Nach zehn Millionen Exemplaren wird der 5er-BMW elektrisch. Aber auch sonst fährt der i5 in die Zukunft. Er kann sogar selbstständig überholen. Dazu genügt ein einziger Blick. Aber erst einmal eine gute Portion Zeitgeist: Deshalb beschäftigen wir uns nicht mehr wie früher zuerst mit Motor, Antrieb und der Frage, ob so ein BMW Freude am Fahren macht, sondern Freude am Glotzen. Kurzum: Es geht um die digitalen Fähigkeiten eines Autos. Und die beginnen auf dem oder den Bildschirmen. Der 5er hat zwei davon, zusammengefasst unter einem gebogenen Glas: 12,3 Zoll hinter dem (nun auch abgeflachten) Lenkrad, 14,9 Zoll für die Fahrzeugeinstellungen und Infotainment. Dazu kommt noch die „Interaction Bar“, eine – je nach Standpunkt – schicke oder protzige gläserne Spange, die an ein großes Swarovski-Kristall erinnert. Unter der Deko verstecken sich auch Schaltfunktionen wie Heckscheibenheizung, De-Frost oder die Warnblinkanlage.
Apropos Versteck spielen: Erst nach langem Suchen haben wir hier auch die Taste gefunden, mit der sich das Handschuhfach öffnen lässt. Haptisch verunglückt sind auch die Klimaregler. Leicht versteckt unter der Konsole, sind sie zu klein und zu fummelig. Fast in den Wahnsinn getrieben hat uns die Massagefunktion. Einmal aktiviert, konnten wir die werkelnden Druckkammern nicht mehr ausschalten. Selbst ein zwischenzeitlicher Toilettenstopp mit einem Komplettausschalten und Verschließen des Autos half nicht. Irgendwann haben wir im Untermenü vom Untermenü per Zufall dann die richtige Funktion gefunden. BMW weiß um das Problem, und da es sich um Software handelt, dürfte dessen Beseitigung nur eine Frage der Zeit sein. Digital heißt immer auch spielerisch. In dieser Kategorie hat der 5er reichlich. Mit der Bordkamera kann man zum Beispiel jetzt Selfies im Innenraum schießen und verschicken. Auch Videostreaming über YouTube ist möglich, dazu gibt es kostenlos einen eigenen Videokanal der Deutschen Bundesliga. Und wenn einem dann immer noch langweilig ist, dann kann man über die Spieleplattform „Air Console“ nicht nur online spielen, sondern sogar gegeneinander. Also Fahrer gegen Beifahrer. Der Controller ist dann das jeweilige Smartphone. Wozu das alles? Erstens gibt es Märkte, die so etwas lieben, wie etwa die Chinesen. Und zweitens muss man mit Elektroautos oft schon an fast dystopischen Standorten auftanken. Da ist man über jede Abwechslung dankbar. Beim i5 ist das Vergnügen allerdings meistens kurz: Die 81,2 kWH große Batterie mit einer Reichweite von über 500 Kilometern lässt sich mit bis zu 205 kW in spätestens 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufladen.
10 x 3 x 3,5 – auf diese Formel lässt sich das Größenwachstum des 5ers bringen. Also zehn Zentimeter mehr in der Länge, drei in der Breite und 3,5 Zentimeter in der Höhe. Damit wächst die Limousine buchstäblich über sich hinaus und ist auch mit einer Länge von fünf Metern ein echter 5er. Hinten haben uns die Platzverhältnisse etwas enttäuscht, da hat der Radstand von drei Metern mehr versprochen. Über den Kühlergrill muss man nicht mehr diskutieren, zumal er wieder dezenter ausfällt als bei XM & Co. Neu ist, dass die Niere nun beleuchtet ist. Grundsätzlich heißt es bei der Karosserie: „One size fits it all“. Ob Elektroauto oder Verbrenner, da sieht man keinen Unterschied. Und so fährt sich der Elektro-5e: Wir hatten zunächst das Einstiegsmodell zum Fahrtest, den i5 eDrive 40. Über einen 340 PS starken Elektromotor wird der i5 an den Hinterrädern angetrieben. Kraftvoll, souverän, und wenn man will, mit künstlicher Soundbegleitung. Wie von BMW gewöhnt, bietet das Fahrwerk