TSV 1860 München:Ismaiks Machtdemonstration mit Mister Power

Bei einer bizarren Pressekonferenz geben sich die Vereinsvertreter beim TSV 1860 nicht einmal mehr die Mühe, so zu tun, als seien sie noch Herr im Haus.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Plötzlich brummt eine sonore Stimme von links vorne. Der neue Geschäftsführer spricht. Das alles geschieht überraschend, denn der neue Geschäftsführer sitzt nicht vorne auf dem Podium, wie es vielleicht bei anderen Fußballklubs üblich gewesen wäre. Der neue Geschäftsführer des TSV 1860 München spricht direkt aus der Schar von Journalisten, die sich am Dienstag versammelt haben anlässlich einer der seltenen Audienzen, die Hasan Ismaik an der Grünwalder Straße in Giesing gewährt. Ismaik hat zwar gerade mitgeteilt, dass die bisherigen Geschäftsführer Thomas Eichin und Raed Gerges degradiert wurden und es einen neuen Geschäftsführer geben werde.

Dass der sich im Raum befindet und sogar Anthony Power heißt, das sagt er jedoch erst auf Nachfrage. Ismaik deutet auf Power, dann fängt Power an zu reden.

Runjaics Rauswurf wurde vor dem Spiel gegen Kaiserslautern beschlossen

"Good afternoon, my name is Anthony", sagt der Mann mit grau meliertem Haar in sauberem Englisch - um dann überzuleiten zu einem imposanten Lebenslauf, auf den die Insassen eines kleinstädtischen Altersheims nicht einmal gemeinsam kämen. "Ich bin 50 Jahre alt, in den vergangenen 25 Jahren habe ich in vielen Firmen gearbeitet, überall auf der Welt", brummt Anthony. "Ich habe in den USA gearbeitet, in Frankreich, in Großbritannien, im Nahen Osten, in Asien. Ich war in den unterschiedlichsten Sparten aktiv: in der Industrie, im Bildungswesen, im Gesundheitswesen, im operativen Geschäft. Mit Hasan Ismaik arbeite ich seit einem Jahr zusammen, seither habe ich von außen die Situation bei 1860 gemonitored."

Und nun, sagt der rundum beeindruckende Anthony, ein gelernter Maschinenbauingenieur, den Ismaik gerade noch als "Finanzexperten" vorgestellt hat, werde er für ein paar Monate als Geschäftsführer einspringen, um bei der dringend notwendigen Restrukturierung des TSV 1860 München auszuhelfen.

Am Montag hat Sechzig in der zweiten Bundesliga 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern gespielt. Schon vorher war damit zu rechnen gewesen, dass es für Trainer Kosta Runjaic eng werden könnte, sollten die Münchner nicht drei Punkte einfahren. Hinterher erfuhr man, dass das Ergebnis überhaupt keine Rolle spielte, weil der KGaA-Aufsichtsrat Runjaics Rauswurf schon am Nachmittag zuvor beschlossen hatte. "Die Entscheidung stand fest, auch wenn wir das Spiel gewonnen hätten", sagte Präsident Peter Cassalette.

Entscheidend sei die Niederlage in Sandhausen vor zwei Wochen gewesen; dass Runjaic dann noch die ganze Länderspielpause weiterarbeiten durfte, vermochte Cassalette nur mit Verweis auf die räumliche Entfernung nach Abu Dhabi und die seltenen Treffen zu erklären. Nach SZ-Informationen hatte Ismaik von Runjaic und Eichin nach dem Sandhausen-Spiel regelmäßige genaue Tätigkeitsberichte verlangt; sie sollen davon nicht begeistert gewesen sein, möglicherweise wurden die Hausaufgaben auch nicht zur vollen Zufriedenheit gefertigt.

"Bei diesen Investitionen müssten wir oben stehen", klagt Ismaik

Überraschend war, dass Ismaik nicht nur Runjaic freistellte, sondern keinen Stein auf dem anderen ließ in der Fußball-KGaA, die ihm inzwischen zu 60 Prozent gehört - selbst seinen Vertrauten Gerges traf es, er wurde ins Marketing versetzt.

Ismaik ist eben mal wieder höchst unzufrieden. "Bei diesen Investitionen müssten wir oben stehen", klagte er, "aber andere Mannschaften der Liga haben mehr Punkte als wir." Um genau zu sein, haben derzeit 13 Mannschaften mehr als zwölf Punkte.

Auf die Frage, weshalb Eichin degradiert werden musste, antwortete Cassalette, der sich auch sonst demonstrativ unbeteiligt gab: "Das soll am besten Hasan beantworten. Ich bin Präsident des e.V.". Was so höflich und harmlos klang, entsprach einer Unterwanderung der 50+1-Regel. Vier Jahre lang lag Ismaik im Dauerstreit mit den jeweiligen (wegen des Zwists ständig wechselnden) Präsidenten der Vereinsseite um die Entscheidungshoheit im Klub. Im Herbst 2015 trat Cassalette sein Ehrenamt an, seither kann Ismaik trotz 50+1 die Geschicke des TSV 1860 nach Belieben bestimmen.

Inzwischen geben sich die e.V.-Vertreter bei 1860 nicht einmal mehr die Mühe, so zu tun, als seien sie noch Herr im Haus

Die DFL verweist bei Nachfragen stets darauf, die Vereinsseite halte alle Instrumente in der Hand, um ihre Rechte zu wahren. Allerdings: Was hilft es dem Verein, wenn sich die Vereinsvertreter dagegen entscheiden, sie zu nutzen, weil sie auf Ismaiks Gelder angewiesen sind im alljährlichen Lizenzierungsverfahren? Inzwischen geben sich die e.V.-Vertreter bei 1860 nicht einmal mehr die Mühe, so zu tun, als seien sie noch Herr im Haus. Alle Personalentscheidungen, hieß es am Dienstag, seien im Aufsichtsrat der KGaA getroffen worden, dessen Vorsitzender Ismaik ist. Dieser habe das Recht, Trainer vorbei an der Geschäftsführung zu entlassen, meinte Ismaik.

So wie er auch das Recht gehabt habe, die "von Beratern aus London vorgeschlagenen" Brasilianer Ribamar und Victor Andrade in den Kader zu holen: "Wir als Aufsichtsrat können solche Entscheidungen auch treffen." Was nicht stimmt. Laut des von der DFL genehmigten Kooperationsvertrags besitzt bei 1860 lediglich die Geschäftsführungs-GmbH ein Weisungsrecht auf die Geschäftsführer. Und diese GmbH ist alleinige Tochter des e.V., was bedeutet: Präsident Cassalette darf Entscheidungen vorbei an der Geschäftsführung treffen. Tut er auch. Nur sind es die Entscheidungen Ismaiks.

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