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Urbane Verlangsamung

Cittàslow und Slow City sind zukunftsweisende Städtebaukonzepte.

<span id="ikp8l">Zu den herausragenden Konzepten einer Slow City gehört die Idee der 15-Minuten-Stadt von Carlos Moreno. Die Stadt der kurzen Wege ist durchwebt mit kleinstädtischen Strukturen. Paris bemüht sich darum, die erste und führende 15-Minuten-Stadt zu werden. Die Umsetzung der Umgestaltung hat bereits begonnen. Foto: Alexander Verlag/Antje Wewerka</span>
Zu den herausragenden Konzepten einer Slow City gehört die Idee der 15-Minuten-Stadt von Carlos Moreno. Die Stadt der kurzen Wege ist durchwebt mit kleinstädtischen Strukturen. Paris bemüht sich darum, die erste und führende 15-Minuten-Stadt zu werden. Die Umsetzung der Umgestaltung hat bereits begonnen. Foto: Alexander Verlag/Antje Wewerka

Das Thema der Ökologie der Zeit im kollektiven Bewusstsein zu verankern, ist noch nicht gelungen. Allzu sehr dominiert der Slogan „Zeit ist Geld“. Es ist dann schwer, begreifbar zu machen, dass Schnelligkeit nicht per se mit mehr Ertrag und mehr Gewinn verbunden ist. Noch weniger, dass ein eventueller Mehrwert den Verlust an anderen Qualitäten niemals aufwiegen kann. In Sachen Slow Food ist ein Durchbruch gelungen, lässt man sich doch den Unterschied zu Fast Food gerne und leicht auf der Zunge zergehen.

Was den Städtebau betrifft, hat ein Durchbruch in Sachen Slow City durchaus eine Chance. Täglich mit massiven Stressfaktoren und Aggressivität konfrontiert zu sein, dürfte den Wunsch nach Ruhe und Entspannung längst in den Fokus gerückt haben. Und der Bedarf wird mit Gewissheit wachsen.

Von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung her werden Städte weiterhin im Fokus stehen. Schon 2030 sollen 60 Prozent der Bevölkerung im urbanen Umfeld wohnen und arbeiten. „Es wird als Belastung, ja sogar als Alltagsstress empfunden, sich tagtäglich im Großstadtdschungel zurechtfinden zu müssen. Kaum verwunderlich also, dass immer mehr Stadtbewohner nach Gegengewichten zur vorwiegend digitalisierten Arbeit und zum hektischen urbanen Lifestyle suchen“, ist beim Frankfurter Forschungsunternehmen Zukunftsinstitut nachzulesen. Der Ruf nach Slow Citys werde auf Basis der „Sehnsucht nach einem vereinfachten Leben, geprägt von Naturnähe, Nachbarschaft und Nachhaltigkeit“ immer lauter.

Die Ursprünge der Idee der Slow City liegen wie bei Slow Food in Italien. Der Bürgermeister des Ortes Greve in der Toskana, Paolo Saturini, gründete 1999 nach dem Vorbild der Slow-Food-Bewegung die Cittàslow als ein „internationales Netzwerk von Städten, in denen es sich gut leben lässt“, die aber auch nicht mehr als 50.000 Einwohner zählen. Eine lebendige Demokratie wird dabei als Basis besonders hervorgehoben. Mitglied werden darf ein Ort, der mindestens 50 Prozent der 71 Kriterien aus den nachfolgend aufgeführten sieben Bereichen erfüllt: Energie-und Umweltpolitik; Infrastruktur; Urbane Qualität; Landwirtschaft, Tourismus- und Handwerk; Gastfreundschaft, Bewusstsein und Bildung; Sozialer Zusammenhalt; [Städte-] Partnerschaften. Das Spektrum ist weit gefasst, beinhaltet multikulturelle Integration genauso wie regionales Brauchtum und traditionelles Handwerk, innovative Technologien und Mobilitätsformen genauso wie regionale Märkte und Wirtschaftskreisläufe, Slow Traveling genauso wie lokale Kultur, Barrierefreiheit genauso wie städtische Resilienz. Die Weitsicht der Gründer überrascht. Bereits 24 deutsche Städte und Gemeinden sind dem lokalen Cittàslow-Netzwerk beigetreten, aus Bayern Hersbruck und Nördlingen.

Städte und Gemeinden, die das Logo des Cittàslow-Netzwerks tragen, sind nach vielen Kriterien besonders lebenswert. Foto: Cittàslow
Städte und Gemeinden, die das Logo des Cittàslow-Netzwerks tragen, sind nach vielen Kriterien besonders lebenswert. Foto: Cittàslow

Der Begriff Slow City scheint sich indes in Bezug auf größere Städte zu etablieren, wobei die Kriterien in manchen Bereichen anders ausgerichtet sein dürften. Seit den Empfehlungen durch die Weltgesundheitsorganisation WHO 2020 und im UN-HABITAT World Cities Report 2022 spielt das Konzept der 15-Minuten-Stadt von Carlos Moreno in der städtebaulichen Umgestaltung eine wichtige Rolle. Dabei rücken die Dezentralisierung und eine flächendeckende Verwebung kleinstädtischer, ja dörflicher Strukturen die Cittàslow-Kriterien wieder in den Fokus. Moreno selbst konzentrierte sich auf die Infrastruktur, die alles Nötige in einem Umkreis von 15 fußläufigen Minuten mit dem Zuhause im Zentrum erreichbar machen soll. Von der Arbeitsstelle über Einkaufsmöglichkeiten, Lebensmittelanbau und medizinische Versorgung bis hin zu Kinderbetreuung und schulischen Angeboten. Lärmschutz und die Reduktion der CO₂-Emissionen sind dabei ein vordringliches Ziel. Ob Cittàslow oder Slow City: Beide tragen zu einer signifikanten Steigerung der Lebensqualität im Einklang mit der Natur bei. Wie schnell die Maßnahmen greifen werden, hängt von der Konsequenz der Umsetzung und von der Kooperationsbereitschaft der Stadtbewohner ab.

Reinhard Palmer

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 08.03.2025

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