1:6 gegen die DEG:Kölner Horror-Vorstellung

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Erlegt, filetiert und in Konservendosen verpackt: Die Kölner Haie nach der 1:6-Derbyniederlage gegen die DEG. (Foto: Andreas Gora/Imago)

Nach 655 Tagen findet das rheinische Eishockey-Derby erstmals wieder vor Zuschauern statt. Die höchste Niederlage im 232. Duell mit der Düsseldorfer EG dämpft die Euphorie in Köln aber erheblich. Das oberste Ziel beider Rivalen in dieser Saison lautet: durchkommen.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Das "Halloween Special" flackerte immer wieder in gruseliger Schrift über die LED-Banden hoch droben im weiten Rund der Halle. Das war die Ticketwerbung fürs Heimspiel am 31. Oktober gegen Krefeld. Dabei war Halloween drunten auf dem Eis doch schon in vollem Gange. Etwas Gruseligeres und Schockierenderes als so ein 1:6 gegen die Düsseldorfer EG ist für Fans der Kölner Haie kaum vorstellbar. Wer bis zur letzten Sekunde hinschauen konnte, ohne sich die Augen zuhalten zu müssen, hat den Gruseltest bestanden. So hatte sich Köln die Rückkehr der Fans zum rheinischen Derby nicht vorgestellt.

655 Tage war es her gewesen, dass zum bedeutendsten Derby des deutschen Eishockeys in der größten deutschen Eishockeyhalle in Köln zuletzt Zuschauer kommen durften. Corona hatte dieses überschwängliche Event zwischenzeitlich in seltsam taubes Eishockey verwandelt. Das sonst nie zu hörende Kratzen der Kufen auf dem Eis, das knallende Schlagen des Pucks und die strengen Ermahnungen der Schiedsrichter vor gähnend leeren Tribünen wurden in die Wohnzimmer wehmütiger Fans übertragen.

Teilerfolg für Köln: 18 500 Menschen passen in die Lanxess Arena, 11 400 durften am Dienstagabend hinein - 11 400 waren da. (Foto: Andreas Gora/Imago)

Am Dienstagabend durften 11 400 Zuschauer in die 18 500 Menschen fassende Halle zurückkehren, aber so glücklich sie darüber auch waren, so enttäuscht nahm der Großteil nach zweieinhalb Stunden eine historisch hohe Derby-Niederlage zur Kenntnis. "Das tut uns leid für die Fans", sagte der Kölner Spieler Alexander Oblinger kleinlaut, "wir hatten einen schlechten Tag und haben vielleicht mit zu viel Energie gespielt, so dass wir viele Strafen geholt und auf Messers Schneide getanzt haben." Wie gesagt, Halloween war allgegenwärtig.

Im Zuschauerschnitt klafft noch eine Lücke zu der Zeit vor Corona

Nun steht die Kölner Folklore bekanntlich über allen Dingen, auch über singulären Ergebnissen. "Ob in Himmel oder Hölle, mir sin Haie, mir sin Kölle", lautet eine Textzeile jenes wehmütigen Liedes, das vor jeder Heimpartie abgespielt wird. Wenn das Lied wie am Dienstag wieder von Tausenden Menschen inbrünstig mitgesungen wird, dann wähnt sich das deutsche Eishockey bereits wieder halbwegs dort, wo es mal war: in der emotionalen Symbiose von schlagfertigen Eishockeycracks und ihren mitfiebernden Fans, die die Spannung allenfalls durch das nervöse Zermalmen von Nachos und Popcorn erträglicher gestalten können. Das ist dann großes Kino.

Die Sache mit der Spannung war diesmal jedoch hinfällig. Die auf Messers Schneide tanzenden Kölner holten sich im ersten Drittel eine Zeitstrafe nach der anderen ab und saßen zwischenzeitlich gar zu dritt auf der Strafbank. Mit dem 0:1 zur ersten Pause waren sie gut bedient. Erst im zweiten Drittel (0:3) wurden die Haie dann erlegt, filetiert und in Konservendosen verpackt.

