1:1 in Düsseldorf:Unentschieden

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Nach dem Punkt gegen Düsseldorf ist man sich in Wolfsburg nicht ganz einig, wie der Saisonstart zu bewerten ist.

Von der längsten Theke der Welt hatte der Österreicher Oliver Glasner offenbar noch nichts gehört. Darüber musste den Trainer des VfL Wolfsburg erst der Sportdirektor des VfL Wolfsburg aufklären. Jörg Schmadtke ist gebürtiger Düsseldorfer und weiß um die Kneipendichte in der Altstadt: ein nahezu unendlicher Schankbetrieb.

Nun war Glasner mit seinem VfL am Freitagabend aber auch nicht ins Rheinland gekommen, um obergärige Bierspezialitäten zu verkosten, sondern um den Fußballern von Fortuna Düsseldorf zu demonstrieren, wie man - fußballredensartlich - richtig einschenkt. Zu diesem Zwecke besitzt die Wolfsburger Mannschaft eine Fachkraft, die jedem Düsseldorfer Köbes (Kellner) Tränen der Freude in die Augen treiben würde: den Niederländer Wout Weghorst. Auch in Weghorsts Heimat gibt es ansehnliche Brauhäuser, doch nicht dort erlernte der 27-Jährige seine Standfestigkeit, sondern in den Fußballstadien von Emmen, Almelo und Alkmaar. In der vorvergangenen Saison wechselte der Mittelstürmer zum VfL Wolfsburg und traf in seiner ersten Bundesliga-Saison gegen keinen Verein so häufig wie gegen Fortuna Düsseldorf: ein Mal beim 3:0-Sieg in der Hinrunde und drei Mal beim 5:2-Sieg in der Rückrunde.

Nach einer knappen halben Stunde am Freitagabend erzielte Weghorst sein fünftes Tor gegen Düsseldorf. Dass er sich darüber nach Abpfiff aber nicht wirklich freuen konnte, hatte in erster Linie damit zu tun, dass es nur das 1:1 war: Düsseldorfs Niko Gießelmann hatte kurz zuvor die Führung für die Fortuna erzielt hatte, die Vorgeschichte zu dem Treffer jedoch brachte Weghorst auch weit nach Spielende noch in Rage: "Schiri, das ist dein Job!", schimpfte Weghorst: "Dieser Ball war ganz klar aus." Torvorbereiter Matthias Zimmermann war der Ball vor dem Zuspiel über die Seitenauslinie gerutscht - er selbst meinte, es sei "eine 50:50-Entscheidung". Doch auch die Bilder, die der VAR zur Verfügung hatte, gaben letztendlich exakt Aufschluss darüber, ob der Ball nun im Aus war oder nicht.

Düsseldorfs Robin Bormuth (rechts) und Wolfsburgs Wout Weghorst kämpfen um den Ball. (Foto: Marius Becker/dpa)

Weghorst ärgerte sich dennoch, verständlicherweise. Er hatte zum Zeitpunkt seines Ausgleichstreffers doch tatsächlich alle 42 Minuten ein Tor gegen Düsseldorf geschossen, zu einem Sieg reichte es dennoch nicht. Fortunas Trainer Friedhelm Funkel hatte vor dem Spiel noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man Weghorst diesmal enger bewachen und nicht so frei gewähren lassen wolle wie in den beiden vorangegangenen Spielen. Doch Weghorst bewegte sich durch die Düsseldorfer Spielhälfte wie ein Löwe, zu dessen Bewachung fünf Antilopen abgestellt wurden. Sie sprangen stets um ihn herum, doch wenn er fauchte, ließen sie ihm seine Freiräume.

In der zweiten Halbzeit allerdings fand der Niederländer keine Räume mehr, hatte kaum noch Chancen und erzielte 42 Minuten nach seinem fünften Treffer gegen Düsseldorf auch nicht seinen sechsten. Schlimmer noch: in seinem dritten Spiel gegen die Fortuna gewann Weghorst erstmals nicht. Denn es blieb beim 1:1-Unentschieden, und das war für Wolfsburg bereits das zweite nacheinander gegen einen vermeintlichen Abstiegskandidaten nach dem vorangegangenen 1:1 gegen Paderborn.

Aber kein Wunder: Der Trainer Glasner hatte vor dem Spiel gesagt, dass er sich auch im Falle eines Sieges die Tabelle nicht einrahmen wollen würde, obwohl man ja dann über Nacht Tabellenführer gewesen wäre. Die Bundesliga-Tabelle hat auch ihren Stolz, und wenn da einer schon vorher trotzt und sie sich nicht einrahmen will, dass lässt sie ihn auch nicht an ihre Spitze. Wolfsburg jedenfalls versäumte den nächtlichen Gipfelsturm.

Weghorst jedoch war nicht nur wegen der Schiedsrichterentscheidung grantig. "Das war enttäuschend", sagte er über die Leistung seiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit und berichtete umso leidenschaftlicher, wie er sich nach dem Spiel beim Schiedsrichter Manuel Gräfe darüber beschwert hat, dass dieser auch nur drei Minuten nachspielen ließ. Man ahnte: Weghorst hätte es wohl doch ziemlich viel bedeutet, erstmals von der Bundesliga-Spitze zu grüßen. Sein Kollege Admir Mehmedi, ein Schweizer, wollte sich über die jüngsten beiden Unentschieden derweil nicht übermäßig aufregen und sagte: "Man kann es ja auch positiv sagen: Noch sind wir ungeschlagen."

Und so herrschte nach dem Spiel allseits eine recht unentschiedene Stimmung: "Ich bin nicht ganz zufrieden", sagte der aber keineswegs deprimierte Trainer Glasner. "Im Spiel nach vorne hätten wir es ein bisschen besser machen können", sagte auch der ansonsten recht ausgeglichene Trainer Funkel. Und so schien es, als gäbe es an der längsten Theke der Welt diesmal für niemanden so richtig etwas zu feiern.

© SZ vom 15.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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