Volkswagen ist zurück in der Spur. Zurück im Spiel. Mit dem neuen elektrischen Flaggschiff ID.7 zeigen die Wolfsburger wieder ihre alten Autobauer-Tugenden: Bezahlbare und verlässliche Qualität, die auch noch Spaß macht. „Der ID.7 ist 100 Prozent Volkswagen“, sagt VW-Chef Thomas Schäfer. Ist die Nummer 7 der große Streich? Zumindest im westlichen Kulturkreis bedeutet die Sieben schon mal Glück. Und in sieben Tagen hat Gott die Erde erschaffen. Also bleiben wir bei der Zahl Sieben und machen den 7-Punkte-Check nach den ersten Testfahrten. Design und Aussehen: Das bislang größte Modell aus der elektrischen ID-Familie zeigt seinen Anspruch schon beim Aussehen. Das Auto will in die gehobene Mittelklasse und hat dementsprechend Präsenz. Kurze Überhänge, wie bei E-Autos üblich, fließende Formen wie bei einem Coupé, dazu das typische forsche Markengesicht mit dem VW-Logo in der Mitte und eine markante, aber optisch zunächst gewöhnungsbedürftige Heckpartie mit durchgehendem Leuchtenband.

Abgesehen vom letzten Punkt: Der ID.7 gefällt auf Anhieb. Cockpit & Infotainment: Holla die Waldfee! Der gute Eindruck setzt sich auch im Innenraum lückenlos fort. Staunend schmiegen wir uns in die (auch nach langer Fahrt noch) bequemen Sitze. Kurz mal tasten: Das Kunstleder auf der Armablage fühlt sich gut an, die Mittelkonsole mit den zweistöckigen Ablagen ist massiv. Da wackelt nichts. Die LED-Spange für bis zu 30 verschiedene Lichtstimmungen zieht sich von den Seiten-Türen über das komplette Armaturenbrett und wirkt ebenfalls nicht billig. Vergeblich (Gott sei Dank) suchen wir Billigplastik, das findet sich auch nicht versteckt in der zweiten Reihe. Das Instrumenten-Cockpit wurde neu gedacht - und ist unserer Meinung zumindest von der Einteilung her das beste auf dem Markt. Gleich hinter dem Lenkrad, fein eingepasst in die Konsole, befindet sich ein Mini-Bildschirm mit den nötigsten Informationen wie Geschwindigkeit und Reichweite. Das Head-up-Display hat eine wohltuend aufgeräumte Optik und bietet neuerdings auch Augmented-Reality-Elemente wie animierte Richtungspfeile an.
Im Zentrum schwebt der 15 Zoll große Infotainment-Bildschirm mit einer bedienungsfreundlichen Dreiteilung. Die obere (natürlich digitale) Leiste ist je nach Gusto teilweise frei belegbar und immer sichtbar. Gleiches gilt für das Pendant unten: Hier kann man alle Klimafunktionen einstellen. Darunter die oft kritisierten Slider für Lautstärke und Temperatur - aber endlich beleuchtet. Auch bei der Bedienung des Home-Screens mit seiner Kachel-Optik hat VW die Hausaufgaben gemacht. Erstens ist alles logisch und zweitens beeindruckt das System mit seiner extremen Schnelligkeit. Auch ein Novum bei Volkswagen. So wie die Sprachassistentin Ida, die kaum Verständnisschwierigkeiten hat. Platz und Wendigkeit: Gehobene Mittelklasse bietet der ID.7 tatsächlich beim Platz. Der fast fünf Meter lange Elektro-Passat hat ja auch einen knapp drei Meter langen Radstand. Da sitzt auch der 1,90-Meter-Lulatsch noch bequem auf den Frontsitzen, im Fond stößt der Kollege aber an seine (Dach-)Grenzen. Der Kofferraum hat mit 532 Litern sogar etwas mehr als so manche Konkurrenz, zum Beispiel der i5 von BMW. Wer mehr Volumen braucht: Abwarten, Tee trinken - der Kombi, hier Tourer genannt, steht schon in den Startlöchern. So groß der ID.7 auch wirkt: Wendig ist er wie ein Kleinwagen. 10,9 Meter - da schaut auch die Mercedes E-Klasse mit Hinterachslenkung alt aus. Fahrwerk & Lenkung: Als echtes Kind der neuen VW-Generation hat der ID.7 den Ganghebel jetzt am Lenkrad. Eine Wohltat im Vergleich zu dem fummeligen ID.3-Knubbel. Das Lenkrad liegt gut in der Hand, die Lenkung selbst ist nicht die leichteste, aber sie passt zur Limousine, weil sie vermittelt, dass hier ein Trumm von Auto bewegt wird. Beim adaptiven und komfortablen Fahrwerk haben die Ingenieure einen guten Job gemacht, ohne groß in den Technologie-Kasten zu greifen. Nur bei größeren Unebenheiten und Querrillen schlagen die Dämpfer durch, vor allem akustisch. Ansonsten hat der Hecktriebler auch bei Starkregen zuverlässige Traktion, der Fahrdynamik-Manager sorgt für Stabilität und ausreichend spaßige Kurvenfahrten.


