten mit langen Bällen und tiefstehenden Abwehrreihen spielen, sei eben auch: ein Vorurteil: "Natürlich ist sein Kerndogma die Mentalität, das Körperliche. Das heißt aber nicht, dass er nicht gern schönen Fußball spielen lassen würde." Zum FCK, einem in vielerlei Hinsicht traditionellen Fußball-Standort, passe Schuster optimal: "Dort feiern dich die Fans eher für eine Grätsche, als wenn du Tikitaka spielst, aber jeden zweiten Zweikampf verlierst."

Ein paar Zweikämpfe zu viel haben die Pfälzer allerdings im Saisonfinish verloren. Die Chance, direkt aufzusteigen, war nach einer starken Saison da. Doch dann verlor der FCK gegen Wehen Wiesbaden (1:2), Borussia Dortmund II (1:3) und gegen Viktoria Köln (0:2) und wirkte dabei so kraftlos, dass nicht nur FCK-Sportdirektor Hengen befürchtete, dass man noch ein weiteres Jahr gegen Meppen und Verl spielen werde. Hengen, der bis heute "erschrocken, fast schon schockiert" darüber ist, wie "die Matchbälle vergeben wurden", hat sich Fragen gestellt. Über den mentalen Zustand der Mannschaft und über ihren Fitnesszustand, weil selbst die Leistungsträger im Saisonfinish platt wirkten. Er hat dann die "unpopuläre Entscheidung" getroffen.

Die Dresdner haben von den letzten zehn Spielen keines gewonnen - für Schuster bleiben sie die Favoriten

Coach Marco Antwerpen, der mit seiner unverstellten Art bei den Fans deutlich beliebter als bei Schiedsrichtern und einigen Kollegen war, musste gehen. Nun ist es an Schuster, den Verein in die zweite Liga zu hieven. "Ich finde das eine richtig schöne Aufgabe", sagt der. "Das sind zwei tolle Spiele zwischen zwei Traditionsvereinen mit riesigem Fanpotenzial." Fast beiläufig betont er, dass es da eine Mannschaft gebe, die "alles gewinnen und eine andere, die alles verlieren kann". Doch abgesehen von den üblichen Versuchen, den Gegner stark zu reden, hat Schuster großen Respekt vor Dynamo, vor allem, was Umfeld und Gefolgschaft angeht. "Das war schon in meiner Jugend der FC Bayern des Ostens." Da Teile der Dresdner Fanszene als gewaltaffin gelten und es bei einem Zweitligaspiel 2013 in Lautern zu schweren Ausschreitungen kam, ist die Partie als Hochsicherheitsspiel eingestuft worden. Ein großes Polizeiaufgebot wird beide Fanlager trennen, es herrscht Alkoholverbot.

Sportlich wird es zum Duell zweier Gezeichneter kommen. Während dem FCK erst am Saisonende die Puste ausging, hat Dynamo in der Rückrunde keinen Sieg gelandet und ist nur deshalb nicht direkt abgestiegen, weil Aue und Ingolstadt kaum konkurrenzfähig waren. Trainer Guerino Capretti, der sich in Verl (2107 bis 2022) einen guten Ruf erarbeitet hatte, konnte bislang keines seiner zehn Ligaspiele gewinnen. Schuster schreibt Dynamo trotzdem die Favoritenrolle zu. Bei den jüngsten Spielen in Karlsruhe (2:2) und gegen Aue (0:1) will er eine "offensivstarke Mannschaft mit kreativen Lösungen vorm gegnerischen Tor" gesehen haben.

Den Verdacht, dass aus dem Sachsen Schuster bei all dem Lob ein verkappter Dynamo-Fan spreche, kann dieser widerlegen. Wie viele Ostdeutsche habe er einen Westverein als Lieblingsklub: "Ich war schon als Kind Eintracht-Frankfurt-Fan und habe am Mittwoch gegen die Rangers ordentlich mitgefiebert."

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