4:1 für Düsseldorf:Gegen die Erinnerung verloren

Fortuna Duesseldorf v SV Werder Bremen - Bundesliga

Kenan Karaman schnappt sich den Ball, läuft über das halbe Spielfeld und schiebt den Ball ins Tor - ein toller Tag für ihn, der sonst oft nur Ersatzmann ist.

(Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty)

"Ich sehe diese Niederlage klar im Kontext zu Mittwoch": Drei Tage nach dem unglücklichen Aus im DFB-Pokal gegen den FC Bayern unterliegt Bremen in Düsseldorf - diesmal ohne Fehler der Schiedsrichter.

Von Ulrich Hartmann

Der konstruktive Umgang mit Menschen in Trotzphasen ist vielfach Inhalt von Eltern-Ratgebern. Doch auch Werder Bremens Trainer Florian Kohfeldt hatte eine "positive Trotzigkeit" von seinen Fußballern eingefordert, nachdem sie am Mittwoch schmerzvoll aus dem Pokal ausgeschieden waren durch einen Elfmeter, über den sogar relevante Fußballgremien urteilten, dass es keiner war. Stärker möge diese Ungerechtigkeit seine Bremer beim Gastspiel in Düsseldorf machen, hatte Kohfeldt vor dem Spiel noch gehofft.

Nun ist das mit der erfolgreichen Umsetzung von Eltern-Ratgebern und Trainer-Hoffnungen aber so eine Sache. Diese leidvolle Erfahrung musste Kohfeldt am Samstag machen, als seine Mannschaft gegen die gastgebende Fortuna mit 1:4 (1:2) ein Spiel verlor, dass der Trainer zum "Schlüsselspiel" erkoren hatte. Es ist nämlich so, dass die Bremer unbedingt in den Europapokal wollen, in den letzten drei Saisonspielen aber gegen Dortmund, in Hoffenheim und gegen Leipzig spielen müssen. Dieses herausfordernde Programm macht die Niederlage in Düsseldorf, wo es für die Fortuna schon um nichts mehr ging, umso schlimmer. Kohfeldt musste sich eingestehen, dass das kleine Pokal-Trauma noch in den Köpfen der Spieler steckte. "Wir haben versucht, gegen die Erinnerung an den Mittwoch anzukämpfen, aber es hat nicht geklappt", sagte der Trainer, "ich sehe diese Niederlage klar im Kontext zu Mittwoch."

Ihr Gift hatten die Bremer nach dem Pokal-Aus versprüht, nun war Galle gefordert. Max Kruse, trotz Oberschenkelproblemen in der Startelf, attackierte die ballführenden Düsseldorfer in den ersten Sekunden derart schnell, als gelte es, einen hohen Rückstand aus einem Hinspiel aufzuholen. Doch die vom Trainer Kohfeldt eingeforderte "Galligkeit" ging irgendwie nach hinten los. Denn nach 47 Sekunden schoss Benito Raman das 1:0 für Düsseldorf. Dieser Blitzstart erinnerte daran, wie die Fortuna vier Wochen zuvor an selber Stelle Borussia Mönchengladbach mit einem 3:0 binnen der ersten 16 Minuten demontiert hatte. Zwei Tage später bekam Gladbachs Trainer Dieter Hecking seine Kündigung zum Saisonende.

Solche Sorgen muss sich Kohfeldt natürlich keine machen, auch wenn die Demontage seiner Mannschaft bereits in der 22. Minute besorgniserregende Gestalt annahm. Düsseldorfs Stürmer Kenan Karaman, bislang hauptsächlich Bankdrücker, wurde in der eigenen Spielhälfte des Balls habhaft und lief los. Er querte die Mittellinie, vorbei an Freund und Feind, näherte sich ungestört dem Bremer Strafraum, drang ein, verlud mit einer Richtungsverlagerung gleich zwei Bremer Abwehrspieler (Langkamp und Gebre Selassie) und schob den Ball halbhoch ins Tor ein zum 2:0. Die eine Hälfte des Düsseldorfer Publikums jubelte, die andere Hälfte war perplex. Man hatte zwar eine ganze Saison Zeit gehabt, sich an diese neue Fortuna zu gewöhnen, aber viele Szenen rauben den jahrzehntelang nur Kummer gewöhnten Fortuna-Fans noch immer den Atem.

"So darf man nicht spielen gegen eine Mannschaft, die von Euphorie und Kontern lebt", sagt Nuri Sahin

Der Videobeweis brachte Bremen zurück ins Spiel. Ausgerechnet. Schiedsrichter Benjamin Cortus hatte Werder nach einem Foul von Kaan Ayhan an Davy Klaassen einen Foulelfmeter verweigert, sprach ihnen diesen nach kurzer Auszeit am Monitor aber doch noch zu. Kruse verwandelte in der 28. Minute zum 1:2. Wäre ein Kopfball von Nuri Sahin in der 35. Minute nicht an die Latte gegangen, sondern ins Tor, dann hätte es zur Halbzeit 2:2 gestanden.

Der Videoassistent vom Mittwoch, Robert Kampka, stand in Düsseldorf ja nicht, wie ursprünglich geplant, als Vierter Offizieller am Spielfeldrand. Er hatte im Pokalspiel unerklärlicherweise nicht eingegriffen, als die Bayern kurz vor Schluss den mehr als zweifelhaften Elfmeter zugesprochen bekommen hatten - und wurde für Werders Spiel in Düsseldorf abgesetzt. Wer weiß schon, wen man andernfalls verantwortlich erklärt hätte für Bremens Niederlage, die Form annahm, als in die Werder-Drangphase zum Ausgleich hinein Düsseldorfs Rouwen Hennings das 3:1 erzielte (56.). Düsseldorf, das in dieser Saison daheim bereits Hoffenheim, Dortmund und Gladbach gedemütigt hatte, demonstrierte auch den Bremern seine Entschlossenheit. In der 73. Minute hämmerte Markus Suttner den Ball zum 4:1 unter die Latte. "So darf man nicht spielen gegen eine Mannschaft, die von Euphorie und Kontern lebt", sagte Bremens Nuri Sahin einigermaßen despektierlich.

Gegen solche Unterstellungen verwahrte sich Fortunas Trainer Friedhelm Funkel. "Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Mannschaft", sagte er, "wir spielen eine außergewöhnliche Saison - und die ist noch nicht zu Ende: Wir wollen weiter punkten!"

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