Süddeutsche Zeitung

0:5 gegen Chelsea:Schalke erlebt beispielloses Desaster

Schalke 04 blamiert sich beim 0:5 gegen den FC Chelsea nach Kräften. Bei einem Eigentor rangeln sich gleich drei Schalker, wer den Ball ins eigene Tor befördern darf. Am Ende erleben sie eine Demütigung.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Mit einer Niederlage hatte man gerechnet in Gelsenkirchen, aber nicht mit einer solchen Niederlage. Der Versuch, die Voraussetzungen für den Einzug ins Achtelfinale der Champions League zu schaffen, endete für Schalke 04 in einem beispiellosen Desaster. Die Mannschaft gab beim 0:5 (0:3) gegen den FC Chelsea ein erschütterndes Bild ab.

Während die Betrachter noch darüber stritten, ob Ralf Fährmann die erste große Chance in der ersten oder doch erst in der zweiten Minute vereitelt hatte, lag der Ball schon im Schalker Netz. Den Eckball, der auf die Rettungstat nach Diego Costas Alleingang folgte, hatte John Terry mit dem Kopf ins Tor befördert. Da war selbst Fährmann machtlos. Das frühe Gegentor drückte naturgemäß aufs Gemüt der Hausherren: es ist nicht ermutigend, wenn einem so zügig beigebracht wird, dass man nicht nur Außenseiter, sondern ein besonders krasser Außenseiter ist. Das Publikum schwieg dazu vielsagend. Es herrschte Friedhofsruhe.

Chelsea nahm sich auf eher lässige Art des Spiels an, sie kontrollierten dank ihrer Kombinationssicherheit und ihrer technischen Überlegenheit den Lauf des Balls, ohne ihre Kräfte forcieren zu müssen. Weil die Engländer sich zurücknahmen, fand Schalke allmählich wieder ein bisschen zu sich und wagte sogar den Weg in die gegnerische Hälfte. Einen Schussversuch von Choupo-Moting lenkte Cahill gegen die Latte - sollte doch etwas gehen? Chelseas Rechtsaußen Willian beendete solche kühnen Spekulationen, indem er eine von ihm selbst gestartete Stafette über fünf Stationen mit einem Flachschuss abschloss, den Fährmann unter sich durchrutschen ließ.

Das 0:2 jagte den Schalkern noch mehr Angst ein. Aus einer schlechten wurde eine desolate Leistung, das Publikum musste meinen, einem Absteiger beim gewohnheitsmäßigen Verlieren zuzusehen. Aus dem Mittelfeld kamen deprimierende Signale: Höger und der komplett indisponierte Kirchhoff spielten serienweise Fehlpässe, Boateng kam nicht mal dazu, weil ihm meistens vorher schon der Ball entwendet wurde. Manche seiner elegischen Aktionen wirkten, als würde er mit Tempo 30 über eine Autobahn fahren, während lauter Sportwagen an ihm vorbeirasen. So trug das Schalker Aufbauspiel, abgesehen von gelegentlichen Lichtblicken, wenn Choupo-Moting und Uchida für Tempo sorgten, agonische Züge.

Viele Gelegenheiten sehr laut zu pfeifen

Den Tiefpunkt erreichten die Blau-Weißen in der 43. Minute, als sie in vollendeter Hilflosigkeit ihren Vorstoß an der Mittellinie zum Stillstand brachen und Höger unter empörten Zwischenrufen der Zuschauer schließlich einen so ungemein langsamen Rückpass auf Fährmann spielte, als ob er 95 Jahre alt wäre. Die Freude darüber, dass Costa dieses Geschenk nicht nutzte, währte nur kurz. Der folgende Eckstoß brachte das 0:3. Torschütze war der bedauernswerte Kirchhoff. Auf den Pausenpfiff schienen viele Augenzeugen gewartet zu haben - er gab ihnen Gelegenheit, sehr laut zu pfeifen.

Eine zweite Hälfte dieser Demütigung war eigentlich nicht mehr nötig. Das fand Chelsea offenbar auch, die Londoner stellten auf körperloses Spiel um und begnügten sich damit, ab und zu eine Torchance zu vergeben. Di Matteo erlöste den überforderten Kirchhoff von seinem Leiden und wechselte Clemens ein, wenig später durfte auch Boateng gehen, Meyer kam an seiner Stelle. Das 0:4 durch Drogba (76.) und das 0:5 (78.) durch Ramires erlebten viele zahlende Besucher nicht mehr mit. Schlau von ihnen.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2014/schma
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