Komfort und Sportlichkeit gleichzeitig. Neu sind die hydraulischen Zusatzdämpfer, die ein übermäßiges Ausfedern oder Aufschaukeln der Karosserie unterbinden und Schwingungen bei ambitionierten Kurvenfahrten reduzieren. Das harmonische Fahrwerk passt somit gut zum unaufgeregten E-Antrieb. Die serienmäßige elektromechanische Sportlenkung ist, man kann es nicht anders sagen, ein echter Genuss. Selten hatten wir so ein präzises und direktes Lenkgefühl. Ebenfalls gefahren sind wir die M-Version i5 M60 xDrive (Preis knapp 100.000 Euro). Sie ist mit einen zweiten Elektro-motor auf der Vorderachse ausgestattet. Wenn die beiden E-Maschinen gemeinsame Sache machen, dann explodiert der Elektro-5er. Er schiebt auf allen vier Rädern an, mit Werten in der Spitze von genau 601 PS sowie einem Drehmoment von 820 Newtonmetern. Dabei bringt der Antrieb diese Power kultiviert auf die Straße. Leichtfüßig fühlt sich das trotz seiner 2.350 Kilogramm an – und auch nicht so brachial wie bei großen Verbrennern. Das Ergebnis von 0 auf Tempo 100 ist mit 3,8 Sekunden beeindruckend. Aber eigentlich tut es der kleinere i5 genauso. Verbrenner gibt es auch noch, aber nur als Mild- oder als Plug-in-Hybride. Sie kommen erst im Frühjahr 2024 auf den Markt. Das Einstiegsmodell bleibt der 520 i mit seinem 2,0-Liter Vierzylinder Biturbo und Hybridantrieb (208 PS). Elektrifiziert wird auch der Diesel, er leistet 197 PS. Bis zu 100 Kilometer Reichweite will der Plug-in-Hybrid 530e (299 PS) schaffen. Wie sein stärkerer Bruder 550e xDrive (489 PS) wurde eine ganz neue flache Batterie entwickelt, die in den Unterboden passt. Somit bieten die PHEV´s genauso viel Platz im Kofferraum wie die Mild-Hybride. Ob Verbrenner oder Elektroauto – beim autonomen Fahren hat BMW jetzt die Niere vorne. Denn der 5er darf bis Tempo 130 auf deutschen Autobahnen selbstständig unterwegs sein. Also Hände weg vom Steuer. Der Mensch denkt, das Auto lenkt. Man muss nur noch das Verkehrsgeschehen beobachten, alles andere läuft automatisch. Der BMW hält Geschwindigkeit, Abstand, bremst und beschleunigt selbstständig. Aber der Clou ist: Der 5er überholt von ganz alleine. Ein Blick in den Seitenspiegel genügt, und schon geht alles wie von Geisterhand. Das Auto setzt den Blinker, schert aus, überholt und schert wieder ein. Wir haben es ausprobiert, funktioniert tadellos. Überholen mit einem einzigen Augenaufschlag – Fahren mit einem modernen Auto kann sogar ziemlich charmant sein.
Rudolf Bögel
TECHNISCHE DATEN
BMW i5 eDRIVE40 LIMOUSINE
Motor: stromerregte Synchronmaschine
Antrieb: Heck / Automatik
Spitzenleistung: 250 kW (340 PS)
Drehmoment: 400 (430) Nm
0 – 100 km/h: 6,0 s
V.max: 193 km/h (limitiert)
Akku-Kapazität: 81,2 kWh (netto)
Ladezeiten: 0 – 100 % bei 11 kW AC 8,25 h
0 – 80 % bei 205 kW DC 30 min
Verbrauch: 15,9 – 18,9 1kWh / 100 km
Reichweite: 497 – 582 km
Länge / Breite / Höhe: 5,01 / 1,90 / 1,52
Radstand: 3,00 m
Leergewicht / Anhängelast: 2.130 / 1.500 kg
Kofferraum: 490 l
Preis: 72.020 Euro (520i ab 59.840 Euro)
So wird der i5 Touring
Auch vom i5 bringt BMW ein Kombi-Modell. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Es gibt keine separat zu öffnende Heckscheibe mehr. Fans des Schnellladens, ohne die ganze Klappe öffnen zu müssen, dürften deshalb traurig sein. Sonst bleibt alles beim Alten: Der Kombi sieht bis zur B-Säule so aus wie die Limousine, nur das Heck ist anders. Der i5 Touring wird fünf Zentimeter länger sein, im Kofferraum ist reichlich Platz: 570 Liter normal, umgeklappt bis zu 1.700 Liter.
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Erschienen im Tagesspiegel am 19.02.2024