Für Thaddäus Baier aus Schnaitsee ist die Sache völlig klar: Die Zukunft des Traktors ist elektrisch. Und der erste Prototyp des Technikers und Chefs der Firma Tadus ist für ihn der Beweis dafür, dass diese Zukunft schon begonnen hat. Denn das mächtige Gefährt in der 100-kW-Klasse erfüllt nach seinen Worten nicht nur sämtliche Anforderungen bei landwirtschaftlichen Einsätzen, es bietet auch hohe Energieeffizienz und schont die Umwelt.
Mit nur einem E-Aggregat kommt so ein Arbeitstier auf Rädern nicht aus. Beim TadusPrototypen sind zwei Elektromotoren mit 100 kW/136 PS für den Achsantrieb zuständig, einer mit 30 kW für die Hydraulikpumpe und ein weiterer mit 80 bis 90 kW für den Zapfwellenantrieb. Und bei Bedarf ließe sich ab 2025 in den Serienfahrzeugen optional auch noch ein fünfter E-Motor für die Frontzapfwelle unterbringen. „Je nach Arbeitseinsatz reicht die Leistung mit einer Akkuladung für circa vier bis fünf Stunden“, so der Firmenchef. Für einen Großteil der Tätigkeiten wie morgendliche und abendliche Stallarbeit, Grünlandpflege oder Transportarbeiten sei das völlig ausreichend.


Entscheidender Vorteil des E-Schleppers neben der saubereren Energie und den deutlich leiseren Arbeitsgeräuschen: Auch der Geldbeutel der Betreiber wird geschont. Thaddäus Baier geht von 50 Prozent niedrigeren Kosten für Reparaturen und Schmiermittel aus, weil es im elektrischen Antriebsstrang deutlich weniger bewegte Teile gibt. Und die Kosten für Kraftstoff ließen sich gar um die 75 Prozent verringern. Schließlich produzieren die meisten Landwirte auch Strom. Macht der Traktor Pause, kann der austauschbare 130-kWh-Akku PV-Strom zwischenspeichern - oder etwa die Melkanlage antreiben, wenn die Kollektoren auf dem Dach mangels Sonnenschein nicht liefern können. Der Umgang mit dem Fünf-Tonnen-Trumm ist laut Baier absolut problemlos und einfacher als mit jedem Diesel-Traktor. Interessanter Aspekt am Rande: Der Tadus fährt maximal 40 km/h - vorwärts wie rückwärts. Natürlich ist das oberbayerische Start-up Tadus nicht der einzige E-Pionier im Bereich Landwirtschaft. Hersteller Fendt errang beispielsweise mit seinem e107 V Vario den Titel „Sustainable Tractor of the Year 2024“. Das Schmalspur-Arbeitstier liefert eine Leistung bis zu 66 kW/90 PS, verfügt über eine Batteriekapazität von 100 kWh, was eine Einsatzzeit von vier bis sieben Stunden bei Schnitt- und Mäharbeiten oder bei der Straßenpflege bedeutet. Klar ist, dass nach aktuellem Stand der Akkutechnik der Stromantrieb nur für kleine bis mittlere Traktoren sinnvoll ist. Bei ganz dicken Brummern müsste allein der Akku um die 15 Tonnen wiegen, um in etwa mit einem Diesel-Traktor mit 800-Liter-Tank gleichzuziehen.
Und so bewegt sich auch ein Pilotprojekt der Technischen Universität München (TUM) in den unteren bis mittleren Gewichtsklassen. Dafür wurde eine Plattform für elektrische Traktoren namens TUMtrac entwickelt. Basis ist eine einheitliche Bodengruppe.„Diese wird durch einen Wechselakku ergänzt, der je nach Aufgabenfeld vorne oder hinten auf dem Fahrzeug platziert werden kann“, heißt es. Die Batterie übernimmt dabei eine Doppelrolle als Stromquelle und als Gegengewicht für Anbauten wie Mähwerk oder Schneepflug. „Unser Traktor-Baukasten soll dank seines modularen Aufbaus ganz unterschiedliche Traktorenkonzepte simulieren und bewerten können“, so Korbinian Götz, Leiter des Forschungsprojekts am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik. Ab 1000 Betriebsstunden pro Jahr sollen sich Traktoren, die mit dem Baukasten konstruiert werden können, besonders gut eignen. Ziel sei es, Landmaschinen-Produzenten markenübergreifend bei der Entwicklung neuer Traktoren-Konzepte zu unterstützen. Offenbar liegen die Münchner mit ihrem Projekt richtig: Die erste Vorstellung von TUMtrac auf der Fachmesse Agritechnica stieß jedenfalls auf großes Interesse. Rudolf Huber
Erschienen im Tagesspiegel am 29.01.2024