Ist es möglich, sich in Ballungsräumen gesund und ökologisch mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen? Eine nicht zu unterschätzende Frage, denn die Hälfte der etwa 7,5 Milliarden Erdbewohner lebt in Städten. Laut UNO-Berechnungen sollen es bis 2050 sogar 70 Prozent bei geschätzten 10 Milliarden Menschen sein. Die Gewährleistung der Ernährung wird daher kontrovers diskutiert. Turbosaatgut aus dem Labor, gepuscht mit Kunstdüngern in von Pestiziden geschützten Monokulturen ist ungesund und für die Umwelt ein Desaster. Neue Konzepte für die Landwirtschaft sind bereits gefunden, aber sie schrumpft und reicht nicht. Hier kommt urbaner Gartenbau, Urban Farming, ins Spiel.
Basierend auf Bürgerinitiativen
Freiräume in den Siedlungsgebieten sollen bewirtschaftet werden. Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es ähnliche Ansätze, verstärkt dann im Zweiten Weltkrieg, als Lebensmittel knapp wurden. Ein Überbleibsel davon sind sauber parzellierte Schrebergärten mit festen Auflagen. Urban Farming ist flexibler, kleinteiliger und nicht selten auch mobil, das heißt als Kistenkultur angelegt und jederzeit verlegbar. Begonnen hat die Bewegung mit dem Guerilla Gardening, bei dem in Nacht- und Nebelaktionen Brachen in Gärten verwandelt wurden.
Urban Farming wird indes legal betrieben. Beide sind meist gerne gesehen, da für die Städte mit ökologischem Mehrwert verbunden. Doch nicht nur deshalb. Urban Farming basiert im Normalfall auf Bürgerinitiativen. Dort tun sich Anwohner zusammen, nicht selten aus verschiedenen Kulturen stammend, um selbstverwaltet dafür überlassene Räume zu bewirtschaften, begleitet von gemeinsamen Unternehmungen, Festen, Initiativen für Kinder und Familien et cetera. Dieser Beitrag für ein harmonisches, integratives Miteinander und ein funktionierendes soziales Gefüge ist von unschätzbarem Wert. REINHARD PALMER
Erschienen im Tagesspiegel am 09.06.2024