Die 4000 Immobilienexperten aus aller Welt können nicht irren, denn ihre Aussagen führen im neuen „Sustainability Report 2024“, herausgegeben vom Britischen Berufsverband der Immobilienfachleute Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), zu mitunter deutlich übereinstimmenden Ergebnissen. Der Bericht beleuchtet die anhaltenden Trends und Herausforderungen in der globalen Immobilienbranche, insbesondere im Hinblick auf nachhaltige Gebäude und ESG-Investitionen. Dabei wird erneut ersichtlich, dass Europa bereits zum dritten Mal als Vorreiter bei der Investorennachfrage nach grünen Immobilien agiert, während Amerika das Schlusslicht bildet.
Steigende Investorennachfrage in Europa
In Europa verzeichnen 68 Prozent der Befragten eine wachsende Investorennachfrage nach grünen Gebäuden, was deutlich über dem globalen Durchschnitt von 50 Prozent liegt. Besonders in Deutschland sticht die Entwicklung hervor: Hier berichtet über ein Drittel der Befragten von einem deutlichen Nachfragezuwachs. Anders gestaltet sich die Situation in Amerika, wo über die Hälfte der Befragten in dieser Region angibt, keine Veränderung in der Investorennachfrage bemerkt zu haben.
Wertsteigerung und Mietaufschläge
Der Report untersucht bei grünen Gebäuden im Wesentlichen drei Komponenten: CO₂Bilanz, Energie- und Ressourceneffizienz sowie die erreichten Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen.

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Die Resultate aus den zu untersuchenden Kriterien münden in den Sustainable Building Index
Je besser die Kriterien erfüllt sind, desto höhere Mieten und gesteigerte Marktwerte können erzielt werden. Weltweit berichten dies 44 Prozent der Befragten und in Deutschland bestätigen das mehr als die Hälfte. Bei den Kapitalwerten zeigt sich ein ähnliches Bild: 52 Prozent der deutschen Teilnehmer erkennen höhere Werte für nachhaltige Immobilien, was die Attraktivität dieser Objekte unterstreicht. Besonders starke Preisaufschläge werden im Nahen Osten und in Afrika registriert, wo 64 Prozent der Experten von höheren Marktwerten berichten. Auch in der APAC-Region und Europa ist dieser Trend ausgeprägt. Treibende Kräfte werden in den ambitionierten Dekarbonisierungszielen der Europäischen Kommission im Rahmen des Green Deals verortet. Angesichts der zunehmenden Risiken des Klimawandels erkennen immer mehr Akteure die Bedeutung von Resilienz und Klimaanpassung. Im Nahen Osten und in Afrika stufen 40 Prozent die Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Wetterbedingungen als wesentlichen Faktor ein. In Europa und Deutschland ist dieses Bewusstsein ebenfalls gestiegen, jedoch bleibt hier, aber auch global, noch Luft nach oben. Nur ein Viertel der Teilnehmenden halten Resilienz für einen entscheidenden Aspekt.
Barrieren für grüne Baupraktiken
Der größte Handlungsbedarf für grüne Gebäude besteht im Bausektor. Er verantwortet zirka 40 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßes. Dennoch sehen die Umfragebeteiligten immer noch zu hohe Barrieren, um nachhaltiger zu bauen. Dabei stellen die Anfangskosten weltweit die größte Hürde dar. Zusätzlich erschweren Fachkräftemangel, Wissenslücken und unzureichende Schulungen die Umsetzung grüner Baupraktiken. Ein weiteres Hindernis ist die unzureichende Berücksichtigung von Biodiversität: Weltweit berücksichtigen offensichtlich weniger als 50 Prozent der Bauprojekte die Auswirkungen auf die Artenvielfalt.
Während Europa eine Führungsrolle ein-nimmt, bleibt in anderen Regionen Nachholbedarf, insbesondere in Amerika. Um die Netto-Null-Ziele bis 2050 zu erreichen, sind jedoch umfassendere Maßnahmen erforderlich.
Fazit und Ausblick
Neben der Reduktion von Kohlenstoffemissionen und der Anpassung an Klimarisiken müssen auch Themen wie Biodiversität und Materialwiederverwertbarkeit stärker in den Fokus gerückt werden. Nachhaltige Immobilien bleiben ein zentraler Bestandteil des globalen Übergangs zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft.
Kelly Kleich
Erschienen im Tagesspiegel am 08.02.2025