0:6, 0:6 von Sabine Lisicki:Surreale Niederlage

WTA-Turnier Stuttgart

"Ich hatte einen Blackout und kann ihn nicht erklären", sagt Sabine Lisicki nach dem 0:6, 0:6.

(Foto: dpa)
  • Sabine Lisicki verliert beim Tennisturnier in Stuttgart gegen die weitgehend unbekannte Kasachin Zarina Dijas 0:6, 0:6.
  • Die Pleite schmerzt besonders, weil das Turnier in Stuttgart das letzte große ist, das es in Deutschland gibt.
  • Von ihrer Wimbledon-Form ist Lisicki derzeit weit entfernt.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Nach dem dritten Spiel im zweiten Satz kniete Christopher Kas plötzlich vor Sabine Lisicki. Dann nahm er neben ihr auf der Bank Platz. Kas redete auf Lisicki ein - und sie nickte auch. Dabei hätte der Trainer sie in dem Moment vielleicht besser einfach in den Arm nehmen sollen. Lisicki hätte seinen Trost nötiger gehabt als seine Ratschläge. Die kamen gar nicht mehr bei ihr an. Die deutsche Tennisspielerin haderte, sie verzweifelte.

Nichts gelang ihr am Mittwoch in ihrem ersten Match beim Tennisturnier in Stuttgart gegen die Kasachin Zarina Dijas. Kurz nach der Pause schlug Lisicki eine Rückhand tief ins Netz. Es war ihr letzter Fehler an diesem denkwürdigen Nachmittag, es war Fehler Nummer 32. Die Zuschauer staunten, einzelne pfiffen. Die Vorführung im doppelten Sinne war vorüber, nach 64 Minuten. Das surreale Ergebnis lautete: 0:6, 0:6.

Lisickis Abschneiden bei den Turnieren 2015

Brisbane: 1. Runde (6:0, 5:7, 4:6 gegen Jaroslawa Schwedowa, Kasachstan)

Sydney: 1. Runde (3:6, 6:3, 6:7 (4) gegen Carla Suárez Navarro, Spanien)

Australian Open in Melbourne: 1. Runde (6:4, 4:6, 2:6 gegen Kristina Mladenovic, Frankreich)

Dubai: 2. Runde (0:6, 3:6 gegen Ana Ivanovic, Serbien)

Doha: 1. Runde (5:7, 4:6 gegen Barbora Strycova, Tschechien)

Kuala Lumpur: 1. Runde (4:6, 5:7 gegen Alexandra Dulgheru, Rumänien)

Indian Wells: Halbfinale (6:3, 3:6, 1:6 Jelena Jankovic, Serbien)

Miami: Viertelfinale (6:7 (4), 6:1, 3:6 gegen Serena Williams, USA)

Stuttgart: 1. Runde (0:6, 0:6 gegen Sarina Dijas, Kasachstan)

"Ich hätte mir einen anderen Tag gewünscht", sagt sie ruhig

Sabine Lisicki, 25, hat schon viele Niederlagen erlebt, aber die Pleite hatte schon eine besondere Dimension. "Ich hatte einen Blackout und kann ihn nicht erklären", sagte sie. 0:6, 0:6: Das kommt im Profitennis selten vor. Die doppelte Null demonstriert eine ungewöhnliche Unterlegenheit. Eine Unter- legenheit, die vor allem dann nicht zu erwarten ist, wenn die Nummer 19 der Weltrangliste gegen eine weitgehend unbekannte 21-Jährige antritt.

Angesichts des Ausmaßes der Demütigung wirkte Lisicki nachher, als sie im bequemen Sessel das Unerklärliche zu erklären versuchte, erstaunlich gefasst. Sie suchte nicht nach Ausreden. Ruhig sagte sie: "Ich bin total enttäuscht und hätte mir einen anderen Tag gewünscht." Vor zwei Jahren hatte sie in Wimbledon noch im Finale auftreten dürfen.

Und jetzt das. Die Pleite in Stuttgart schmerzt besonders, weil das Turnier das letzte große ist, das es hierzulande noch gibt. Und am Wochen- ende hatte Lisicki schon zwei Matches verloren, denen quasi nationale Bedeutung zukam: Im Einzel am Auftakttag der Fed-Cup-Halbfinal-Begegnung gegen Russland in Sotschi vergab sie gegen Anastasia Pawljutschenkowa einen Matchball (6:4, 6:7, 3:6); im entscheidende Doppel mit Andrea Petkovic blieb sie zum 2:3-Abschluss gegen Pawljutschenkowa und Jelena Wesnina chancenlos (2:6, 3:6).

Dabei deutete gegen Dijas zunächst nichts darauf hin, dass Lisicki derart neben sich stehen würde. Sie begann mit viel Wucht in den Grundschlägen. Aber Punktverluste ließen eben auch nicht lange auf sich warten. Es war, wie es bei Sabine Lisicki öfter ist: Direkte Punkt- gewinne wechselten sich mit aberwitzigen Fehlern ab. Sabine Lisicki braucht oft ein wenig, bis sie ihren Rhythmus findet. "Aber heute hat bei mir nichts funktioniert", musste sie später selbst erkennen.

Bei den Hartplatz-Turnieren in Indian Wells und in Miami hatte sie ihr riskanter Stil bis ins Halb- und Viertelfinale geführt. Es schien fast so, als ob Lisicki unter ihrem früheren Doppelpartner Christopher Kas als neuem Trainer wieder zu ihrer Wimbledon-Form gefunden hätte. Doch davon ist die Berlinerin offensichtlich noch weit entfernt. Diese Erkenntnis hatte sich bereits in Sotschi angedeutet. In Stuttgart bestätigte sie sich nun mehr als deutlich.

Die deprimierende Niederlage gegen Dijas würde sie deshalb am liebsten erst gar nicht an sich heranlassen. "Das Gute ist ja, dass in diesem Jahr noch viele Turniere anstehen. Man darf das alles nicht überbewerten", sagte Lisicki. In der nächsten Woche wird sie gleich wieder antreten, in Madrid. Aber die Doppelkonkurrenz, in der sie mit Julia Görges noch vertreten ist, bindet sie zunächst weiter an Stuttgart. "Ich werde deshalb heute Abend noch mal auf den Platz gehen", kündigte Lisicki an. Training als Therapie.

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