Grüße an die Düsseldorfer Fans: Brendan O'Donnell lässt sich nach seinen beiden Treffern feiern. (Foto: Duckwitz/Osnapix/Imago)

Die aufgrund mehrerer Verletzter nur mit drei vollständigen Reihen angetretenen Düsseldorfer zeigten enorme Treffsicherheit. 18 Prozent Schuss- und 29 Prozent Powerplay-Effizienz sorgten dafür, dass sich das Kölner Eishockey nicht nur wegen der Rückkehr der Zuschauer noch lange an dieses 232. Rheinderby erinnern wird. Höher hat Köln das Derby nie verloren.

Die Blamage platzt freilich mitten in die Bemühungen des Klubs, die Zuschauer aufs Neue fürs Eishockey zu begeistern. Die monatelange Publikumspause macht sich an den aktuellen Zahlen durchaus noch bemerkbar. Einige Stammkunden haben sich entwöhnt. 11 400 Menschen dürfen derzeit zu Kölner Heimspielen kommen, 9727 sind es in dieser Saison bislang im Schnitt. 11 573 waren es in der letzten kompletten Saison vor Corona (2018/19). 9200 dürfen zu den Düsseldorfer Heimspielen kommen, 5046 sind es bislang im Schnitt. 8530 waren es in der letzten Saison vor Corona. Da klafft noch eine Lücke.

Die Gehälter der Profis sind nicht an Zuschauerzahlen gekoppelt. Aber Corona-Klauseln gibt es noch

Für die DEG war das 6:1 in Köln deshalb willkommene Werbung in eigener Sache. Die Gehälter der Spieler sind allerdings nicht von den Zuschauerzahlen abhängig. "Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen der Zuschauerzahl und den Spielergehältern", sagt der Geschäftsführer Harald Wirtz, "aber weil wir vorsichtig geplant und mit niedrigen Zuschauerzahlen kalkuliert haben, hatte das natürlich Auswirkungen auf die Höhe des Gesamtetats." Erneute Einschränkungen wären Gift für den Klub. "Wir sind auf die Einnahmen angewiesen." Auch sportlich setzt der DEG-Chef vorsichtige Ziele: "Das sportliche und das wirtschaftliche Saisonziel bedingen sich gegenseitig; wir wollen mit dem Abstieg nichts zu tun haben, weil das wirtschaftlich ein sehr hohes Risiko wäre; wir wollen die Playoffs erreichen, also mindestens Platz zehn."

Trotz der Blamage gegen Düsseldorf braucht sich auch in Köln kein Spieler vor Zuschauer- und damit verbundenen Gehaltseinbußen zu fürchten. "Es gibt keine Kopplung der Gehälter an die Zuschauerzahlen", sagt der Haie-Geschäftsführer Philipp Walter über die Verträge der Spieler, "aber es gibt einen flexiblen Teil, der es uns erlaubt, Corona-Rahmenbedingungen einfließen zu lassen."

Die gegenwärtige Saison ist für den Klub eine Saison der Stabilisierung, sowohl sportlich wie wirtschaftlich. "Natürlich wollen wir die Playoffs erreichen, aber auch ein gutes Fundament setzen, auf das wir in den nächsten Jahren aufbauen können", sagt Walter. "Für unser wirtschaftliches Saisonziel, unser Budget einzuhalten, ist entscheidend, dass es keine neuerlichen Einschränkungen gibt."

Und so kämpfen Düsseldorfer und Kölner zunächst gewissermaßen Seite an Seite weiter um die grundsätzliche Gunst des Publikums, ehe sie am 5. November bereits wieder aufeinander treffen. Dann in Düsseldorf. Es ist eine schnelle Gelegenheit für Köln, sich aus der Halloween-Finsternis zurück ins rechte Licht zu rücken.

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