Motor und Verbrauch: Egal, was da noch an anderen Motorisierungen (GTX mit Allrad und zwei E-Maschinen) kommen mag: Die Standard-Ausführung mit 210 kW (286 PS) und 545 Nm Drehmoment genügt. 6,5 Sekunden von 0 auf 100 - wenn das nicht reicht! Wie immer im Leben: Speed hat seinen Preis. Und so fahren wir den ID.7 mit knapp 23 kWh Verbrauch auf 100 Kilometern. Damit sind wir weit von den offiziellen Werten (14,1-16,3 kWH) entfernt. Mit der Reichweite von bis zu 621 Kilometer wird das so nichts. Zumindest nicht unter den Testfahrt-Bedingungen: Dauerregen, sieben Grad, viel Autobahn und Landstraßen. Batterie und Laden: Wenn die Reichweite dahinschmilzt - da hilft nur schnelles Aufladen der 77-kWh-Batterie, die standardmäßig auch im ID.Buzz eingebaut ist. Theoretisch könnten wir mit bis zu 175 kW „auftanken“, die Ladesäule an der Autobahn-Raststätte bietet aber nur 150 kW. Und die schöpft der ID.7 ordentlich lang aus. In 30 Minuten haben wir wieder 80 Prozent Ladung im Akku. Das ist fast schon langstreckentauglich. Unterstützt wird man bei der Suche nach Strom-Zapfstellen vom digitalen Ladeplaner, der zuverlässig arbeitet und sich nur bei der Zielangabe „Lofoten“ eine längere Auszeit nimmt.
Preis und Ausstattung: Auch hier will Volkswagen wieder mehr Volksnähe zeigen. Bei knapp 57.000 geht es los, da fehlen nur noch die adaptive Fahrwerksregelung DCC, das intelligente Matrix-Licht oder die Sitze mit Massagefunktion, sonst ist schon alles Wesentliche drin. Wer knapp 64.000 Euro ausgibt, hat dann aber schon ein fast luxuriöses Auto. Zum Vergleich: Der BMW i5 startet bei 70.000 Euro. Unser Fazit: Gestört haben uns nur Kleinigkeiten: Zum Beispiel, dass die Scheibenwischer-Geschwindigkeit schwer justierbar ist oder dass man die Türen kräftig zuschlagen muss, damit sie auch schließen. Und warum ist die Wärmepumpe nicht serienmäßig (999 Euro Aufpreis)? Aber das alles kann unser positives Urteil nicht trüben: Der ID.7 ist erstens mal wieder ein echter Volkswagen und kann zweitens mit der Elektro-Konkurrenz von Tesla, China und Co locker mithalten. Rudolf Bögel
TECHNISCHE DATEN
ID.7 PRO
Motoren:
Permanenterregte Synchronmaschine
Leistung: 210 kW (286 PS)
Drehmoment: 545 Nm
Antrieb: Heck
Batterie: 77 kWh (netto)
Verbrauch kombiniert: 14,1-16,3 kWh / 100 km
Reichweite: 621 km
Ladezeit: 8 h bei 11 kW (0-100 Prozent) AC
28 min bei 175 kW DC (10-80 Prozent)
Beschleunigung: (0-100 km/h): 6,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Abmessungen: (L/B/H): 4,96/1,86/1,57 m
Radstand: 2,97 m
Wendekreis: 10,9 m
Kofferraum: 532-1586 /
Gewicht/Zuladung: 2172/458 kg
Anhängelast (gebr.)/Stützlast: 1200/75 kg
Preis: 56.995 Euro
Erschienen im Tagesspiegel am 29.01.2024