Wer auf dem Asphalt zu Hause ist, kann normalerweise nicht übers Wasser gehen. Porsche kann. Für die exklusive Kundschaft, die eine halbe Million Euro locker macht, gibt es jetzt nämlich eine eigene Porsche-Yacht. Entwickelt wurde sie zusammen mit der österreichischen Edelwerft Frauscher. Exklusiv an Bord: Der neue Elektroantrieb des neuen Macan. 544 PS auf dem Wasser. Kraftvoll, aber lautlos. Wie fühlt sich das an? Kann die Frauscher x Porsche 850 Phantom Air der Konkurrenz das Wasser reichen? Oder sogar abgraben? Eine echte Landratte begibt sich dafür aufs Wasser.
Porsche und ein Boot? E-Maschine statt Außenborder? Das klingt alles reichlich verwirrend. Dabei ist es ganz einfach. Porsche und Wasser – das hat Tradition. Schon in den Fünfzigerjahren gab es eine Porsche Marine Engine, basierend auf dem Vierzylinder-Boxer des 356. Sogar vom späteren V-8-Triebwerk des 928 leiteten die Ingenieure eine maritime Variante ab. Warum sollte man die Tradition nicht auch im Elektrozeitalter fortsetzen.

Zwar können sie in Zuffenhausen schöne Chassis für Autos bauen – aber ob das auch für die See reicht? Den Schlag ins Wasser hat man sich gespart, nach einem geeigneten Partner gesucht und ist in der Nähe des österreichischen Traunsees fündig geworden, bei der Familie Frauscher. Luxuriöse Yachten sind ihr Geschäft, los geht es bei 250.000 Euro, rauf geht es dann bis zu 1,5 Millionen Euro Kaufpreis. Bis zu 90 Luxusboote pro Jahr werden in Handarbeit von den 100 Mitarbeitern gefertigt. Dabei ist die Firma bodenständig geblieben. Liegt auch an der Familiengeschichte. Denn schon 1956 werden am Traunsee E-Boote gebaut, insgesamt über 3.000. Eine größere Erfahrung und Expertise dürften wohl nur wenige sonst in Europa haben. Von daher war der Weg von Zuffenhausen nach Ohldorf gar nicht mal so weit. Die Idee nahm größere Züge an und wurde von Porsche-CEO Oliver Blume persönlich abgesegnet. Natürlich erst nach einer Spritztour im Prototypen auf dem Chiemsee.
Technologisch sind die Aufgaben von Weltfirma und Familienbetrieb klar getrennt. Porsche liefert den Antrieb und das Design für das Cockpit respektive den Steuerstand. Und für die Umsetzung sorgt Frauscher. Das ist gar nicht so einfach, weil die 100-kWh-Batterie einen enormen Platzbedarf hat. Deshalb muss der Rumpf des Bootes verändert werden. Er stammt von der herkömmlichen Fantom Air 858, die mit einem V8-Motor (430 PS) ausgestattet ist. Die Vorgaben: Die 8,67 Meter lange Yacht darf mit dem E-Antrieb nicht an Gewicht zulegen und muss genauso komfortabel bleiben. Eines der großen Probleme: Wie schützt man eine schwere Batterie gegen die Stöße, die auftreten, wenn der Rumpf auf das Wasser klatscht? Die Antwort der Ingenieure: Man hängt sie an Drahtseildämpfern auf.
Von all dem ahnt man nichts, wenn man die Yacht betritt. Dass es sich nicht um ein normales Boot handelt wird einem klar, wenn man vor dem Armaturenbrett steht. Mit den fünf Rundinstrumenten und dem Lenkrad sieht es aus wie das Cockpit eines Porsches. Kein Wunder, schließlich hat die Designabteilung F.A. Porsche Hand angelegt. Original muss original bleiben – sogar der Startknopf für das Boot befindet sich links vom Lenkrad. Natürlich mussten die Materialien angepasst werden. Sonne und Salzwasser sind Autoarmaturen nicht gewöhnt, und auch der Bildschirm muss im gleißenden Sommerlicht lesbar sein.


544 PS hinter uns und 346 Meter Wassertiefe unter uns – unsere Bootsfahrt führt uns von Gargnano hinaus auf den Gardasee. Wir sind zwar schon mal Hausboot gefahren. Aber das hier ist eine ganz andere Nummer. Denken wir voller Respekt. Wir legen langsam den Schubhebel um und lassen die PS ausnahmsweise über das Wasser galoppieren. Ganz vorsichtig. Wer weiß? Mit 231 PS Dauerleistung geht es auf den See hinaus, ganz lautlos, nur die Wellen klatschen an den Rumpf. Das Boot hebt sich leicht aus dem Wasser. Dann legen wir den Hebel auf den Tisch, wie es in der Fachsprache heißt. Wir geben Vollgas. Und da entfesselt der Macan-Antrieb zumindest kurzfristig bis zu 544 PS. Die Fantom Air reckt sich noch weiter als vorher aus dem Wasser und schießt mit bis zu 85 Stundenkilometern Richtung Torri del Benaco auf die andere Seeseite. Lange kann sie das nicht durchhalten, weil sonst Batterie und Antrieb zu heiß werden. Aber ein Kavaliersstart zur See ist schon drin. Die Reichweite liegt bei rund einer Stunde, bei einer Cruising-Geschwindigkeit von 41 km/h. Im typischen Betrieb mit Dümpeln, Cruisen und schneller Fahrt reicht der Akku auch für zwei bis drei Stunden. Ähnlich wie beim Straßenpendant wird mit 11 kW (AC) oder bis zu 230 kW (DC) aufgeladen. Theoretisch sind 80 Prozent nach 30 Minuten wieder drin, Schnelllader sind jedoch an Seen noch eher selten.
Das alles beschäftigt uns nicht, wir jagen die Phantom Air über das Wasser, Rechtskurve, Linkskurve. Und kein Gegenverkehr. Das macht viel mehr Spaß als auf den Straßen. Schubhebel vor und zurück, dann wieder Vollgas. Aber was ist das? Plötzlich reißt die Leistung ab. So als ob die Reifen durchdrehen. Kein Grip mehr. Das kann nicht sein. Oder doch. Stefan Frauscher erklärt: „Bei zuviel Schub bilden sich Luftblasen und in dem Luft-Teppich finden die Schiffsschrauben nicht mehr so viel Halt.“ Das ist ja so, als ob auf der Straße die Reifen durchdrehen und in uns reift die Erkenntnis: So groß ist der Unterschied zwischen Straße und Wasser dann doch nicht.
Rudolf Böge
TECHNISCHE DATEN
FRAUSCHER X PORSCHE 850 PHANTOM AIR
Personen: 9 Länge/Breite: 8,67 / 2,49 m
Durchfahrtshöhe: 1,35 m
Tiefgang bei Trimm hoch/nieder: 0,5/0,9 m
Leergewicht: 2.800 kg
Dauer-/Spitzenleistung: 170/400 kW
Drehmoment: 550 Nm
Batteriekapazität (brutto): 100 kWh
Ladeleistung (AC/DC): 11/250 kW
Höchstgeschwindigkeit: 46 kn (Knoten) Crusing
Speed: 22 kn (Knoten) Reichweite (Crusing): 45 km
Preis: 561.700 Euro
Erschienen im Tagesspiegel am 19.02.2024